piwik no script img

Kolumne KriegsreporterinMein Leben als Traumschiff

Kolumne
von Silke Burmester

Der Kienzle ist das ideale Vorbild. Als "Abendschau"-Leiter musste er den Dienst schwänzen, weil er eine Dauererektion hatte. Totzdem ist was aus ihm geworden.

B in ich froh, dass ich nicht Intendantin des SWR geworden bin. Nicht nur der viele Ärger mit den unfähigen Rundfunkräten, auch die bevorzugte Behandlung im Stammhotel "Tannenhof" würde mir mächtig auf den Magen schlagen.

Wobei das ja nicht ungewöhnlich ist, mit Persons of Honor zu sprechen, als wären sie sehr betagt und hörten nicht mehr richtig. Allerdings kann Peter Boudgoust auch froh sein, dass ich es war, die letzte Woche im Frühstücksraum des Hotels saß und nicht mein Lieblingskollege Steffen Grimberg, der Greifbär, wenn es um das gepflegte Insidergespräch geht. Auf wen sein Bäuchlein zusteuert, findet auch hinter dem Toastbrot keinen Schutz.

Ich aber bin in Friedensmission unterwegs und werde mich hüten, vor 8.30 Uhr zu fragen, warum auch beim SWR immer mehr Jura- und BWL-Studenten mit Grün-hinter-den-Ohren-Abschluss den Journalisten vorgesetzt werden. Ist das die Verjüngungsstrategie der ARD, Leute auf Leitungspositionen zu setzen, die "Journalismus" allenfalls als Erklärstück aus der Sendung mit der Maus kennen?

Da lob ich mir doch einen alten Südfunk-Recken wie Manfred Naegele, dessen leider etwas langweilig geratenes Erinnerungsbuch ich in den Feuerpausen lese. Doch schon das Vorwort von Ulrich Kienzle ist das Geld wert, seine Worte müssten jedem Was-mit-Medien-Akademiker in die Stirnhaut gefräst werden. So durfte "Die Abendschau" "ein journalistisches Laboratorium" sein, "es knisterte, brodelte und gärte in der Redaktion."

Silke Burmester

SILKE BURMESTER Die Kriegsreporterin berichtet jeden Mittwoch von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de

Und: "Wir wollten das Fernsehen neu erfinden und gleichzeitig die Welt noch ein bisschen verbessern." "Autoritäten", so Kienzle, "galten als verdächtig." Schon klar, dass die kleinen, aufstrebenden Knödelpupser keine taz lesen.

Aber vielleicht kann man ihnen das hier mal auf den Tisch legen, Euch Feiglingen! Euch angepassten Hochschleimern, die Ihr uns mit immer mehr Inhaltsleere bedenkt, mit immer mehr Formatradio und Moderatoren, die hirnlose Phrasen dreschen und qualvoll verenden würden, wenn sie sich mal selbst zuhören müssten!

Die Ihr das Fernsehen mit immer mehr Unterhaltunsfirlefanz verquast, der nichts will und nichts kann, mit immer mehr Beiträgen, deren Qualität nur mit der Hilflosigkeit ihrer Erzeuger zu erklären ist. Ich würde gern mal wissen, wo Ihr eigentlich alle herkommt, Ihr Jura-BWL-Saloppen mit Eurer Angst vor eigenständigem Denken.

Aufgewachsen in der von Helmut Kohls Ausdünstungen geschwängerten Luft, jenem Mann, den Anne Will vergangen Sonntag als energiepolitischen Pius-Bruder ins Rennen schickte, eine Leistung, die leider etwas unter ging. Nehmt Euch mal den Kienzle als Vorbild, Ihr kleinen Aufstreber! Der musste - als Leiter der "Abendschau" - den Dienst schwänzen, weil er eine Dauererektion hatte, von zu viel Haschtorte. "Geworden" ist aus dem trotzdem etwas.

Bücher schreiben ist eh sehr en vouge, vor allem bei jenen, deren prekäre Situation nach weiteren Einnahmen verlangt. So hat Gabor Steingart, Chef des Handelsblatts, ein Buch darüber verfasst, dass die Dinge heute anders sind als früher. Wobei er auch nicht mehr der Alte ist, wenn man der Süddeutschen Glauben schenken darf, die Tollheit hinter Steingarts Stirnfalten aufziehen sieht: "… - all diese Dinge, so scheint es, sind kurz davor, Steingart in den auch literarischen Wahnsinn zu treiben."

Wo ich auch bald bin, wenn das mit der inhaltlichen Verwahrlosung durch die Angepassten dieser Branche so weitergeht. Ich schreib dann auch ein Buch. Darüber, das früher alles anders war. Besser. Das heißt dann: "Ich, das Traumschiff". Und damit zurück nach Berlin!

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Kolumnistin
Silke Burmester war über 25 Jahre schreibende Journalistin. Von Anfang an auch für die taz. Hier hat sie u.a. Carla Brunis geheimes Tagebuch veröffentlicht und als „Die Kriegsreporterin“ von der Medienfront berichtet. Jetzt hat sie beschlossen, Anführerin einer Jugendbewegung zu werden und www.palais-fluxx.de für Frauen ab 47 gegründet, das "Onlinemagazin für Rausch, Revolte, Wechseljahre“. Für die taz wird sie dennoch ab und zu schreiben, logo!

5 Kommentare

 / 
  • GW
    Gert Warlow

    Ach Gottchen. Die hatten wir in der Burmesterschen Klischee-Parade noch gar nicht. "Jura- und BWL-Studenten". Dafür kriegen sie diesmal aber eine volle Breitseite. Wow! Ich beneide die Autorin um ihr hermetisches Weltbild. Macht das Leben leichter...

  • SB
    Silke Burmester

    Ja, der Pius-Bruder kam von Geißler. Und Anne Will fragte, ob er Helmut Kohl meinte.

    Deswegen die Formulierung "ins Rennen schickte" - keine Sorge, ich hör schon genau zu. BG Bur.

  • GF
    großer fan

    ach silke...ich mag deine texte sehr. und auch heute hast du wieder (fast) nur recht. aber dieses ewige juristen-bashing nervt ein wenig, macht doch jeder. von dir hätte ich eine differenziertere rangehensweise erwartet. oder hast du all die guten und unangepassten juristen vergessen, die "was mit medien" machen? gibt es nämlich auch. grüße an die front.

  • A
    anke

    Jede Religion braucht ihre Priesterklasse, das wissen Sie doch, Frau Burmester, oder? So war es schon bei den alten Ägyptern und so ist es bis heute geblieben. Im Sozialismus a la DDR nannten sich die Hohepriester Genossen und es gab sie in diversen Weihegraden. Im kapitalistischen Rechtsstaat gesamtbundesdeutscher Prägung heißen sie Juristen und BWL-er. Priester des Rechtsstaats-Kapitalismus kann jeder werden, der an die Allmacht des Marktes und an die grenzenlose Flexibilität der Gesetze glaubt. Wie ihre historischen Vorbilder, sind auch die modernen Hohepriester universell einsetzbar, wenn der Eid erst einmal geschworen ist. Ja, sie sind überall und sie sind überall gleich mächtig. Das kommt daher, dass man ihnen vertraut. Man lässt sich führen von ihnen, denn man will Orientierung ohne selbst denken zu müssen. In sofern sind sich Priester und Gläubige einig: Individualität und eigenständiges Denken bedeuten Chaos, Uniformität unter einer starken Führung hingegen meint Erfolg. Auch das ist seit den alten Ägyptern so. Es ist schließlich immer irgendwo Krieg gewesen seitdem.

     

    Ach ja, fast hätte ich es vergessen, Frau Burmester: Wo sie alle herkommen, die "Jura-BWL-Saloppen" mit der "Angst vorm eigenständigen Denken" weiß ich auch nicht. Aber vielleicht finde ich es ja bald heraus. Mein Sohn will nach dem Abi Betriebswirtschaft studieren. In Köln, der domverzierten Hochburg des gestrigen Zeitgeistes. (Schon ziemlicher Mist, so ein künstliches Image: wenn man es erst mal hat, muss man es behalten, sonst wird man unsichtbar.) Mal sehen, wie die ganze Sache ausgeht. Sollte ich tatsächlich herausfinden habe, wo die modernen Priester ihr Nest haben, lasse ich es Sie wissen. Versprochen.

  • JV
    Jenseits von Böse

    Ehre wem Ehre gebührt: der "Pius-Bruder" kam nicht von Anne Will, sondern von Heiner Geißler - der damit Jürgen Trittin vor Lachen fast vom Sessel gehauen hat.