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Kommentar GAL-BildungspapierSelbstkritik als Chance

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Der Plan einer flächendeckenden Strukturänderung von oben in kurzer Zeit sei falsch gewesen, schreibt Goetsch in ihrem Papier. Darüber kann man streiten.

A uch wenn es im Goetsch-Papier nicht angesprochen wird: Nach der Lektüre stellt sich die Frage, ob die GAL nicht doch wieder das Bildungsressort übernehmen sollte. Dazu hört man aus der Partei verschiedene Meinungen.

Es ist viel Selbstkritik, die Christa Goetsch hier formuliert. Der Plan einer flächendeckenden Strukturänderung von oben in kurzer Zeit sei falsch gewesen, sagt sie. Darüber kann man streiten. Aber macht, wer solche Fehler einräumt, nicht bald weitere? Oder zeigt diese Politikerin, dass sie lernfähig ist? Und wäre eine Senatorin, die das Ressort kennt, nicht gerade geeignet?

Klar ist: An der Struktur aus Grundschule, Stadtteilschule und Gymnasium wird keine regierende Partei bald wieder etwas ändern. Aber innerhalb dieser Struktur kann Bildungspolitik verschieden gestaltet werden. Steht die Förderung jedes einzelnen Kindes im Mittelpunkt oder setzt man auf Druck und Paukkultur? Wird die Inklusion behinderter Kinder gefördert, werden Lehrerstellen für kleine Klassen vor sparwütigen Finanzsenatoren verteidigt?

Selbst wenn das Bildungsressort in andere Hände ginge: Position müssen die Grünen trotzdem beziehen, denn das Problem fehlender Bildungsgerechtigkeit ist nicht gelöst. Ein Ausweichen auf Hochschulpolitik wäre wenig überzeugend, zumal die Grünen sich hier zuletzt nicht gerade profilierten.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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4 Kommentare

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  • AN
    Alf Noilichs

    Der Punkt ist doch eigentlich, dass Goetsch in den letzten 2½ Jahren mehr in der Bildung bewegt hat als andere Senatoren in 10 Jahren zuvor. Das ist durchaus eine Erfolgsbilanz: Stadtteilschule, individualisiertes Lernen, Integration und Inklusion, Schulstandortplanung mit intensiver Beteiligung Betroffener, Lernentwicklungsgespräche (die übrigens fast überall ein durchweg positives Echo erhalten), usw. Da ist richtig was bewegt worden.

     

    Wäre da nicht die Malaise mit der Primarschule, dann wäre das eine sensationelle Bilanz.

     

    Goetsch ist außerdem eine äußerst fachkundige Senatorin - so wie nur wenige sonst. Sie ist sogar so tief im Thema drin, dass sie gelegentlich den Weg hinaus nicht findet...

     

    Als, meinetwegen gerne nochmals Goetsch. Die mit Abstand beste Schulpolitikerin seit vielen Jahren!

  • RB
    Rosemarie Binz-Vedder

    Die GAL hat den Fehler gemacht, das Pferd "Chancengleichheit" von hinten aufzäunen zu wollen. Alle Planungen wurden der überstürzten Einführung der Primarschule untergeordnet. Längeres gemeinsames Lernen muss jedoch "unten" im Vorschulalter (nicht oben) anfangen, in sozialen Brennpunkten sollte die Förderung sogar bei den Säuglingen beginnen!!! Darüber hätte es einen breiten gesellschaftlichen Konsens gegeben. Für Ausbau der Vorschulischen Erziehung, kostenlose KITA-Plätze, verbesserte Erzieherausbildung, Ausbau der Integration behinderter Kinder, Sprachförderung usw. war dann zu wenig Geld da.

    Aktuellste Kritik kommt aus der GEW: Die Arbeitsgruppe für Sonderpädagogik kritisiert: "Hamburg schafft die IR- und I-Klassen ab....

    Der Beginn der Reform in diesem Schuljahr verläuft in vielen Schulen chaotisch. Die Probleme der

    Anfangsphase sind gewaltig. Die zugewiesenen Ressourcen sind bei Einzelintegration so niedrig,

    dass von einer sonderpädagogischen Förderung kaum gesprochen werden kann. Die Ressource

    reicht überhaupt nicht aus, ein integratives bzw. inklusives Unterrichtskonzept durchzuführen. Nur

    in wenigen Unterrichtsstunden wird die LehrerIn der allgemeinen Schule von einer

    sonderpädagogischen Fachkraft unterstützt. In den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und

    sozial-emotionale Entwicklung sind dieses lediglich 1-2 Stunden pro Woche! Mit dieser geringen

    sonderpädagogischen Unterstützung werden die LehrerInnen der allgemeinen Schule von der BSB

    allein gelassen."

    In diesem Chaos überlässt die GAL jetzt die Schulen ihrem Schicksal, tritt zurück. Sehr vertauenserweckend!

    Ich vermisse den großen Aufschrei in der Öffentlichkeit und in den Medien. Die geplante Abschaffung der Vorschule im Januar konnte durch öffentlichen Druck verhindert werden. Aber haben unsere schächsten, die behinderten Kinder und ihre Eltern, eine Lobby? Olaf Scholz hat sich zur Inklusion noch nicht ausführlich geäußert. Wie geht es weiter?

  • K
    Klap

    Die GAL sollte das Fell des Bären nicht verteilen bevor er erlegt ist.

     

    Und die plötzliche Selbstkritik von CDU und nun auch GAL bedeutet bei der CDU einen Kurswechsel. Bei der GAL ist die Selbstkritik nur eine Weichspülerei vor der Wahl. Bloß nirgendwo anecken und ansonsten langfristig an den alten Zielen nichts ändern.

  • S
    Steuerzahler

    Ich fände es gut, wenn die GAL (und Christa Goetsch) weiter Verantwortung für die Schulen - und warum eigentlich nicht die Hochschulen gleich mit? - übernehmen würde. Allerdings wären die hohen Kosten kleiner Klassen schon zu hinterfragen. Nicht nur PISA belegt, dass es kaum einen Zusammenhang zwischen Klassengröße und Lernerfolg gibt, viel wichtiger sind Schulstruktur und Lehrerbildung.