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Nach dem Laufzeiten-Beschluss der KoalitionDa geht noch was

Der Bundestag hat beschlossen. Doch nun treten Umweltverbände, Wirtschaft und Opposition dagegen an: Im Bundesrat, bei der EU und vor Gericht – mit guten Aussichten.

Muss in NRW durchhalten, um längere Laufzeiten zu verhindern: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (beäugt von ihrem Parteichef Sigmar Gabriel). Bild: dpa

BERLIN taz | Dass der Bundestag die Atomgesetze beschlossen hat, bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie umgesetzt werden. Opposition, Wirtschaft und Umweltverbände hatten für diesen Fall Klagen angekündigt. Auch die Frage nach einer Beteiligung des Bundesrats ist noch unbeantwortet.

Vertreter der Stadtwerke kündigten unmittelbar nach der Abstimmung eine Kartellbeschwerde bei der EU-Kommission an. "Die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke führt zu strukturellen Wettbewerbsnachteilen für Stadtwerke und andere Marktteilnehmer", begründete Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Kommunaler Unternehmen, diesen Schritt. Nach der Verkündung der Gesetze im Bundesgesetzblatt soll die Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht werden, kündigte Johannes van Bergen, Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall, an.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) findet den neuen Paragrafen 7d der Atomnovelle "in hohem Maße verfassungsrechtlich bedenklich". Die Neuregelung weiche das Gebot der "bestmöglichen Schadensvorsorge" auf und eine Senkung des Sicherheitsniveaus sei zu befürchten. Greenpeace hatte ebenfalls Klagen angekündigt.

Klagen will auch die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat. Laut Bundesregierung muss dieser den vier Gesetzen nicht zustimmen. Juristische Untersuchungen, etwa des ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier, hatten allerdings das Gegenteil ergeben.

Deswegen wollen Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Brandenburg Verfassungsbeschwerde einlegen. Dies haben sie in einem gemeinsamen Schreiben an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) deutlich gemacht, teilte Margit Conrad, die rheinland-pfälzische Umweltministerin (SPD), mit. Die schwarz-gelbe Koalition nehme wissentlich einen Verfassungsbruch in Kauf, beklagte Conrad. Allerdings ist eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erst dann möglich, wenn das Gesetz in Kraft ist.

Die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat steht allerdings auf dünnem Eis. Gelingt es NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nicht, einen Haushalt für das nächste Jahr aufzustellen, muss sie Neuwahlen ausrufen.

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5 Kommentare

 / 
  • KW
    Klein W.

    Wer sind denn die Umweltverbände?

    Greenpeace? BUND? und ....

    Worum geht es denen?

    Doch nur ums Geld!

    Die wollen doch nur Geld - denen ist die Umwelt doch egal. Greenpeace zerstört z.B. die Weser mit einem fischmordenden Wasserkraftwerk in Hemelingen und prahlt noch, das wäre in seinem Fischschutz richtunsgweisend für Europa. Alles gelogen - man will nur Kohle machen auf Kosten der Menschen, die ständig von den "Umweltverbänden" in ihrem Sinne verängstigt werden. Sie verkaufen dann als Ökostromhändler diesen blutigen Ökostrom an diese blauäugigen Kunden mit satten Gewinnen.

    Allerdings können auch diese "Umweltverbände einpacken, wenn sie unseren Staat kaputt gemacht haben. Bis es die Bürger aber gemerkt haben, ist es zu spät. Die energieintensiven Betriebe haben sich schon längst aus Deutschland verdünnisiert und rund um Deutschland baut man neue Kernkraftwerke! Sie die Schweizer, Schweden, Tschechen, Engländer, Franzosen blöder als wir Deutschen? Ich glaube nicht - es ist wohl umgekehrt!

    WK

  • V
    vic

    31 schwarz-gelbe Stimmen sind nun mal nicht die Mehrheit. Die liegt derzeit bei 35 Stimmen.

  • L
    Lilo

    Mensch Marcus,

    natürlich haben die CDU/FDP-Koalitionsregierungsparteien ihre Mehrheit im Bundestag verloren.

    Die Parteien der Regierungskoalitionen der Länder, die die Bundesregierung (CDU/CSU und FDP) widerspiegeln, haben derzeit im Bundesrat 31 Stimmen: CDU-FDP-Regierungen (25) und die CSU-FDP-Regierung in Bayern (6). Union und FDP besitzen somit keine Mehrheit im Bundesrat.

     

    17 Stimmen entfallen auf Koalitionen der CDU mit der SPD (11) bzw. den Grünen (3) in Hamburg oder mit Grünen und FDP im Saarland (3). Rein auf die Opposition entfallen 21 Stimmen, nämlich die SPD mit den Linken (8) in Berlin und Brandenburg bzw. den Grünen (9) in Bremen und Nordrhein-Westfalen. Dazu kommen die Stimmen der SPD-Alleinregierung in Rheinland-Pfalz (4).

     

    Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai 2010 verfügte die bis dahin amtierende CDU-FDP-Regierung nicht mehr über eine Mehrheit im Landtag; SPD und Grüne bildeten am 14. Juli 2010 eine Minderheitsregierung. Seitdem haben auch die Länder mit einer CDU-FDP- und CSU-FDP-Regierungskoalition im Bundesrat ihre gemeinsame Mehrheit verloren.

  • U
    Urgestein

    Der Murks der Atompilzköpfe aus dem Bundeslobbyistenregierungsverein wird auch von Ländern mit schwarz-gelben Regierungen kritisiert, z.B. hatte auch Schleswig-Holstein Widerstand gegen die Laufzeitverlängerungen angekündigt.

  • M
    Marcus

    Bei 69 Stimmen im Bundesrat, von denen gerade 13 für Rot-Grün bzw. 21 für Rot-Rot-Grün sind, ist es wohl recht optimistisch von einer rot-grünen mehrheit zu schreiben. Im Moment gibt es im Bundesrat nur die möglichen Mehrheiten Jamaika, Schwarz-Rot-Gelb und Schwarz-Rot-Rot-Grün. Natürlich nur falls sich eine der Parteienkombinationen zur Kooperation entschlisen solte.