Kommentar Deutsche Libyen-Politik: Fetisch Stabilität

Seit Beginn des Aufstands in Libyen hat die Regierung Merkel nichts unternommen, um die libysche Freiheitsbewegung zu unterstützen. Kein Wunder, dass Gaddafi voll des Lobes ist.

Als "vergiftete Freundlichkeit" hat Außenminister Westerwelle das Lob zurückgewiesen, das der Staatsterrorist Gaddafi der deutschen Politik wegen ihrer Zurückhaltung angesichts des Bürgerkriegs in Libyen gezollt hat. Dass Gaddafi mit dieser Dosis Gift reichlich grobschlächtige Spaltungsabsichten verfolgte, ist klar. Die Frage ist nur, ob sein Lob nicht dennoch zu Recht erfolgt ist.

Die deutsche Bundesregierung hat am Mittwoch im Bundestag bekräftigt: "Der Diktator muss gehen." Eindeutige Worte, aber unglaubwürdig. Seit Beginn des Aufstands in Libyen hat die Regierung Merkel nichts unternommen, um die libysche Freiheitsbewegung zu unterstützen. Sie hat keine Erkundungsmission nach Libyen entsandt, um sich ein politisches Urteil über die Aufständischen zu bilden. Stattdessen verlautet bis jetzt aus dem Auswärtigen Amt, man wisse überhaupt nicht, mit wem man reden solle und wer als Demokrat anzusehen sei. Sie hat infolge dessen keine Verhandlungen mit dem provisorischen Nationalrat geführt, hat nichts getan, um diesem Gremium international den Rücken zu stärken, ganz zu schweigen davon, dass sie humanitäre Hilfslieferungen für die Aufständischen unterließ. Statt nach einem Weg zu suchen, wie unterhalb der Schwelle einer militärischen Intervention den Aufständischen in Libyen geholfen werden könne, wiederholte sie nur stereotyp die Warnung, sich nicht in ein militärisches Abenteuer mit ungewissem Ausgang verwickeln zu lassen. Es geschah nichts, bis Gaddafi zum Gegenangriff ausholte - und die Diskussion im Weltsicherheitsrat über ein Flugverbot gegenstandslos zu werden droht. Die deutsche Skepsis wird zum Verbündeten der Vetomächte Russland und China, die sich aus gutem Grund jeder effektiven internationalen Maßnahme gegen mörderische Diktaturen verweigern.

Das ersehnte Ziel der deutschen Politik heißt Stabilität der arabischen Regierungen am Mittelmeer und im Nahen Osten. Stabilität im Namen der Energiesicherung und einer zuverlässigen Abwehr der Flüchtlingsströme. Aber wird die deutsche Politik diesem Ziel näher kommen, wenn es Gaddafi gelingen sollte, die Aufständischen niederzuschlagen? Wird dann wieder Business als usual in Libyen herrschen und Deutschland sogar ein bevorzugter Partner sein, wie Gaddafi es avisierte? Oder wird eintreten, was die Bundesregierung vermeiden wollte - langwierige Kämpfe, Rückfall in die Stammesgesellschaft, Staatsverfall?

Schon in den 1980er Jahren haben die damaligen Bundesregierungen darin versagt, die Freiheitsbewegungen im sowjetischen Hegemonialbereich zu unterstützen. Auch hier beteten sie den Fetisch Stabilität an, statt zu erkennen, welche Instabilität von den realsozialistischen Regimen ausging. Wie ihnen auch die Freiheitssehnsucht der demokratischen Opposition als Gefährdung des Friedens erschien. Wenn heute Gaddafi obsiegen sollte, so würden auch in den anderen arabischen Staaten die Tyrannen wieder das Haupt erheben. Die Freiheitsbewegungen wären in tödlicher Gefahr. Und den Regierungen des Westens bliebe nur die Verachtung der arabischen Demokraten.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.