Nukleare Stromrechnung: Was uns die Atomkraft kostet

Ein Super-Gau würde den Bankrott Deutschlands bedeuten. Müssten die Atomkonzerne dafür haften, wäre die Atomkraft so teuer, dass sie sich von selbst abschaffen würde.

Angestrahlt: Greenpeace-Aktion am AKW Grundremmingen in Bayern. Bild: dapd

BERLIN taz | 5,5 Billionen Euro. 5.500 Milliarden Euro. Es ist eine Zahl die fast unvorstellbar ist. Und doch gibt es sie: Sie ist der geschätzte wirtschaftliche Schaden den eine Kernschmelze in Deutschland anrichten würde. Zum Vergleich: Der gesamte Haushalt der Bundesregierung liegt bei gut 350 Milliarden Euro; das deutsche Bruttoinlandsprodukt bei etwa 2.500 Milliarden Euro. Das Land wäre bankrott. Die Opfer eines solchen Unglücks lassen sich zudem kaum in Zahlen bemessen.

Man könnte solche Rechnungen als Propaganda-Material der Atomkraftgegner abtun, die mit fragwürdigen Methoden auf eine völlig astronomische Zahl kamen. Aber sie ist die Berechnung einer schwarz-gelben Regierung: Im Auftrag des FDP-geführten Wirtschaftsministeriums schätzte die Prognos AG bereits 1992 die möglichen Kosten einer Kernschmelze in Deutschland auf über 10 Billionen Deutsche Mark.

Selbst wenn man berücksichtige, so die Autoren, dass ein Super-Gau rein rechnerisch nur alle 30.000 Jahre stattfinden würde, müsste jede Kilowattstunde Atomstrom mit 3,60 DM versichert werden.

Inflationsbereinigt wären das heute 270 Eurocent pro Kilowattstunde, die mehr gezahlt werden müssten, fast das 77-Fache des Preises, den die Atomkonzerne angeben. Auch ohne diese gewaltigen Kosten wäre Atomkraft doppelt so teuer als offiziell verkündet - wegen verdeckter Subventionen etwa für Forschung oder Steuervergünstigungen auf Kosten der Allgemeinheit.

Eine Kilowattstunde Strom kostet heute 23 Cent für Privatkunden. Auch im Vergleich dazu wäre Atomstrom nicht konkurrenzfähig: Der Preis wäre mit der Schadensversicherung heute mehr als 10 Mal so hoch. Berücksichtigt man, dass die Atomkraft nur etwa 30 Prozent des Stommixes ausmacht, käme man immer noch auf einen Euro, dem Vierfachen des heutigen Preises für Privatkunden.

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Inzwischen ist ein Super Gau auch gar nicht mehr so undenkbar wie vor zwanzig Jahren. Die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) ignorierte damals das Risiko, das sich aus „Krieg oder Sabotage“ ergeben würde. Zur Erinnerung: Nach den Anschlägen des 11. September wollte Deutschland auch aus Angst vor Anschlägen auf AKWs erlauben, Passagiermaschinen zur Not abzuschießen. Das Bundesverfassungsgericht kippte das Gesetz im Jahr 2006, weil es nicht vereinbar mit der Menschenwürde und dem Recht auf Leben sei.

Gelöst ist das Sicherheitsproblem nicht. Stattdessen will etwa der Energiekonzern EnBW das von ihm betriebene Atomkraftwerk Philippsburg mit Nebelgranatwerfern vor anfliegenden Flugzeugen verhüllen. Dass Flugzeuge ohne Probleme auch im Nebel auf jeder Landebahn punktgenau aufsetzen können, scheint den Konzern nicht zu irritieren.

Die heutige schwarz-gelbe Bundesregierung macht sich deshalb die Zahlen ihrer Vorgänger lieber „nicht zu eigen“. Und die Atomkonzerne müssen ihr Atomunfälle nur bis 2,5 Milliarden Euro versichern. Also bleibt der Atomstrom billig: 3,5 Cent kostet eine Kilowattstunde in der Produktion. Die vier Konzerne, denen alle Atomkraftwerke in Deutschland gehören – RWE, EON, EnBW und Vattenfall – profitieren also von einem eigenartigen Wirtschaftsmodell, in dem der Profit nicht das Wirtschaftsrisiko belohnt, sondern komplett unabhängig davon ist.

Und das ist das Argument, das immer wieder ins Feld geführt wird: Erneuerbare Energien sind teurer zu produzieren als Atomstrom. Das stimmt auch: Wind- und Wasserkraft kosten laut einer Studie der Universität Stuttgart aus dem Jahr 2008 über die Lebensdauer gerechnet fast das Vierfache in der Produktion. Doch ihre Kosten für die Umwelt kann man vernachlässigen, sie kommen nicht mal auf einen Zehntel-Cent pro Kilowattstunde.

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Dazu kommt, dass regenerativer Strom bereits heute deutlich billiger ist als noch 2008. Atomstrom wird dagegen künftig kaum billiger werden – im Gegenteil: Der oft gepriesene neue Europäische Druckwasserreaktor, der im finnischen Olkiluoto errichtet wird, ist eine einzige Pannenserie und kostet heute statt geplanten 2,5 Milliarden Euro 6 Milliarden. Neue Anlagen von Windkraft und Sonnenenergie werden dagegen jedes Jahr günstiger. Weil mehr Anlagen den Preis pro Stück drücken und weil die technologische Entwicklung noch lange nicht am Ende ist.

Die vollständige Rechnung lesen Sie illustriert als Ganze Grafik in der aktuellen sonntaz – zum Aufklären und Aufhängen.

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