Bürgerentscheid zu Kudamm-Bühnen: "Die Theater gehören zu Berlin wie das Brandenburger Tor"

Am Sonntag entscheiden die Bürger über den Erhalt der Kudamm-Bühnen. Der Initiator des Bürgerbegehrens Otfried Laur über Theaterluft und das Versagen der Politik.

Die Komödie und das Theater am Kurfürstendamm 206-209 gehören zu Berlin wie Fernsehturm und Brandenburger Tor. Bild: dpa

taz: Herr Laur, Sie fordern das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf per Bürgerbegehren auf, das Theater und die Komödie am Kurfürstendamm "in Nutzung und baulichem Bestand zu sichern". Wie soll das konkret aussehen?

Otfried Laur: Wir fordern, dass der Bezirk einen Bauvertrag mit dem Investor abschließt, dem das Haus gehört. Die irische Ballymore Group hat das Kudamm-Karree mit zwei funktionierenden Bühnen gekauft. Jetzt muss sie dazu verpflichtet werden, beide Spielstätten in ihrer historischen Form zu erhalten.

Pläne für einen Bauvertrag gibt es bereits - Bezirk und Investor haben sich auf einen Kompromiss geeinigt. Ballymore darf das Haus abreißen, garantiert aber, eine Theaterbühne in den Neubau zu integrieren. Auf dem Dach oder in einem der Obergeschosse. Sogar Theaterdirektor Woelffer befürwortet die Regelung. Warum halten Sie so starr am historischen Standort fest?

68, ist Präsident des Vereins "Rettet die Kudamm-Bühnen" und Vorsitzender des Berliner Theaterclubs.

Die Einwohner von Charlottenburg-Wilmersdorf sind am Sonntag eingeladen, in einem Bürgerentscheid über die Rettung der Kudamm-Bühnen abzustimmen. Dazu aufgerufen hat der gleichnamige Verein unter Leitung des Theaterclub-Vorsitzenden Otfried Laur (s. Interview). Für einen Erfolg des Entscheids müssen sich mindestens 35.688 Bürger beteiligen und mindestens 51 Prozent davon mit Ja stimmen. Bei dem vorangegangenen Bürgerbegehren waren mehr als 9.000 Unterschriften für den Erhalt der Bühnen gesammelt worden.

Neben dem Erhalt der historischen Spielstätten Komödie und Theater am Kurfürstendamm fordert der Verein die Politik auf, die Theater zu subventionieren. Die beiden Boulevardbühnen im "Kudamm Karree" sollen einem neuen Geschäftskomplex weichen. Investor ist die irische Ballymore-Gruppe. Sie sieht als Ersatz einen Theaterneubau in dem Komplex vor.

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Sowohl Theaterdirektor Martin Woelffer als auch der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit (SPD) hatten den Verein "Rettet die Kudamm-Bühnen" wegen seines Engagements scharf kritisiert. Wowereit und Woelffer zufolge würden die Initiatoren des Bürgerentscheides Ballymore verschrecken und so das Weiterbestehen der Bühnen gefährden.

+ + +Die beiden Theater wurden von Max Reinhardt gegründet und haben eine über 80-jährige Geschichte. Die Entwürfe für die Gebäude stammen von Oskar Kaufmann, der zu Anfang des 20. Jahrhunderts zahlreiche Berliner Theater entwarf, darunter Volksbühne und Hebbeltheater. In den 70er-Jahren wurden die Theater in das Geschäftshaus "Kudamm Karree" eingebettet, das jetzt als sanierungsbedürftig gilt. (dapd/taz)

Auch wir sind kompromissbereit. Zur Not würden wir die Zusammenlegung von Theater und Komödie zu einer Bühne akzeptieren. Aber ein Abriss der Originalspielstätten würde die Historie Berlins zerstören! Diese Bühnen sind 80 Jahre alt, wurden von einem berühmten Theaterarchitekten erbaut und sind fester Bestandteil der deutsch-jüdischen Geschichte dieser Stadt. Die Komödie und das Theater am Kurfürstendamm 206-209 gehören zu Berlin wie Fernsehturm und Brandenburger Tor. Unter dem Intendanten Erwin Piscator fand hier die Premiere von Rolf Hochhuths "Stellvertreter" statt, hier traten Harald Juhnke, Edith Hancke und Günter Pfitzmann auf. Wenn ich da reinkomme, atme ich Theaterluft. Ich sehe es als meine Pflicht, diese Atmosphäre für die Nachwelt zu erhalten.

Fest steht, dass das Kudamm-Karree, in dem sich die Bühnen befinden, in einem marodem Zustand ist. Der Architekt David Chipperfield ist mit dem Neubau beauftragt. Ist ein neues Theater in angemessener Umgebung nicht besser als zwei historische in einem heruntergekommenen Bürohaus?

Zuerst einmal ist es wesentlich das Verdienst des Eigentümers, dass große Teile der Büro-und Ladenfläche entmietet sind. Eine Renovierung halten wir auch für dringend nötig, gegen ein Einkaufszentrum haben wir auch nichts. Aber Ballymores Pläne für eine vierstöckige Shopping-Mall mit Theater auf dem Dach und einer Kunsthalle würden den Kudamm erschlagen. Das soll so groß werden wie die Potsdamer Platz Arcaden - ein Wahnsinn. Wer garantiert denn, dass dieser irische Investor so ein Riesenprojekt stemmen kann? Wenn die pleite gehen, steht die City West mit einer Bauruine da. Dafür setzt man doch keine zwei Theater aufs Spiel!

Aber setzt Ihr Bürgerbegehren mit seinen Maximalforderungen nicht auch den Standort aufs Spiel? Immerhin stellen Sie sich offen gegen den Theaterintendanten, der mit dem Investor zusammenarbeiten will - um wenigstens eine Bühne zu erhalten …

Herr Woelffer denkt, er müsse sich mit den Iren arrangieren, weil sie ihm bei der Miete entgegen kommen: Die Bühnen zahlen derzeit nur Betriebskosten. Um gleichberechtigt verhandeln zu können, müsste Woelffer Miete zahlen. Dass er das nicht kann, ist nicht seine Schuld. Die Politik müsste ihm endlich Subventionen zahlen, dann wäre alles gut. Dann könnten drumherum meinetwegen die schönsten Shopping-Malls entstehen.

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