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Kommentar Peter MüllerUnabhängigkeit ist lernbar

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Wenn Peter Müller die Transformation schafft, dann wird man sich bald nur noch vage an sein Vorleben erinnern. Gelingt es ihm nicht, wird er einflussloser Außenseiter bleiben.

V erfassungsrichter sind oftmals wichtiger als viele Minister. Dennoch wird über ihre Auswahl in Deutschland nur selten diskutiert. Der Grund ist wohl, dass meist Professoren und Bundesrichter benannt werden, die kaum einer kennt. Jetzt aber soll Peter Müller - der CDU-Ministerpräsident des Saarlandes - Verfassungsrichter werden. Und sofort brechen heftige Diskussionen aus, obwohl die Wahl doch erst im Herbst stattfindet.

Die Aufregung kann aber nur verwundern. Schon immer gab es Verfassungsrichter, die vorher Politiker waren. Einige der profiliertesten Karlsruher Richter kamen direkt von einer Regierungsbank: Ernst Benda (Bundesinnenminister, CDU), Roman Herzog (Landesinnenminister, CDU) und Jutta Limbach (Justizsenatorin, SPD).

Nun ist Peter Müller nicht nur Minister, sondern Ministerpräsident, Und er war in den 80er Jahren nur vier Jahre als Richter tätig. Kritiker fragen: Ist so ein Vollblutpolitiker nicht stets befangen, kann er sich in einen Senat einordnen, kennt er überhaupt das Verfassungsrecht?

taz

CHRISTIAN RATH ist rechtspolitischer Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Freiburg.

Berechtigte Fragen. Aber das ist vor allem das Problem und das Risiko der CDU, die ihn vorgeschlagen hat. In Karlsruhe kann kein Richter allein die Welt bewegen, es gilt die "Macht der acht". Um eine Mehrheit in seinem Senat zu bekommen, muss auch Müller teamfähig sein, er muss seine Argumente in der Karlsruher Rechtsprechung verankern, und vor allem muss er jeden Anschein von Parteipolitik vermeiden.

Wenn ihm das nicht gelingt, wird er ein einflussloser Außenseiter bleiben. Doch wenn er die Transformation schafft, dann wird man sich bald nur noch vage an Müllers Vorleben erinnern. Einzelne Politiker können das Verfassungsgericht nicht verändern, aber das Amt hat schon manchen Politiker zum unabhängigen Richter gemacht.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

3 Kommentare

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  • DE
    D. E. Glässel

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    Saarländer waren mir immer schon sympathisch. Der kleine Ministerpräsident des kleinsten deutschen Bundeslandes im besonderen. Denn was er so von sich gab hatte "Hand und Fuß"... Und das sind gute Vorausetzungen für einen Bundesrichter! Viel Glück!

  • L
    Ludwig

    Der beste Kommentar zur Sachlage im gesamten dt. Blätterwald.

    Die gesamte Aufregung erscheint leicht künstlich

  • A
    Amos

    In das BVG gehören souveräne Richter. "Die Seilschaft"

    zwischen Partei und Richteramt wird nicht aufgehoben, wenn man weiß, wem man seine Berufung zu verdanken hat und welches Brot man vorher aß. Wer Armut nur aus der Theorie kennt, kann keine klaren Fakten schaffen.Das sieht man doch schon an dem vorsichtigen Urteil bei Hartz IV. Wäre von BVG klipp und klar entschieden worden, gäbe es jetzt nicht die Diskussionen um die läppischen 5 Euro. Das Urteil hat sogar noch dazu geführt, dass Einsparungen vorgenommen werden konnten.

    Solange Verfassungsrichter die Duckmäuser für die Regierung spielen ist es falsch besetzt. Es soll nicht um die Kassenlage geh'n, sondern um den Rechtsbruch.