EU-Kommission für Netzsperren: Nur das Parlament kann sie stoppen

Die EU könnte alle Mitglieder zwingen, Kinderpornografie zu blockieren. Damit hätte sie den erfolgreichen Protest in Deutschland gegen solche Netzsperren ausgehebelt.

Das will die EU-Kommission: Netzsperren. Bild: dpa

FREIBURG taz | Hat Deutschland bald keine Wahl mehr? Zwar sind Sperren für Kinderporno-Webseiten hierzulande derzeit ausgesetzt, doch gleichzeitig plant die EU-Kommission, sie europaweit einzuführen. Fast alle EU-Staaten sind dafür. Nur das EU-Parlament kann den Plan noch stoppen.

Die Kommission will eine neue Richtlinie mit Maßnahmen gegen Kindesmissbrauch und seine Darstellung im Netz. Am umstrittensten ist die EU-weite Einführung von Internetsperren: "Jeder Mitgliedstaat trifft die erforderlichen Maßnahmen, damit der Zugang von Internet-Nutzern zu Webseiten, die Kinderpornografie enthalten oder verbreiten, gesperrt wird", heißt es im Kommissionsvorschlag.

In Deutschland hat der Bundestag im Juni 2009 das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz beschlossen. Seitdem ist das BKA eigentlich verpflichtet, täglich eine Liste von Kinderporno-Seiten an deutsche Internet-Provider zu liefern. Die Provider sollten dann für ihre Kunden den Zugang erschweren und sie auf eine Stopp-Seite umleiten. Kritiker befürchten, dass die Sperr-Infrastruktur bald auch gegen andere Inhalte eingesetzt wird. Die FDP hat deshalb durchgesetzt, dass das Gesetz zunächst nicht angewandt wird. Ein Jahr lang soll das BKA stattdessen eine Löschung von Kinderporno-Seiten im Ausland erwirken. Ab März will die Koalition die Erfahrungen evaluieren.

Diese Evaluation könnte ins Leere laufen, wenn nun auf EU-Ebene Internetsperren verpflichtend eingeführt werden. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bat deshalb bei einer EU-Ratssitzung im Dezember um eine Öffnungsklausel. Die EU soll es den Mitgliedern überlassen, ob sie Netzsperren einführen oder nicht. Sogar Innenminister Thomas de Maizière (CDU) unterstützte seine Kollegin, obwohl die Union innenpolitisch immer noch für Websperren plädiert.

Allerdings hatte der deutsche Antrag keine Chance. Nur England, Luxemburg und Rumänien sprachen sich gegen eine Sperrpflicht und für Flexibilität aus. Die Mehrheit der EU-Staaten, will, dass immer dann gesperrt wird, wenn das Löschen nicht möglich ist, so der "Orientierungsbeschluss" vom Dezember.

Doch noch ist die Schlacht nicht verloren. Zwingende Websperren kommen nur, wenn auch das EU-Parlament zustimmt. Am 14. Februar wird es im Ausschuss für Bürgerrechte eine vorentscheidende Abstimmung geben. Dabei scheint derzeit eine Mehrheit gegen die EU-weite Sperrpflicht sicher. Sogar die konservative Berichterstatterin Roberta Angelilli - eigentlich Sperr-Anhängerin - plädiert für Wahlfreiheit. Kontrovers ist im Parlament eher, ob Websperren dort, wo es sie bereits gibt wie in England und Schweden, künftig unter Richtervorbehalt stehen sollen. Sozialdemokraten, Grüne und Liberale haben das beantragt. Angelilli und die Konservativen sind dagegen.

Es wird also keinen Durchmarsch der Sperr-Befürworter geben, eher einen Stellungskrieg. Denn wenn Rat und Parlament uneinig sind, folgen Verhandlungen. "Wir werden einen langen Atem brauchen", sagt Jan Philipp Albrecht (Grüne), im EU-Parlament der Anführer der Sperrgegner.

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