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Mohammed-Zeichnungen in DänemarkUSA wollten Karikaturen stoppen

Wie Depeschen bei Wikileaks belegen, wollte die US-Botschaft in Kopenhagen einen erneuten Abdruck der Mohammed-Karikaturen verhindern. Doch der Papst war schneller.

Der erste Abdruck der Zeichnungen löste weltweite Proteste aus. Bild: ap

STOCKHOLM taz | Hektische Aktivität brach im September 2006 in der US-Botschaft in Kopenhagen aus. Ein Journalist der Tageszeitung Jyllands-Posten hatte der Botschaft die Information gesteckt, sein Blatt plane Ende September zum Jahrestag der Erstveröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karikaturen einen erneuten Abdruck dieser kontroversen Zeichnungen. Die gewaltsamen Proteste, die diese in vielen Ländern der muslimischen Welt ausgelöst hatten, hatten sich da gerade etwas beruhigt. Und nun die nächste Runde?

Im Sinne der USA wäre das offenbar nicht gewesen, wie aus „Cablegate“-Dokumenten von Wikileaks vorgeht, die am Mittwoch von der norwegischen Tageszeitung Aftenposten veröffentlicht wurden. US-Botschafter James P. Cain kontaktierte telefonisch Bo Lidegaard, den nationalen Sicherheitsberater des dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen. Nach Cains als „heimlich“ klassifizierter Meldung an das US-Außenministerium zeigte sich dieser über die Pläne der Zeitung unterrichtet und teilte dem Botschafter mit, dass die dänische Regierung sich nicht einmischen wolle.

Lidegaard warnte die USA gleichzeitig auch davor, direkten Druck auf Jyllands-Posten auszuüben, auf eine solche Publikation zu verzichten. Würde dies bekannt werden, wäre die dänische Regierung nämlich gezwungen, die Zeitung in Schutz zu nehmen und werde solche Versuche von Einflussnahme öffentlich verurteilen müssen. Es könne aber wohl nicht schaden, so der Sicherheitsberater, wenn der US-Botschafter die Chefredaktion der Zeitung anrufen, direkte Fragen stellen und so die Haltung der US-Regierung deutlich machen würde.

Was auch geschah. Cain rief den damaligen Jyllands-Posten-Chefredakteur Carsten Juste an und erfuhr von ihm, dass die Zeitung ihre ursprünglichen Pläne wieder in Frage gestellt habe. Man sei zu der Auffassung gekommen, dass ein solcher Schritt angesichts der Kontroversen, welche die Regensburg-Rede von Papst Benedikt XVI. über den Islam da gerade ausgelöst hatte, unklug sein könne. Cain meldete nach Washington, dass er Juste gegenüber seine „Zufriedenheit“ zu diesem Meinungsumschwung deutlich gemacht habe.

Während Juste selbst von Aftenposten nun nach diesem Gespräch befragt wissen lässt, einen „Druck“ der USA nicht gespürt zu haben, zeigt sich der jetzige Jyllands-Posten-Chefredakteur Jørn Mikkelsen irritiert darüber, dass Mitarbeiter der Zeitung Redaktionsinterna an die US-Botschaft weitergegeben hatten. Und Per Edgar Kokkvold, Generalsekretär des norwegischen Journalistenverbands kritisiert es als „unpassend“, dass ein Botschafter überhaupt einen Chefredakteur, so wie geschehen kontaktiert, habe.

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8 Kommentare

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  • SJ
    swaantje janke

    @elvis

    die länder, die sie meinen sind bestimmt die emirate. von da hört man aber kaum proteste. den meisten protest gibt es aus den armen muslimischen regionen.warum fragt sich niemand woher der hass kommt ?

    ein satter bauch rebelliert icht gern. sieht man ja an uns am besten.

    und demokratie ist ja wohl doch immer eine innenpolitische sache. oder wollen sie anderen unser verständnis von demokratie aufs auge drücken. ist schon im sozialistischen lager schief gelaufen !

  • R
    reblek

    "Nach Cains als 'heimlich' klassifizierter Meldung an das US-Außenministerium..." Doch wohl eher "geheim", nicht wahr?

  • D
    Demokratin

    Das die USA sich das Recht heraus nimmt, die Welt regieren zu wollen, wissen wir doch alle.

    Das in einer "gelebten" Demokratie Meinungsfreiheit herrschen sollte, steht auch fest. Ich bin aber der Meinung, dass Meinungsfreiheit auch gewisse Grenzen haben sollte! Sich über andere Religionen lustig zu machen und sie in den Dreck zu ziehen ist mehr als intolerant. Religionen sollte den schwachen Menschen Halt, Trost und Zuversicht geben sowie Hummanistisch sein. Religionen werden aber schon immer für Unterdrückung, Ausbeutung und Kriege benutzt, leider.

    Ich schliesse mich der Meinung von Sachmed an! Die westliche Welt hat nicht das Recht, sich derart über Religionen zu äussern. Das hat was mit Achtung, Toleranz und Respekt zu tun. Werte, die heutzutage verloren gegangen sind. Mir scheint als verkomme die Menschheit immer mehr....

  • E
    elvis

    @sachmed

     

    es gibt einige islamische staaten, die soviel geld haben, dass sie nicht wissen wohin damit und z.b. in der wüste skihallen bauen. trotzdem kann in diesen ländern von demokratie oder menschenrechten nicht die rede sein. wie kommt das, wenn es doch angeblich nur mit reichtum, luxus bzw. armut zu tun hat?

  • F
    FirstReader

    Hier wird eine typische Wikileaks-Nicht-Nachricht durch eine nicht direkt falsche, aber doch verfälschende Überschrift in recht hilfloser Weise zum Ausdruck eines diffusen Anti-Amerikanismus genutzt. Tatsächlich zeigt es einen nachdenklichen, sicher nicht immer treffsicher richtigen Umgang der früheren US-Regierung mit problematischen Entwicklungen.

  • WP
    Werner Polanschek

    "Doch der Papst war schneller", heißt es im Vorspann. Das klingt nach Wettlauf zwischen USA und Papst. Sollte der altmodische Vatikan tatsächlich...? Lohnt sich zu lesen, denkst du. Noch dazu in der an Nachrichten armen Zeit zwischen den Jahren. Du liest und liest, und dann merkst du am Ende, der Satz, der dem Vorspann den Pepp gab, wird durch nichts gestützt. Es gab kein Kräftmessen, keinen Wettlauf, keine konkurrierende Einflussnahme... Aber es gibt einfachste handwerkliche Regeln, die schon in der Überschrift nicht beachtet wurden. "USA wollten Karrikaturen stoppen" - fällt Ihnen was auf?

  • S
    sachmed

    Ich bekomme jedesmal die wut, wenn ich sehe, wie blasiert und dumm sich die europäer benehmen mit ihrem gefasel von demokratie.

    Wo wird sich denn am meisten aufgeregt? In den armen ländern, in denen religion noch nahrungsergänzungsmittel ist. Hier sah es vor hundert jahren auch noch wesentlich religiöser aus.

    wir machen uns über das lustig, was denen, die nichts weiter als ihre armut haben, stolz und kraft gibt und vergleichen das frech mit unseren zuständen. gleichzeitig beuten wir die meisten dieser länder immer noch mit billiglöhnen aus.

  • B
    Bernd

    Bis jetzt war ich ja immer recht positiv gegenüber der USA eingestellt. Aber das ist jetzt der absolute Hammer das dieser Staat so vehement gegen die freie Meinungsäußerung ist! Dieser Staat soll sich schämen!