Winter in Berlin: Zwölf Zentimeter

Etwas Neuschnee hat Berlin viele Rutschpartien beschert - in Parks und auf der Straße. S-Bahn, Züge und BVG kamen häufig zu spät.

Anders als die S-Bahn freue sich Eisbär Knut über die Kälte Bild: Foto: dpa

Zwölf Zentimeter Neuschnee haben trotz aller Vorwarnungen gereicht, um Berlin am Donnerstag teilweise lahmzulegen. Kinder freuten sich zwar über die ersten Schlittenfahrten, ganze S-Bahn-Linien aber fuhren nur sehr eingeschränkt, Busse waren vereinzelt auch gegen Mittag noch im Schritttempo unterwegs, und Autofahrer brauchten für die acht Kilometer zwischen Pankow und Reinickendorf zwei Stunden. Mit Blick auf das neue Straßenreinigungsgesetz mit erweiterten Räumpflichten sagte eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Umwelt: "Wenn an einem Tag so viel Schnee kommt, kann auch das beste Gesetz der Welt nicht sofort für freie Straßen und Wege sorgen."

10.04 Uhr, S-Bahnhof Sundgauer Straße. "Vergessen Sies, da meldet sich eh keiner." Der Mittfünfziger auf dem Zehlendorfer Bahnsteig hat kurz vorher vergeblich an der blauen Infosäule geklingelt: Die S-Bahn-Zentrale, die sagen soll, wann denn die nächste S 1 Richtung Norden fährt - sie antwortet nicht. Mehr als 20 Minuten lang hat sich nichts getan, während in Gegenrichtung diverse Bahnen durchfahren. Dann kommt doch eine Durchsage: Die S-Bahn verspäte sich um 20 Minuten. Aha. Welche denn? Die von vor zehn Minuten? Die von vor 20? Schließlich kommt tatsächlich eine Bahn.

Immerhin noch besser als gegen halb sechs Uhr morgens am S-Bahnhof Wannsee. Da habe sich gar nichts getan, berichten Fahrgäste. Selbst in der fahrenden S 1 ist die Ankunft ungewiss: Bei jedem Halt geht der bange Blick auf die Tür, die nicht immer im ersten Anlauf schließt.

Dabei geht es auf der S 1 noch glimpflich ab. Auf den Linien 5, 8, 9 und 47 gibt es erhebliche Ausfälle. Die S 2 hält mitunter zehn Minuten im Nordbahnhof. Die S-Bahn wird das später mit immer wieder neu zugewehten Weichen erklären. In Pankow wiederum zwingt die S-Bahn ihre Fahrgäste ausnahmsweise zum Schwarzfahren: Der Fahrkartenautomat funktioniert zwar, aber der Geldschlitz ist zugefroren.

Der Chef des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg, Hans-Werner Franz, zeigte sich enttäuscht: "Die von der S-Bahn versprochenen Wintervorbereitungen wurden nicht genügend umgesetzt." STA, CK, WERA

Exakt zwölf Zentimeter Neuschnee in Dahlem bis 13 Uhr hatte die Messung des Meteorologischen Instituts der Freien Universität ergeben. Zu diesem Zeitpunkt lag noch immer auf vielen Gehwegen Schnee. Dabei besagt das neue Straßenreinigungsgesetz unter Paragraf 3 "Winterdienst": Gehwege sind unverzüglich nach Beendigung des Schneefalls, bei länger anhaltendem Schneefall in angemessenen Zeitabständen von Schnee zu beräumen. Was das konkret bedeutet, steht nicht im Gesetz. Die Sprecherin der Umweltverwaltung nannte 15 Zentimeter Neuschnee als Richtwert dafür, dass erneut zu räumen ist.

Ein genauer Überblick, inwiefern sich Eigentümer an die verschärften Regeln halten, war am Donnerstag nicht zu bekommen. Viele Einzelbeobachtungen legen aber nahe, dass Eigentümer nicht schneller zum Schneeschieber griffen als letzten Winter. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) mahnte Hausbesitzer, die verschärfte Gesetzeslage ernst zu nehmen, was er auch "relativ schnell" überprüfen lassen will: "Das wird dann echt teuer, wenn jemand zu Schaden kommt. Da muss jeder Hausbesitzer wissen, dass er in der Verantwortung steht und sich nicht hinter einem Schneeräuminstitut verstecken kann." Im letzten Winter hatten sich diverse Räumdienste übernommen und konnten ihre Aufträge nicht umfassend abarbeiten.

Die Berliner Stadtreinigung (BSR) wehrte sich gegen Kritik, nicht umfassend zu kehren. Seit 3 Uhr nachts seien 470 Räumfahrzeuge und 1.300 Mitarbeiter im Einsatz gewesen, um halb sechs hätte man 4.000 Kilometer Straßen durchgeräumt, sagte BSR-Sprecherin Sabine Thümler - "aber in dieser Zeit hat es ja weitergeschneit". Man habe immer neue Runden gedreht, aber wegen der für Schneefall außergewöhnlich tiefen Temperaturen habe das Auftaumittel nicht so gut wie sonst gewirkt. Für die Mitarbeiter bedeutete das Sonderschichten: Am Donnerstagabend sollte statt um 22 Uhr erst um Mitternacht Schluss sein.

Die BVG räumte Verspätungen bei Bussen ein, verwies aber darauf, dass die Fahrzeuge nur so schnell fahren könnten, wie es die Straßenverhältnisse und zugeparkte Busspuren zulassen. "Im Großen und Ganzen sind wir zufrieden", sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz. Zahlreiche Auto- und Radfahrer stiegen auf die U-Bahn um. "Da haben wir sehr viel mehr Fahrgäste als sonst gehabt", so Reetz, dadurch allerdings auch längere Ein- und Ausstiegszeiten.

Auch an den Schlittenhängen dauerte es länger als sonst - allerdings nicht durch Wartezeiten, sondern weil kalter Neuschnee noch nicht den optimalen Untergrund für Rekordabfahrten bot.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.