Die inszenierte Theaterkrise

Der fristlos gefeuerte kaufmännische Geschäftsführer des Theaters wehrt sich gegen die „Ruf schädigende“ Kulturpolitik. Das Theater habe jedes Jahr im November und Dezember kein Geld bekommen, weil der Senator pleite gewesen sei

bremen taz ■ Am vergangenen Samstag hat der frühere kaufmännische Geschäftsführer des Bremer Theaters, Lutz-Uwe Dünnwald, einen knappen Brief bekommen: Er sei „fristlos gekündigt“. Begründung: „aus wichtigem Grund“. Der Brief trägt die Unterschriften des Finanz- und des Kultursenators. „Ich werde dagegen natürlich klagen“, sagt Dünnwald, „dann müssen sie Gründe nennen – oder ich gewinne sofort.“

Dünnwald ist sich sicher, dass er vor Gericht siegt, wenn der Senat versucht, Gründe zu nennen. Denn für ihn ist die Theaterkrise systematische Politik gegen das Theater. Am 30. August hat es ein Gespräch gegeben, in dem die Theaterchefs Dünnwald und Intendant Klaus Pierwoß mit der Feststellung konfrontiert worden sind, dass die Insolvenz für die Stadt eine „Entscheidungsoption“ sei. So steht es im Protokoll, das der damalige Chef der Senatskanzlei, Reinhard Hoffmann (SPD), formuliert hat. Teilnehmer des Gesprächs neben Hoffmann waren der Finanz- und der Kultursenator. Ob man das Theater anschließend, sehr viel bescheidener und mit anderer Führungscrew, wieder aufbaue, könne man ja überlegen – dies der Tenor des Gesprächs, in geschliffenem Amtsdeutsch dokumentiert durch den Staatsrat. Es ging in dem Gespräch um die fehlenden Finanzen des Theaters. Bei einem Eigenkapital von gerade einmal 184.000, die einem Gesamtetat von rund 30 Millionen Euro gegenüberstehen, genügen kleine Unvorgesehenheiten, um den Theaterhaushalt aus dem Gleichgewicht zu bringen – so auch diesmal: Der Kultursenator hatte in der Hoffnung auf einen „Solidarpakt“ die Theater-Zuschüsse um 630.000 Euro gekürzt, aber eine tarifliche Vereinbarung mit den Gewerkschaften war nicht zustande gekommen. Im Kulturetat gab es für diesen Fall keine Vorsorge. Mit der Insolvenz-Drohung ist nun genau dieser „Einspareffekt“ erpresst worden, über den Verdi nicht verhandeln wollte. Zur Begründung der Insolvenzdrohung erfuhr die Öffentlichkeit zwei Monate später von einem vermeintlichen 4,7 Millionen-Loch im Theater-Etat, und durch die zeitgleiche Suspendierung wird der Eindruck erweckt, dies liege in der Verantwortung des kaufmännischen Geschäftsführers.

Dünnwald wehrt sich vehement. Er sieht sich als Opfer einer Fehlplanung im Kulturressort. Vor einem Jahr „fehlten“ auch ziemlich genau 4,9 Millionen Euro in der Liquiditätsrechnung des Theaters, dokumentiert durch die Controller des Kulturressorts. Das war damals keinen Skandal wert. Dünnwald sagt, dass die Kulturbehörde jeden Monat rund ein Zwölftel des Zuschusses von 24 Millionen Euro überweist, im November und Dezember aber nichts, weil kein Geld mehr in der Staatskasse ist.

„Das ist seit Jahren schon so“, so Dünnwald. Über Kredite des Theaters wird die Liquiditätslücke des Kulturressorts überbrückt. Im Januar 2005 bekam das Theater eine satte Nachzahlung: 4,9 Millionen Euro. Im Februar wieder die üblichen 1,8 Millionen. Sicherlich habe es beim Theater Überziehungen gegeben, räumt Dünnwald ein, aber das Finanzgebaren der anderen Seite sei alles andere als solide. Schon in den 90er Jahren hatte es so genannte „nicht kassenwirksame Zuschüsse“ gegeben – 700.0000 Euro, die formal dem Theater überschrieben wurden, aber nie geflossen seien. Diese 700.000 Euro fehlten seitdem bei der Liquiditätsrechnung des Theaters. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Senat bisher nie größeres Aufheben von den Liquiditätsproblemen beim Theater gemacht hat, weil das Kulturressort darin tief verstrickt war.

Umso unglaubwürdiger, so Dünnwald, ist nun die Inszenierung der großen Krise. Und umso durchsichtiger das Manöver. Dünnwald jedenfalls will nicht nur seine Entlassung anfechten, sondern auch auf Unterlassung wegen Ruf schädigender Äußerungen klagen.

Alexander Schnackenburg