HSV gegen Borussia Dortmund: Die ganze Kunst auf beiden Seiten
Der Hamburger SV begegnet Borussia Dortmund mit schnellen Angriffen und einer sicheren Abwehr. Herausgekommen sind ein 1:1-Unentschieden und eine Ahnung, was HSV-Trainer Michael Oenning will.
HAMBURG taz | Vielleicht hat Tabellenführer Borussia Dortmund gegenüber den Verfolgern zwei Punkte verloren, beim 1:1 (1:0) vor 57.000 Zuschauern im ausverkauften Stadion im Hamburger Volkspark. Aber das ist nicht entscheidend. Denn die Dortmunder haben nicht das Tempo verloren, die Begeisterung, die offensive Grundordnung, die starke Defensive, nicht den Willen, ein Spiel noch rumzureißen, nicht die Laufbereitschaft, die Zweikampfstärke, die Torgefährlichkeit. Nichts von dem, was der Mannschaft die Tabellenführung gebracht hat und die Deutsche Meisterschaft bringen wird.
Es war ein tolles Spiel - und das lag auch am Hamburger SV. Der spielte offensiv und das ist die einzige Chance, der Borussia beizukommen. Wer sich hinten reinstellt, wird Filet. Beim HSV wird klarer, was der neue Trainer Michael Oenning will. Dennis Diekmeier verteidigt rechts, Gojko Kacar und Heiko Westermann innen, Mladen Petric und Ruud van Nistelrooy im Sturm. Das ging gut, das ging schneller als bislang, und trotzdem steht die Abwehr. Das ist ja die ganze Kunst, offensiv zu spielen und sicher zu stehen. Dortmund kann das.
"Wir", kritisierte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp, "haben in der ersten Halbzeit zu wenig Fußball gespielt, zu viel mit langen Bällen versucht." In der 38. Minute eine dieser kniffligen Abseits-Situationen: Nistelrooy steht im Abseits, Petric nicht. Petric stürmt aufs Tor zu und Mats Hummels, der eine Dortmunder Innenverteidiger, foult ihn. Nistelrooy blockt den anderen Dortmunder Innenverteidiger Neven Subotic und greift somit ins Spielgeschehen ein. Schiedsrichter Peter Gagelmann pfeift trotzdem Elfmeter. "Vielleicht unberechtigt", meint Subotic. Nistelrooy will ihn schießen. HSV-Trainer Oenning antwortet auf die Frage, wer das entschieden hat: "Wahrscheinlich Petric." Der Niederländer trifft, der HSV, bis dahin ohne Torchance, geht überraschend in Führung.
Es gibt ja in dieser Phase der Saison zahlreiche Korinthenkacker, die mit Zahlen versuchen, Vereinen was einzureden. Auch Borussia Dortmund. Nur X Siege in den letzten Y Spielen. In der Rückrunde nur X Tore, in der Hinrunde waren es viel mehr. Und so weiter und so fort. "Wir sind nicht nervös", versichert Subotic. "Mit der Altersstruktur, mit der Art Fußball zu spielen, da würde ich mir blöd vorkommen, wenn ich verlangen würde, dass wir noch mehr Tore schießen", sagt Klopp. So lange die Borussia so spielt wie gegen den HSV wird es schwer für die Korinthenkacker.
In der zweiten Halbzeit beginnt die Dortmund-Maschine zu schnurren. Es gehört zur Dialektik des Menschen, dass wir gerade dann, wenn Menschen zusammen etwas Gutes hinbekommen, das Maschinenhafte sehen. Und die Dortmunder bekommen es sehr gut hin. Die Borussia hat Chancen, trifft aber nicht. Mario Götze, der nicht nur die Körpergröße von Lionel Messi hat, versucht nach seiner Chance das Trikot zu essen (50.). Kevin Großkreutz trifft den Pfosten (64.), Mittelstürmer Lucas Barrios die Querlatte (74.). Götze spielt in hohem Tempo alle aus - wieder kein Tor. Dortmund gibt nicht auf.
Dann kommt der in Hamburg geborene Außenverteidiger Patrick Owomoyela, bei Borussia kein Stammspieler mehr, und geht in den Sturm, weil Barrios verletzt raus muss. In der Nachspielzeit, der HSV ist nach einer Gelb-Roten Karte gegen Änis Ben-Hatira nur noch zu Zehnt, stoppt der fliegende Nuri Sahin den Ball an der Mittellinie, Pass auf Götze, der flankt, Owomoyela verlängert mit dem Kopf, der ebenfalls eingewechselte Jakub Blaszczykowski schießt, und - oh Wunder - kein Pfosten, keine Latte, kein Rost. Tor (90.+2).
"Geil, geil, geil", brüllt Klopp. "Wenn wir das Tor früher schießen, machen wir auch noch ein zweites", erklärt Subotic cool. Für Oenning war Gagelmanns zweites Gelb für Ben-Hatira "die Schlüsselszene". Denn "mit zehn Mann wird es gegen Dortmund schwierig. Wir haben uns bis zum Schluss gewehrt". Für Klopp ist das Remis "nur gerecht".
Mit Oenning läuft es nicht schlecht und die Mannschaft will, dass er bleibt. So, wie wir den HSV kennen, muss man davon ausgehen, dass zur nächsten Saison ein neuer Trainer kommt. Einer mit internationaler Erfahrung und großem Namen. Der sehr teuer ist. Aber wir lassen uns gerne eines Besseren belehren.
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