Kommentar Ethikkommission und Atomfrage: Der Rat der strahlenden Geißlers

Der Kommissions-Zinnober der Regierung soll Verwirrung stiften, weiter nichts. Gebraucht wird ein Konzept zur flotteren Einführung der erneuerbaren Energien.

Eine Ethikkommission soll der Bundesregierung aus der Atom-Zwickmühle heraushelfen. Drei Damen und ein gutes Dutzend mehr oder weniger alter Herren aus Politik, Wissenschaft und Kirche sollen die Diskussion mit der Bevölkerung führen, welche Energieversorgung ethisch vertretbar sei.

Nach den in dieser Hinsicht guten Erfahrungen mit dem Schlichter Heiner Geißler beim Streit um den Bahnhof Stuttgart 21 will die Bundesregierung so offensichtlich Druck aus dem Umfragekessel nehmen. Abgesehen vom Ärger über dieses wahltaktische Verzögerungsmoment lohnt es sich kurz innezuhalten: Ist eine solche Ethikkommission sinnvoll? Immerhin ist die Energieversorgung das Rückgrat der Industriegesellschaft.

Unsere jetzigen Entscheidungen werden noch Generationen nach uns treffen. Nach kurzem Nachdenken stellt man jedoch fest: Der ganze Kommissions-Zinnober soll Verwirrung stiften, weiter nichts. Denn die ethische Frage bei der Atomkraft ist doch längst geklärt. Sie ist unverantwortbar in vielerlei Hinsicht. Und bei der Energieversorgung allgemein ist es ähnlich - Klimaproblem, Abhängigkeit von russischem Gas, arabischem Öl und so weiter. Alles seit 30 Jahren durchdiskutiert.

Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie. Nicht um Ethik, sondern um Technik, Normen und Gesetze. Um die immer weitere Markteinführung und damit Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien. Denn je langsamer wir unsere Energieversorgung auf Zukunftsfähigkeit umstellen, desto stärker müssen wir auf Katastrophen und Schocks von außen reagieren. Und desto härter und teurer wird es für die Gesellschaft.

Wir brauchen keine Ethikkommission zur Atomkraftnutzung, wir brauchen ein Konzept zur flotteren Einführung der erneuerbaren Energien und zur Energieeffizienz: weg mit den Verwaltungshindernissen, der Knebelung der kommunalen Unternehmen, her mit einer Treibhausgassteuer und einer besseren Kontrolle der Stromkonzerne und Stromnetzbetreiber.

Die tanzen der Politik und den Verbrauchern nach wie vor auf der Nase herum. Nicht weil sie eine unethische Bande sind, sondern weil sie profitgetriebene Aktiengesellschaften führen. Diese Profite werden von den Bürgern bezahlt, die sollten auch über deren Verteilung bestimmen. Wenn schon eine Kommission also, dann eine zur Wettbewerbsförderung im Energiesektor bitte schön.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Reiner Metzger, geboren 1964, leitet taz am Wochenende zusammen mit Felix Zimmermann. In den Bereichen Politik, Gesellschaft und Sachkunde werden die Themen der vergangenen Woche analysiert und die Themen der kommenden Woche für die Leser idealerweise so vorbereitet, dass sie schon mal wissen, was an Wichtigem auf sie zukommt. Oder einfach Liebens-, Hassens- und Bedenkenswertes gedruckt. Von 2004 bis 2014 war er in der taz-Chefredaktion.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.