Kunstbetrieb: "Wenn ich verkaufte, würden die mich steinigen"

Sammler im klassischen Sinne sind sie nicht: Das Ehepaar Rausch besitzt nur deshalb eine hochkarätige Sammlung zeitgenössischer Kunst, weil es am Frankfurter Städel eine Zeit lang Sitte war, dem Hausmeister Werke zu widmen und zu schenken. Einige davon sind derzeit in Hamburg zu sehen.

Aus Versehen Sammler geworden: Ehepaar Rausch. Bild: Galerie

Seine Kunst zeigt Enno Wallis in einem ehemaligen Blumenladen. Das passt gut zu dem hauptsächlich auf dem Land lebenden Galeristen, der gern mal zu einem selbst gemachten trockenen Apfel-Quitten-Champagner einlädt. Erst seit einem Jahr besteht der "Polarraum" genannte Kunstort im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel. Auch dort wird auf Vernissagen viel geredet - nicht immer über die ausgestellte Kunst.

Aber manchmal sind die Informationen beim Wein nicht nur kurios, sondern auch folgenreich. So erzählte die polnische Malerin Justine Otto ihrem befreundeten Hamburger Galeristen von einem einzigartigen Brauch, den sie als Meisterschülerin kennengelernt hatte: An der Städelschule in Frankfurt verschenkten alle Studenten, Absolventen und Professoren dieser kleinen, aber renommierten Kunstakademie mindestens eine eigene Arbeit - an die Hausmeister. Das gefiel dem Galeristen, dessen Weg zur Kunst auch nicht geradlinig war: Er hatte auch schon als Tischler und Möbelrestaurator und beim DW-TV, dem Fernsehen der Deutschen Welle gearbeitet. So suchte er Kontakt zu dem inzwischen pensionierten kunstsinnigen Hausmeisterehepaar.

Bei denen begann alles 1993: Zum 50. Geburtstag von Hartmut Rausch schenkten ihm die beiden Künstler Thilo Heinzmann und Hans Petri zwei Arbeiten. Da das Ehepaar auch die Künstler umsorgte, als sich auf das Hausmanagement zu beschränken, entstanden langjährige Freundschaften. So wurde die Hausmeisterwohnung langsam ein Privatmuseum der Frankfurter Szene. "Eigentlich kann ich es immer noch gar nicht begreifen. Es gibt so viele Hochschulen, aber so gibt es das nirgends", sagt Hartmut Rausch und meint, das sei eben der Vorteil einer kleinen Hochschule, wo sich noch jeder kenne. Die Städelschule hat ja nur etwa 150 Studierende sowie zwölf ProfessorInnen. So reißt auch nach der Pensionierung 2008 der Kontakt nicht ab, obwohl Helga und Hartmut Rausch sich im Wesentlichen nur noch um sich selbst kümmern.

Sie leben inzwischen mit dem Rottweiler Ruppy von Weinberg in einem alten Offizierskasino am Neuruppiner See in Mecklenburg-Vorpommern - in einem vom ehemaligen Frankfurter Studenten, dem Berliner Malerei-Professor Thomas Zipp, und seiner "Stiftung für Futuristische Forschung" zu Kulturzwecken umgenutzten Teil der bis 1993 bestehenden Sowjet-Garnison. "Aber wir fahren mit unserem Wohnwagen mindestens zweimal im Jahr nach Frankfurt, zum jährlichen Rundgang und zur Absolventen-Ausstellung", sagt Hartmut Rausch. Und dabei werden Freundschaften gepflegt, nicht etwa Kunst eingekauft: "Was heißt schon sammeln, es kommen eben noch Sachen dazu", sagt Rausch, als sei es das Selbstverständlichste der Welt.

Zum 20-jährigen Jubiläum des Städel-eigenen Ausstellungsraums "Portikus" im Sommer 2007 wurde als 148. Ausstellung die Sammlung Rausch gezeigt: Gemälde, Zeichnungen, Fotografien, Objekte und Videos von über 200 Studierenden, Absolventen und Professoren, darunter inzwischen international renommierte Künstler wie Ayse Erkmen, Sergej Jensen, Simon Dybbroe Moeller, Michael Krebber, Martin Liebscher oder Heimo Zobernig. So war es dann ihre Sammlung, mit der zum Jubiläum das künstlerische Umfeld der Frankfurter Schule dokumentiert wurde, und es war die bestbesuchte Ausstellung seit Jahren: "Das pinselt schon am Bauch, ein bisschen", gibt Hartmut Rausch zu, der ansonsten mit der bewundernden Aufmerksamkeit, die ihnen neuerdings im Kunstbetrieb zuteil wird, wenig anfangen kann.

Nein, sie sehen sich nicht als ökonomische Gewinner, sagt er; der Geldwert der Sammlung ist ihnen zweitrangig, er muss lediglich für die Versicherung ermittelt werden. Und an den Verkauf von Stücken aus der inzwischen über 450 Arbeiten umfassenden Sammlung haben Rauschs nie gedacht. Das wäre wohl so etwas wie ein Vertrauensbruch, ist doch jede Arbeit Teil einer persönlichen Geschichte: Die meisten Arbeiten enthalten so persönliche Widmungen wie "Hallo Mamma und Papa". "Verkaufte ich das, würden die mich steinigen", vermutet Hartmut Rausch.

Auch die aktuelle Schau in der Hamburger Galerie "Polarraum" ist somit keine Verkaufsausstellung. Leider bietet sie auch nur einen kleinen Ausschnitt: Zwar sind einige Arbeiten berühmter Künstler wie Thomas Bayrle, Tobias Rehberger, Thomas Zipp oder Hermann Nitsch zu sehen, die eigentliche, mit der "Petersburger Hängung" nur angedeutete Fülle dieses Gesamtdokuments aus 15 Jahren Frankfurter Kunstschaffens aber ist nur dem 2007 vom Städel-Direktor Daniel Birnbaum publizierten Katalog zu entnehmen.

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