Deutsche Visums-Vergabe: Arme müssen draußen bleiben

Die Regierung veröffentlicht erstmals, wie häufig Visa abgelehnt werden. Besonders oft scheitern etwa Antragsteller aus afrikanischen Staaten und der Türkei.

Visa aus der Türkei werden doppelt so häufig abgelehnt wie im Durchschnitt: Generalkonsulat in Istanbul. Bild: dpa

Die Bundesregierung hat erstmals Zahlen dazu veröffentlicht, wie hoch die Ablehnungsquoten von Visumsanträgen in verschiedenen Ländern sind. Aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linke-Fraktion im Bundestag geht hervor, dass sich die Zahl der Ablehnungen in den Jahren 2000 bis 2009 fast verdoppelt hat - von 6 auf 10 Prozent der gestellten Anträge. Die Ablehnungsquoten variieren sehr stark zwischen unterschiedlichen Ländern.

Visa aus der Türkei werden doppelt so häufig abgelehnt wie im weltweiten Durchschnitt. In Ankara, wo die Bewerber aus den ländlichen Gebieten anlaufen, liegt sie mit 28 Prozent besonders hoch. Am häufigsten werden Anträge aus afrikanischen Staaten abgelehnt, für 2009 lag die Ablehnungsquote in Guinea bei 54 Prozent, in Ghana bei 37 Prozent. Die Zahlen berücksichtigen keine Fälle, in denen kein Antrag gestellt wird, weil Botschaftsmitarbeiter die Auskunft erteilten, er habe keine Aussicht auf Erfolg.

Die Zahlen waren bislang nie offengelegt worden. Die Bekanntgabe würde Versuche des Visumsmissbrauchs begünstigen und könnte sich nachteilig auf die bilateralen Beziehungen zu einzelnen Staaten auswirken, sagte ein Sprecher des Auswärtigten Amts der taz.

Sevim Dagdelen, die integrationspolitische Sprecherin der Linke-Bundestagsfraktion, führt die Unterschiede in den Ablehnungsquoten auf eine "soziale Selektion" zurück. "Denn es sind insbesondere Menschen ohne regelmäßige Einkünfte und Ledige aus afrikanischen Ländern und aus der Türkei, denen gezielt ein Besuchsvisum verweigert wird", sagt Dagdelen. Sozial schlechter gestellte Menschen hätten keine Chance, Bekannte in Deutschland zu besuchen. "Ihnen wird in der Praxis pauschal mangelnde Rückkehrbereitschaft unterstellt."

Bei Visumsanträgen wird die sogenannte Rückkehrbereitschaft der Antragsteller geprüft. Dadurch erhalten die einzelnen Behördenmitarbeitern einen gewissen Spielraum, den Kritiker als "Willkür" ansehen. Die Rückkehrbereitschaft kann in der Praxis bereits angezweifelt werden, wenn jemand nicht fest angestellt ist. Ein Indikator sei der "Verwurzelungsgrad des Antragsstellers in seinem Heimatland, der unter anderem durch familiäre und wirtschaftliche Verbindungen bestimmt wird", argumentiert das Auswärtige Amt in seiner Antwort.

Der integrationspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Memet Kilic, meint, man müsse entweder messbare Kriterien entwickeln oder die Prüfung der Rückkehrbereitschaft grundsätzlich fallen lassen. Der integrationspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, Serkan Tören, sagt hingegen, man müsse den Entscheidern einen "gewissen Spielraum" überlassen. Zu den unterschiedlich hohen Ablehnungsquoten in verschiedenen Länder sagt Tören: "Ich glaube nicht, dass dahinter eine politische Absicht steckt." Mit einigen Staaten, etwa der Türkei, gebe es noch keine Rückführungsvereinbarungen im Fall eines illegalen Aufenthaltes. "Möglicherweise ist die Visa-Vergabe deshalb restriktiver."

Hans-Peter Uhl, der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, sagt, es sei klar, dass die Rückkehrbereitschaft in solchen Ländern besonders genau geprüft werden müsse, aus denen zuvor besonders viele Menschen illegal eingewandert sind.

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