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Wegen des AufschwungsWirtschaftsverband will Urlaub kürzen

Ein Mittelstandsverband will Arbeitnehmern den Urlaub um eine Woche kürzen, ein anderer Verband fordert zwei Wochen weniger. Man müsse für den Aufschwung "Besitzstände zurückschrauben".

Genießt er einen freien Tag? BVMW-Präsident Mario Ohoven mit Familie auf dem Ball der Sterne. Bild: dpa

BERLIN dpa | Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) hat sich für eine zeitweise Absenkung des Urlaubsanspruchs von Arbeitnehmern in Deutschland auf fünf Wochen ausgesprochen. BVMW-Präsident Mario Ohoven sagte laut einer Vorab-Meldung der Bild- Zeitung am Freitag: "Der Mittelstand hat jetzt wieder volle Auftragsbücher, da wird jeder gebraucht. Deshalb sollte zur Sicherung des Aufschwungs der bezahlte Urlaub momentan auf fünf Wochen beschränkt bleiben. Darüber hinaus gehende Ansprüche könnten auf einem Arbeitszeitkonto geparkt und zum Beispiel bei schlechter Auftragslage abgegolten werden."

Der BVMW einschließlich seiner Partnerverbände spricht nach eigenen Angaben "für mehr als 150 000 Unternehmen mit rund 4,3 Millionen Beschäftigten". Im Sommer 2009 hatte Ohoven die Arbeitnehmer ebenfalls in der "Bild"-Zeitung aufgefordert, einen Urlaubstag weniger zu nehmen – wegen der Krise. Zur Begründung erklärte er seinerzeit, 45 000 mittelständische Unternehmen mit rund 450 000 Beschäftigten kämpften ums Überleben.

Noch weiter als der BVMW ging jetzt der in Koblenz sitzende Unternehmerverband mittelständische Wirtschaft (UMW): Die Arbeitnehmer sollten künftig zwei Wochen Urlaub weniger pro Jahr machen. Die UMW-Vorstandsvorsitzende Ursula Frerichs sagte der Bild-Zeitung: "Sechs Wochen sind zu viel, vier Wochen reichen völlig aus."

Frerichs begründete die Forderung damit, dass Deutschland bei den Urlaubstagen weltweit an der Spitze liege und die Beschäftigten im Verhältnis zu anderen Ländern immer noch doppelt so viele freie Tage hätten. Zudem könne eine Urlaubskürzung die aktuelle positive konjunkturelle Entwicklung unterstützen. Frerichs: "Wir müssen unsere Besitzstände zurückschrauben, könnten die Vier-Wochen-Regelung 2011 auf Probe einführen, um den Aufschwung zu unterstützen." Zur Mitgliederzahl des UMW schreibt das Handbuch des öffentlichen Lebens, der Oeckl: "Keine Angaben".

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15 Kommentare

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  • F
    Fischer

    Schlägt man am Morgen die Zeitung auf, steigt der Blutdruck gefährlich an. In allen Ecken nur noch sparen, da man angeblich über seine Verhältnisse gelebt hat, ja wer denn wohl? Sicher nicht der kleine Steuerzahler, der ständig aufs Neues gebeutelt wird. Da eine Gebühr und dort eine Gebühr,

    Überstunden ohne Bezahlung, obwohl genug Menschen gern arbeiten würden. Aber das kostet den Unternehmer zuviel, dann doch lieber so eine billige Arbeitskraft, die tut, was man sagt, aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Es gibt da wohl unzählige Beispiele.

     

    Wenn ich dann lese, daß Diäten seit 2009 mit 7668 Euro zu buche schlagen, frage ich mich, wer da über seine Verhältnisse lebt. Da frage ich mich, warum sich die Menschen das noch gefallen lassen? Das kann nicht so weiter gehen. Das Wirtschaftswachstum kann nicht nur ausgetragen werden auf dem Rücken derer, die so schon Geringverdiener sind.

  • KH
    Karin Haertel

    Wer gute Arbeit leistet, der muss sich auch gut erholen damit es so bleibt. Gerne fuehrt man bei dieser nicht neuen Debatte die jetzt vermissten USA an. Die haben nemlich auch nur 20 Tage, kommen aber mit der Vielzahl an Feiertsgen locker auf 40 und mehr freie Tage.Es ist erstaunlich wie heute von Arbeitnehmerseite Verguenstigungen weggeworfen werden, fuer die unsere Eltern und Grosseltern gekaempft haben. Und das fuer laecherliche Arbeisplatzgaratien bis 2012 oder 201.

  • R
    REIBE

    Anstatt Urlaub soll gearbeitet werden. Ohne Lohn oder gnädigerweise doch mit Bezahlung?

  • C
    Christoph

    Man kann eigentlich nur Verachtung entwickeln gegenueber derart von Habgier und Egoismus zerfressenen Existenzen.

     

    Aber der Normalbuerger muss sich dennoch vor ihnen in Acht nehmen.

     

    Das was hier gefordert wird, koennte durchaus durchgesetzt werden.

    Denn "solche Leute" haben durchaus eine Lobby im Bundestag.

    Diese ist gelb und manch einer hat sich dazu verleiten lassen sie zu waehlen.

     

    Im Endeffekt geht es auch hier nur um eins :

    Mehr Arbeit fuer weniger Geld und die Steigerung von Gewinnen.

    Es geht mitnichten um die "Sicherung des Aufschwungs".

     

    Hoffentlich kann sich so ein obrigkeitstreues Wesen wie der deutsche Michel wenigstens gegen sowas wehren - wenn er schon sonst immer brav den Mund haelt wenn er mal wieder von oben her gedemuetigt werden soll.

     

    Christoph

  • T
    Thomas

    Weniger Urlaub für die in manchen Branchen, bis zum Umkippen ausgelasteten Arbeiter und Angestellten,

    weiterhin keine Neuschaffung von Arbeitsplätzen für Langzeitarbeitslose, anstatt die Arbeitszeit zu verlängern.

    Ausbreitung der Sklavenarbeit in Zeitarbeitsfirmen,

    das wuchert alles aus, was gewisse Mittelständler an Fantasie entwickeln.

     

    Großfeldversuche und tolle Steuergeschenke, für Nichts vom Staat, gibt es mittlerweile genug.

     

    Immer fleißig weiter so.

    Bleibt dem deutschen Michel eigentlich nur zu wünschen übrig, daß er irgendwann mal richtig aufmuckt, der er ist die große Masse des Volkes...

  • W
    Waage

    Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin braucht den Urlaub damit er/sie im Leben was von seinem/ihrem Land und der Welt sehen kann und um ohne Nervenklambaster und Depressionen ("Ich muss nur malochen und das Leben geht an mir vorbei...") heile bis zur Rente zu kommen. Somit dient Urlaub nicht zuletzt auch dem Erhalt der Arbeitsfähigkeit (das wissen auch die etwas aufgeschlosseneren Unternehmer/innen).

    .

    Der bezahlte Urlaub abhängig Beschäftigter (in heutigem Umfang) ist eine hart erkämpfte zentrale sozialstaatliche Errungenschaft des 20. Jhd. und gehört daher mit Zähnen und Klauen verteidigt.

  • W
    Wolfgang

    Ha, ha, ha, der Witz war gut!

  • JN
    JA NE IST KLAR

    na dann lassen wir uns halt 2 wochen krankschreiben.

     

    diese unglaublich arroganz von oben muss gestoppt werden, egal wie!

  • N
    Normen

    Der Mittelstand hat jetzt wieder volle Auftragsbücher, da wird jeder gebraucht.

     

    Aha. Könnte logisch sein.

     

    Im Sommer 2009 hatte Ohoven die Arbeitnehmer ebenfalls in der "Bild"-Zeitung aufgefordert, einen Urlaubstag weniger zu nehmen – wegen der Krise.

     

    Aha. Jetzt ist mir alles klar: Egal wie es kommt, der An muss auf alle fälle mehr arbeiten und verzichten. Am besten auf alles ( Lohn, Urlaub,krankheit.... )

     

    Merken die da oben eigentlich noch was für einen Schrott die von sich geben? Kann man solche Leute noch für voll nehmen? Ich würde sagen NEIN !

  • S
    Stimmvieh

    Die alte Leier: Seit den 90ern müssen wir alle "den Gürtel enger schnallen", mit Ausnahme freilich derer, die ohnehin schon mehr Geld haben, als sie zu Lebzeiten sinnvoll ausgeben können.

    Geht es mit der Wirtschaft bergab, sollen wir uns zurück nehmen, um die Lage nicht noch zu verschlimmern, geht es dann wieder bergauf, sollen wir uns immer noch zurück nehmen, um den Aufschwung nicht zu gefährden.

    Allmählich wäre es an der Zeit, auf der Seite des Kapitals Besitzstände zurück zu schrauben...

  • DK
    Das Kapital und seine Friede-Freude-Eierkuchen-Ruhe!

    Fortsetzung der Lohn- und Rentenkürzungen, nach der vom BDI-BDA-Quandt'schen und Hundt'schen - Kapital erwünschten spezialdemokratischen 'Friede-Freude-Eierkuchen-Ruhe' auf dem Menschen-, Verwertungs- und Arbeitsmarkt in der Germania, Profit und Deutschland AG:

    Klassengesellschaft, Raub-, Erbschafts-, Eigentums- und Vermögensverteilung (auch ohne Fincks, Hundts, Siemens, Quandts 'Arbeit' und 'Leistung' etc.)

    http://www.debatte.info/fileadmin/download/rschramm_10052009.pdf

    Lohnverzicht reduziert die Altersrente. Lohnverzicht und verzicht auf Urlaub erhöht die Gewinne und Profite bei Dr. Ackermann, Familie Quandt und Aktionäre (auch 'ohne' deren 'Arbeit')

    http://www.debatte.info/index.php?id=872

     

    Kopf aus den Sand ziehen! (- in der Profit und Germany AG ?)

    Trotz alledem!

  • US
    Uwe Sak

    Schon Marx wußte, dass es die Tendenz des Kapitalismus ist, möglichst alle Lebenszeit der Beschäftigten in Arbeitszeit umzuwandeln.

    Das hier dreist "Von Besitzstände zurück fahren" gesprochen wird, ist der Gipfel. Wenn Arbeitnehmer künftig 2 Wochen länger ausgebeutet werden, steigen die Besitzstände der "Arbeitgeber."

    Hoffentlich haben die Gewerkschaften diesmal wenigstens den Mut gegenzusteuern. Also nicht passiv widersprechen, sondern aktiv 2 Wochen Urlaub mehr fordern.

  • K
    Kommentator

    Aaah.

    Ein Rückblick:

    1. Wenn die Wirtschaft Jahrzehnte wächst, gibt es weniger Geld wegen Globalisierungszwängen.

     

    2. Wenn sie stagniert, gibt es weniger Geld, weil sie stagniert und wieder wachsen soll.

     

    3. Wächst sie wieder, dürfen wir weniger Urlaub machen, damit das Wachstum nicht gefährdet wird.

     

    Ist dieses Gesellschaft beriets so verblödet, dass sie gar nicht mehr realisiert, was Leute die "Besizstandswahrung" geißeln, eigentlich meinen?

    Aufwachen! Die meinen, IHR sollt bluten für UNS elitäre Nutznießer.

  • T
    Tom

    Hmm, da fragt sich doch glatt der ein oder andere, warum man nicht einfach mal die Leute ausbildet, die hier sind. Irgendwie hab ich im Hinterkopf noch eine beträchtliche Anzahl Arbeitslose.

    Es geht hier doch wieder nicht darum, dass Arbeitskräfte fehlen, sondern die sollen fürs gleiche Geld mal wieder mehr leisten. und wenn es dann mal wieder etwas kriselt, kann man gleich wieder Leute frei setzen, denn dann braucht man ja keine 20 sondern nur noch 19 für die selbe Arbeit.

  • AH
    Andi H.

    Hallo??!! Ist Urlaubskürzung das Allheilmittel für die Wirtschaft und die Konjunktur?

     

    Kann man damit auch Krebs heilen?