Frauenquote in Palästina: Sie wollen Spaß

Frauen übernehmen jetzt Führungspositionen in Ramallah. Die Einführung einer Quote hat Bewegung ins gesellschaftliche Leben der Stadt gebracht.

Geben bald die Richtung vor: Frauen in Palästina wie diese Polizistin in Ramallah. Bild: ap

RAMALLAH taz | Zwei Stunden vor Beginn ihrer Tanzparty ist Hana Araj in ihrem Element. Ein paar hundert Leute werden kommen, hofft sie, obwohl die Eintrittskarte 100 Schekel (20 Euro) kostet. Das ist für palästinensische Verhältnisse viel Geld, dafür wird aber auch viel geboten. Die 29-Jährige prüft Getränkevorräte, Lichtarrangement und natürlich die Dekoration der "Snowbar", wo unter freiem Himmel getanzt wird.

Mit ihrem Einfrauunternehmen ist die zierliche Frau diejenige, die über jedes Detail allein entscheidet und den eigens für den Abend engagierten männlichen Mitarbeitern Anweisungen erteilt. Sie ist dezent geschminkt, hat wilde blonde Locken, trägt ein enges grünes Jackett, Jeanshosen und Turnschuhe.

Dass eine Frau das Kommando führt, ist noch immer die Ausnahme im Westjordanland und selbst in Ramallah, der liberalsten aller palästinensischen Städte. Seit vier Jahren sitzt hier eine Bürgermeisterin im Rathaus, und wiederum eine Frau nimmt den Posten des Gouverneurs für den Bezirk Ramallah und al-Bireh ein. Grund zum Feiern hatten die Feministinnen schon, als die ebenfalls aus Ramallah stammende Hanan Aschrawi Ende letzten Jahres in den PLO-Exekutivrat gewählt wurde. Dort gab es bislang nur Männer.

"In keiner anderen Stadt könnte ich so etwas machen", sagt Hana und zieht einen Halbkreis mit ihrem Kopf. Sie hat die Open-Air-Bar mit viel Geschmack in einer Mischung aus Orient und Okzident hergerichtet. Auf den breiten Steinstufen vis-à-vis von zwei übergroßen Bildschirmen und den Lautsprechern liegen dicke Beduinenteppiche und bunte Kissen.

An Palmen und Gummibäumchen vorbei plätschert ein Springbrunnen, während tiefe Ledersessel zur einen Seite und die Theke auf der anderen den Rahmen für die Tanzfläche perfekt machen. Es wird Alkohol ausgeschenkt, trotzdem gelten grundlegende Verhaltensregeln. Die Türsteher dürfen nur Paare und Gruppen reinlassen. Alleinstehende Männer müssen draußen bleiben, "das könnte sonst Ärger geben", erklärt Hana.

"Ich will Spaß"

Die junge, geschiedene Frau und Mutter einer siebenjährigen Tochter behauptet nicht, besonders feministisch zu sein oder gar Vorbild für die Geschlechtsgenossinnen. "Ich will Spaß", sagt sie, "ich tanze einfach sehr gern", und "ich will berühmt werden". Gelassen steckt sie sich eine Zigarette an und gibt zu, gelegentlich auch mal Alkohol zu trinken, "aber nicht in der Öffentlichkeit".

Wie die "Event-Managerin" gibt sich auch Ramallahs Bürgermeisterin Janet Michael wenig frauenbewegt. Sie sieht ihren Posten nicht als Chance, für die Sache der Frauen aktiv zu werden, schließlich gebe es in Ramallah schon "so viele Zentren für Frauen". Dabei hat sie es auch der palästinensischen Frauenbewegung zu verdanken, dass sie selbst es auf einen so hohen Posten geschafft hat.

Jahrelang mussten die palästinensischen Frauen, die die Erste Intifada stark mitgeprägt hatten, zusehen, wie die einflussreichen Posten doch wieder vom starken Geschlecht besetzt wurden. Die Rolle, die die Frauen im palästinensischen Befreiungskampf spielten, schlug sich weder bei den Ergebnissen der landesweiten noch der lokalen Wahlen nieder. Mit nur durchschnittlich 1,5 Prozent waren die Palästinenserinnen in den Stadträten vertreten, bis ihr mühsamer Kampf um eine Quotenregelung Früchte trug und sie bei den Stadtratswahlen 2005 den Sprung auf gleich 20 Prozent schafften.

In Ramallah hätte es die amtierende Bürgermeisterin vielleicht sogar ohne Quotenregelung geschafft. Die Stadt ist in ihrer Mischung aus Christen, Muslimen, Alteingesessenen, aus dem Exil Zurückgekehrten und Zuwanderern heterogener und toleranter als jede andere palästinensische Ortschaft. "Dies ist eine liberale Stadt", sagt Janet Michael, in die es "die Gebildeten und Akademiker aus anderen Städten zieht". Deshalb hätten es auch die Frauen leichter, in Führungspositionen zu kommen - nicht nur in der Politik.

Obwohl Frauen mehr und mehr die Fäden ziehen, bleiben sie im Straßenbild von Ramallah in der Minderheit. Hier zwei Studentinnen, dort eine streng muslimisch gekleidete Frau, die hastig zwei Kleinkinder über die Straße schiebt. Doch bestimmt wird die Stadt von den traditionell mit Fes und rotem Kaftan gekleideten Teeverkäufern, von den Taxifahrern, Geldwechslern oder sich die Zeit vertreibenden Männern am Manger Square. Trotzdem ist Ramallah im Vergleich zu Hebron oder Nablus deutlich offener gegenüber Frauen.

"Ein Schritt führt zum nächsten", sagt Rose Schomali, die sich seit fast 30 Jahren für eine Sache einsetzt: die Emanzipierung der palästinensischen Frau. Allein die Tatsache, dass der Bürgermeisterposten von einer Frau besetzt wird, bringt die Emanzipation der palästinensischen Frauen in Schwung.

Schomali ist Direktorin des Womens Affairs Technical Committee, einer Art Dachverband der palästinensischen Frauenorganisationen, ohne den die Quotenregelung heute noch Zukunftsmusik wäre. "Du musst mitmischen, um Spuren zu hinterlassen", sagt die Endfünfzigerin überzeugt. Je mehr Frauen hohe Positionen einnähmen, desto stärker würden sie auch wahrgenommen, wobei Rückschläge nicht ausblieben. So schlecht wie selten zuvor schnitten Frauen im letzten Sommer bei den parteiinternen Wahlen der Fatah ab. Eine Quote bei der größten weltlichen Partei stand bislang nicht zur Debatte.

Eine Frau im Exekutivrat

Dass es bei der PLO klappte, eine Frau ins höchste Gremium zu schleusen, ist der Solidarität der Feministinnen mit Hanan Aschrawi zuzuschreiben. "Unser Lobbying hat funktioniert", lacht Schomali. "Die Frauen aller Fraktionen haben sich geschlossen für die einzige Frau im Rennen starkgemacht." Hanan Aschrawi ist das Aushängeschild der palästinensischen Feministinnen, seit sie Anfang der 1990er Jahre als Sprecherin der Friedensdelegation nach Madrid reiste und sich dort mit großem Selbstbewusstsein, rhetorisch geschult und in fließendem Englisch, der Weltöffentlichkeit stellte.

Neben dem Amt der Gouverneurin und Bürgermeisterin rücken Palästinenserinnen allgemein auch in weniger glamouröse, aber einflussreiche Bereiche vor. Seit einigen Monaten wird die Palestine Capital Market Authority (PCMA) von einer Frau geleitet. Die Behörde hat den Auftrag, einen "stabilen, transparenten und gerechten Rahmen" für Finanzbereiche wie Versicherungen und Hypotheken zu erstellen, so der Auftrag.

Abir Odeh, die Geschäftsführerin von PCMA, hat "es nie als Nachteil empfunden, eine Frau zu sein". Ihre Berufung sei auf strikt professionelle Überlegungen begründet gewesen. "Nicht anders sollte es sein", sagt die strenge Chefin, die bei der Auswahl ihres eigenen Personals ebenso wenig Unterschiede zwischen Mann und Frau macht.

"Die palästinensische Frau ist anders als die anderen arabischen Frauen", sagt Odeh. "Wir haben viel gelitten und gekämpft, das hat uns stark gemacht. Und es hat ein neues Miteinander geschaffen." Für die Wirtschaftswissenschaftlerin spielt es heute keine Rolle mehr, ob ein Mann oder eine Frau eine bestimmte Position einnimmt. Wichtig seien die Zusammenarbeit und das gemeinsame Ziel.

"Die Sache der Frauen ist nicht nur Sache der Frauen, sondern der Zivilgesellschaft", bringt es Rose Schomali auf den Punkt und erinnert sich, wie sie selbst als jung verheiratete Frau unter der Rollenverteilung im eigenen Heim litt. "Wenn ich von der Arbeit nach Hause kam, musste ich allein den gesamten Haushalt managen", sagt sie. "Mein Mann erwartete von mir, dass ich seinen Apfel schäle." Über 30 Jahre habe es gedauert, die alten Rollenmuster aufzubrechen und eine gleichberechtigte Partnerschaft zu erreichen.

Männer als Pfleger

Während stetig mehr Palästinenserinnen Führungspositionen einnehmen, sind umgekehrt immer mehr Männer bereit, in klassische Frauenberufe zu gehen, hat Rose Schomali beobachtet. "Soziale Arbeiten wie die häusliche Behindertenpflege war bis vor wenigen Jahren für einen Mann undenkbar." Die Befreiung der Frau rückt also voran, allerdings nur im Westjordanland. Unter dem strikten Hamas-Regime im Gazastreifen ist die Entwicklung rückläufig. Dort zwingen Kleidungs- und Verhaltensregeln die Palästinenserinnen wieder stärker zu Keuschheit und Demut.

Von Partys, wie sie Hana Araj in der "Snowbar" veranstaltet, können die jungen Leute in Gaza nur träumen, wobei Hana weiß, dass auch in Ramallah "manchmal schlecht über mich geredet wird". Umgekehrt genießt sie es, wenn der Abend ein Erfolg war und Leute auf sie zukommen und fragen, wann es wieder so weit ist.

Die Veranstalterin schiebt ihre Locken aus der Stirn, als eins ihrer vielen Handys klingelt. Die Rauchmaschine wirft dicke Wolken auf die Tanzfläche, der DJ spielt in dezenter Lautstärke einen Titel von Sting. Die eine Hand am Telefon, gibt Hana mit der anderen Wechselgeld heraus und bittet ihr Gegenüber per Zeichen um Geduld. Immer freundlich und mit bewundernswerter Gelassenheit regelt sie die Geschäfte auch dann noch, als schon die ersten Gäste kommen.

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