Mobilität: Keine Alternative zum eigenen Auto

Mit der Idee des Verzichtes auf den privaten PKW hat Car2go nichts zu tun, sagt der Bundesverband Carsharing.

Kein Carsharing sondern ein flexibles Autoprojekt: Der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, Dieter Zetsche, in einem Car2go-Smart. Bild: dpa

Einfach an der nächsten Ecke in den "Car2go"-Smart einsteigen, losfahren, abstellen wo man will - das ist die neue Idee der städtischen Mobilität, wenn es nach der Daimler AG geht. Jedenfalls für junge Leute. Nachdem Car2go in Ulm erfolgreich getestet wurde, wollen die Projektpartner Europcar und Daimler im kommenden Frühjahr in Hamburg die erste Millionen-Metropole aufrollen. Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus und die grüne Stadtentwicklungs-Senatorin Anja Hajduk begrüßten das Projekt. Doch Experten der Carsharing-Branche positionieren sich gegen das Projekt: Das Car2go-Modell trage nicht zu einer Reduzierung des Verkehrs bei, so ihre Kritik, der Hamburger Senat lasse sich vor den falschen Karren spannen.

Bei dem Carsharing-Modell etwa von Cambio teilen sich die Mitglieder die Autos - statt acht privater PKW gibt es statistisch ein gemeinsames Fahrzeug. Bei Car2go sollen sich möglichst viele möglichst unverbindlich beteiligen. Man kann ein Auto nehmen - wenn man gerade eins braucht und findet. Sinn macht das Car2go-Modell für kurze, weitgehend spontane Fahrten. Es gibt nur Smarts, also kleine Zweisitzer. Und wer mit dem Car2go einen größeren Einkauf machen will, müsste für die Zeit, die er in den Geschäften verbringt, zudem pro Minute 29 Cent bezahlen - so kann eine Einkaufsfahrt das Doppelte wie bei Cambio kosten. Wer sich ausloggt und die Uhr ausstellt, geht das Risiko ein, dass das Auto weg ist, wenn er mit vollen Tüten zurückkommt.

Kurz: Car2go ist keine Alternative zum eigenen Auto. "Mit diesem Modell wird das Konzept Carsharing in der öffentlichen Wahrnehmung verschmiert", sagt Joachim Schwarz, der vor 20 Jahren die Idee Stadtauto in Bremen begründet hat und heute der Kopf des bundesweiten Cambio-Verbundes ist. So sehr es ihn freut, dass die Carsharing-Idee inzwischen bis in die Daimler-Chefetage hinein wirkt - das Car2go-Modell hat für ihn mit den ökologischen Zielen von Carsharing nichts zu tun. Wer innerhalb der Stadt eine kurze Strecke zurücklegen will, der soll das nach der Cambio-Idee durchaus mit dem Fahrrad oder dem öffentlichen Nahverkehr tun.

Bei Car2go gibt es eine einmalige Anmeldegebühr, bei Cambio sind monatlich 10 Euro fällig.

Drei Stunden Einkaufen (19 km) kostet bei Cambio 9,80 Euro, bei Car2go wären drei Mal 14,90 Euro fällig.

Ein 10-Stunden-Ausflug ans Meer kostet bei Cambio 52 Euro.

Kurze spontane Innenstadtfahrten sind bei Car2go preiswerter.

Vorher buchen muss man bei Cambio, bei Car2go geht das nur 24 Stunden vorher.

Die Eigenwerbung von Car2go positioniert sich zuerst gegen Bus und Bahn, erst dann wird das "eigene Auto" genannt: "Es gibt eine neue Bewegung in der Stadt: Sie kommt ohne Bus, Bahn oder eigenes Auto aus", heißt es auf der Webseite, und: "Steigen Sie einfach ein und kommen Sie an Ihrem Ziel an. Um mehr müssen Sie sich keine Gedanken machen. Fragen wie ,Wann kommt eigentlich der nächste Bus?' oder ,Lohnt sich überhaupt ein Auto, wenn ich nur Kurzstrecke fahre?' gehören der Vergangenheit an." Sogar ins Ausland kann man mit Car2go fahren, so die Werbung - das kostet 123 Euro am Tag. Da rät die Europcar-Buchungsstelle dann aber doch lieber zu einem Leihwagen der Europcar-Autovermietung.

Für Daimler ist klar, dass sich die Werbung an junge Leute richtet, die noch kein Geld für ein eigenes Auto haben. RTL hat in seinem Nachtmagazin den Daimler-Vertreter bei Car2go, Andreas Leo, befragt. Und der sagte in aller Offenheit: "Eine weitere Idee, die dahinter steht, ist natürlich auch, dass diejenigen, die in jungen Jahren Car2go nutzen und ein Fahrzeug aus unserem Hause jahrelang probefahren, sich dann in späteren Jahren auch andere Fahrzeuge aus unserem Hause leisten werden."

Der Bundesverband Carsharing würde nicht so weit gehen, das Car2go-Konzept als Werbeidee für Europcar und Daimler abzutun. Aber er stellt klar: "Car2go ist kein Carsharing", es sei ein "flexibles Autokonzept". Immerhin haben sich beim Modellversuch in Ulm 20.000 Menschen bei Car2go angemeldet. Der Bundesverband Carsharing fordert Daimler auf, die bisher geheimen Evaluationsergebnisse aus Ulm offenzulegen.

Staatlich subventioniert wird der Car2go-Versuch in Hamburg nicht, versichert der Sprecher der Umweltbehörde. Man habe eine unabhängige wissenschaftliche Begleitung vereinbart, nach der das Projekt nach zwei Jahren neu bewertet werde.

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