Ausbildungsmarkt: Hauptschüler-Prämie für Metall-Betriebe

Wegen des doppelten Abiturjahrgangs 2011 zahlt Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall Betrieben 5.000 Euro, wenn sie Hauptschüler ausbilden. Schwesterverband Nordmetall findet anderes wichtiger.

Haben es auch ohne Prämie in die Ausbildung geschafft: Metall-Azubis bei Siemens in Berlin. Bild: dpa

5.000 Euro will der Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall seinen Mitgliedsbetrieben für jeden dort ausgebildeten Hauptschüler überweisen - wenn auch nur im kommenden Jahr: 2011 machen in Niedersachsen zwei Jahrgänge Abitur. Vor diesem Hintergrund befürchten die Tarifparteien, dass die Gymnasiums- den Hauptschulabsolventen Ausbildungsplätze wegnehmen könnten. Die Prämie soll Unternehmen überzeugen, trotz der Konkurrenten mit Abitur Hauptschüler einzustellen.

"Wir sehen uns in der gesellschaftlichen Verantwortung, dass diese Schulabgänger gerade jetzt einer besonderen Förderung und Aufmerksamkeit bedürfen", erklärte Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall. Auch Hartmut Meine, IG-Metall-Bezirksleiter für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt, sagt: "Wir verbessern die Chancen von Hauptschülern auf dem Ausbildungsmarkt."

Zurzeit werden laut Arbeitgeberverband rund 1.000 Jugendliche in niedersächsischen Metall-Betrieben ausgebildet, rund 50 haben einen Hauptschulabschluss. Wie viele solcher Azubis man mit dem finanziellen Anreiz zusätzlich unterbringen wolle, sei nicht festgelegt, sagt ein Niedersachsenmetall-Sprecher: "Wenn wir die Zahl verdoppeln, sind wir sehr zufrieden."

IG Metall und der Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall haben einen Stipendien-Tarifvertrag abgeschlossen. Damit werden Jugendliche nach ihrer Ausbildung gefördert, die sich weiterqualifizieren wollen.

Eine Weiter-Qualifizierung, zum Beispiel ein Meister-Kurs, kann beginnen, wenn die Lehrlinge ihre Prüfung bestanden und ein Jahr lang Berufspraxis gesammelt haben.

Die Unternehmen unterstützen die Kurse mit 400 Euro pro Monat - maximal zwei Jahre lang.

Die staatliche Förderung, wie etwa das Meister-BAföG, bleibt davon unberührt. Wenn die Lehrlingen die Kriterien dafür erfüllen, kommen die Zahlungen hinzu.

Ob Hauptschüler im Ausbildungsmarkt von Gymnasiasten verdrängt werden, ist allerdings durchaus umstritten: Der Sprecher der Arbeitsagentur für Niedersachsen-Bremen, Michael Köster, ist skeptisch. "Die konkurrieren nicht unbedingt um die gleichen Ausbildungsplätze", sagt er nach einem Blick in die Statistiken des aktuellen Ausbildungsjahres - 2010 gab es aber auch nur einen Abiturjahrgang. Hauptschüler bewerben sich nach der Statistik eher um Lehrstellen als Verkäufer, Friseur oder Mechatroniker, Gymnasiasten gehen in die Kaufmanns-Lehre bei Banken, Werbeagenturen und Versicherungen. Die Initiative der Arbeitgeber begrüßt Köster dennoch.

"So viele Schulabgänger wie 2011 wird es auf absehbare Zeit in Niedersachsen nicht geben", sagt er - darin liege angesichts des Fachkräftemangels eine große Chance. Gewerkschaften und Arbeitgeber haben sich darauf verständigt, im nächsten Jahr mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.

Die 5.000-Euro-Prämie sei "ausdrücklich ein niedersächsischer Sonderweg", erklärt Verbandsgeschäftsführer Schmidt. Das wird wohl auch so bleiben: Der Schwesterverband Nordmetall, zuständig für Betriebe in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und im nordwestlichen Niedersachsen, will dem Vorstoß nicht folgen. Allerdings drängen die doppelten Abiturjahrgänge in Hamburg und Schleswig-Holstein auch später auf den Markt.

Für wichtiger als das Problem mit den doppelten Abiturjahrgängen hält man bei Nordmetall den Fachkräftemangel. Einzig deshalb müsse man sich mehr um Hauptschüler kümmern, sagt Sprecher Peter Haas. "Wir glauben, dass das nichts Temporäres ist."

Durch die demographische Entwicklung gebe es für Arbeitgeber keine freie Wahl mehr. "Es gibt eine Lücke zwischen den Fähigkeiten der Abgänger und den Ansprüchen der Unternehmen." Nordmetall gibt sich pragmatisch. "Das Problem wird sich nicht lösen, indem man auf die Bildungspolitik schimpft", sagt Haas. "Wir müssen jetzt auch auf die schauen, die früher in der ersten Runde rausgefallen sind."

Diese Entwicklung bestätigt auch die Arbeitsagentur: Der Markt werde bewerberorientierter, so Sprecher Köster. "Davon werden auch die schwächeren Schulabgänger profitieren, sie werden mehr Wahlfreiheit haben."

Nordmetall-Sprecher Haas verweist auf das Projekt "Nordchance", das schwache Hauptschüler und Schüler ohne Abschluss weiter qualifizieren soll. Der Verband investiert nach eigenen Angaben 7,5 Millionen Euro innerhalb von fünf Jahren in dieses Projekt.

Das von der Arbeitsagentur mitfinanzierte Projekts bereitet drei Monate lang auf ein Praktikum vor, und das von Sozialarbeitern begleitet. Den Teilnehmern mangele es oft an sozialen Fähigkeiten, sagt Haas. Danach gehen sie für neun Monate in Betriebe. Wer sich dort gut schlage, werde übernommen - die Übernahme-Quote liegt bei 70 Prozent. Es bekämen Jugendliche eine Chance, sagt Haas, "die nach Aktenlage niemals die Stelle bekommen hätten".

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