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Die Drohnenangriffe der USAAl-Qaidas Ängste

Ein deutsches Ex-Mitglied von al-Qaida schildert die Furcht der Terroristen vor US-Drohnen – und berichtet von zivilen Opfern: "Ich habe auch Kinderleichen gesehen."

Zivile Opfer durch US-Drohnen: Pakistanische Dorfbewohner protestieren gegen den Raketenbeschuss der USA an der afghanischen Grenze. Bild: dapd/ap

Rami M. aus Frankfurt hatte sich eine Liste gemacht. Immer wenn einer seiner Kampfgefährten in Waziristan bei einem Drohnenangriff der US-Amerikaner getötet wurde, schrieb er es auf seinen Zettel. Irgendwann reichte der Platz nicht mehr, er brauchte einen zweiten. "So viele Leute sterben von den Drohnenangriffen", erzählte Rami M. den deutschen Ermittlern später in der Untersuchungshaft im hessischen Weiterstadt.

Inzwischen ist Rami M., 25, wegen Mitgliedschaft bei al-Qaida verurteilt worden. Ein Deal hat das Verfahren gegen ihn radikal abgekürzt, im Schnelldurchlauf fasste Rami M. vor Gericht seinen Weg in den Dschihad und seine Erlebnisse in den pakistanischen Stammesgebieten zusammen. Nach nur drei Prozesstagen fiel am 9. Mai das Urteil: 4 Jahre und neun Monate Haft.

Dabei hätte der reuige Dschihadist Rami M. noch viel erzählen gehabt, was auch die Öffentlichkeit spannend finden dürfte - darunter Erlebnisberichte von zahlreichen Drohnenangriffen der USA auf mutmaßliche Terroristen in Pakistan. Das Gericht hat das nicht interessiert.

244 Drohnenangriffe in Pakistan

Dabei hatte Rami M. in Untersuchungshaft den Ermittlern wieder und wieder von den Attacken aus der Luft erzählt, wie aus Protokollen der Vernehmungen hervorgeht. Er nannte auch Namen von angeblichen Drohnenopfern, darunter einen etwa 40 Jahre alten deutsch-palästinensischen Al-Qaida-Kämpfer, den er unter dem Namen "Abu Omar" kennenlernte.

244 Drohnenangriffe haben die USA in den vergangenen siebeneinhalb Jahren im Nordwesten Pakistans geflogen. So zählt es die Washingtoner New America Foundation. Während US-Präsident George W. Bush von 2004 bis 2008 rund 40 Angriffe befahl, waren es unter seinem Nachfolger Barack Obama schon jetzt 200. Der Drohnenkrieg ist für den Friedensnobelpreisträger zum wichtigsten Mittel im Kampf gegen den Terrorismus geworden. Geheim, geräuscharm, gnadenlos. Und völkerrechtlich hochumstritten.

Unter den Toten sind auch Kinder

Immer wieder treffen die USA bei ihren Drohnenangriffen einflussreiche Al-Qaida-Kader wie Abu Laith al-Libi oder den ehemaligen Chef der pakistanischen Taliban, Baitullah Mehsud. Doch nach Angaben von Experten der New America Foundation werden in den meisten Fällen eher rangniedrige Militante durch die Drohnen getötet - und immer wieder auch Zivilisten (siehe Text unten).

Auch Rami M. berichtete, dass in seiner Zeit in Waziristan nicht nur pakistanische Taliban oder ausländische Al-Qaida-Kämpfer unter den Drohnentoten gewesen seien. "Sterben auch normale Leute, sterben auch Kinder dabei, ich habe auch Kinderleichen gesehen", behauptete Rami M. gegenüber den deutschen Ermittlern. Oft habe er sich gedacht: "Das werde ich auch nicht überleben."

Die ständigen Drohnenangriffe führen zu Paranoia unter den Militanten in den pakistanischen Stammesgebieten - und gegenseitigen Verdächtigungen. Eine Zeitlang, so erzählte es Rami M. den deutschen Ermittlern, hätten sie wöchentlich den Aufenthaltsort gewechselt. Dann habe er tagelang ein Gemeinschaftshaus nicht mehr verlassen dürfen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen ("Gar nicht bewegen"). Und immer wieder sei er von einer Art "Geheimdienst" der al-Qaida verhört worden.

Zielerfassung mithilfe von Elektrochips

In der Terrorgruppe herrscht nach Rami M.s Aussage panische Angst, von Spionen unterwandert zu werden, die den USA bei der Zielerfassung für ihre Drohnenattacken helfen. Angeblich würden Angriffsziele mit kleinen elektronischen Chips markiert, die Signale für die unbemannten Flugzeuge abgeben. "Die laufen da mit den Chips rum, tun das dann an Autos kleben oder in ein Haus werfen, dann kommen diese Drohnenangriffe da drauf", sagte Rami M. den deutschen Ermittlern.

Ob die Zielerfassung wirklich so abläuft, ist unklar. Die USA sprechen offiziell nicht über das geheime Drohnenprogramm der CIA in Pakistan. Doch das Gerücht, dass kleine Elektrochips oder GPS-Geräte bei der Zielerfassung helfen, kursiert unter den Militanten schon länger.

Ein ehemaliger Sicherheitsbeamter sagte der taz, er halte es für plausibel, dass bei der Zielerfassung auch elektronischen Geräte eingesetzt werden. Im Irakkrieg sei dies ähnlich abgelaufen.

Paranoia der al-Qaida

Der Stockholmer Al-Qaida-Experte Magnus Ranstorp, einer der führenden Terrorismusforscher weltweit, glaubt dass es eine Kombination aus Überwachungsbildern aus der Luft und Geheimdiensterkenntnissen ist, die den US-Drohnen ihre Ziele liefern. Auch Lokalisierungsgeräte am Boden würden dabei "sicherlich ab und an eingesetzt", sagte er der taz. Wie häufig lasse sich aber schwer einschätzen. "Es gibt eine Menge Paranoia bei al-Qaida. Mal ist sie begründet, mal nicht, doch das ist letztlich zweitrangig."

Was passiert, wenn al-Qaida oder die pakistanischen Taliban jemanden verdächtigen, ein Spion zu sein, und den USA Koordinaten für Drohnenangriffe zu liefern, erlebte der Pulitzer-Preis-Träger David Rohde. Er war bei Recherchen vom Taliban-nahen Haqqani-Netzwerk gekidnappt worden und entging im März 2009 im pakistanischen Makin nur knapp einem Drohnenangriff.

Raketensplitter seien im Garten des Hauses gelandet, in dem er gefangen gehalten wurde, erzählte der US-Autor im Februar auf einer Konferenz in Washington. Wenige Tage später sei schließlich ein Bauer gefoltert worden, dem die Kämpfer vorwarfen, der Drohne mit einem in einem Reifen versteckten GPS-Gerät die Koordinaten geliefert zu haben. Nachdem sie dem Mann ein Bein abhackten, habe er gestanden, so Rohde - dann köpften sie ihn und hängten seinen Körper zur Abschreckung im Basar auf.

Der geläuterte Al-Qaida-Mann Rami M. aus Frankfurt hatte nach 15 Monaten im Dschihad in Waziristan an die 80 Namen auf seine zwei Zettel mit den Drohnentoten geschrieben. Er rechnete fest damit, dass auch er von den Angriffen irgendwann "was abbekomme", sagte er später den deutschen Ermittlern. "Ich habe schon mein Leben aufgegeben."

Als am 4. Oktober 2010 wieder mal die Raketen der US-Drohnen einschlagen, werden zwei Islamisten aus Deutschland getroffen: Bünyamin E. aus Wuppertal und Shahab Dashti, ein Kumpel von Rami M. aus Hamburg, mit dem er sich eine Weile im pakistanischen Mir Ali aufhielt. Dort gingen auch am 4. Oktober die Raketen nieder.

Als die beiden starben, saß Rami M. schon im Gefängnis. Er hatte Glück.

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18 Kommentare

 / 
  • S
    Stefan

    Fakt ist: Im Krieg kommen auch Zivilisten zu Schaden.

    Ziel der USA ist: Die Minimierung der (bedauerten) Kollateralschäden.

    Ziel der Terroristen: Die Zivilbevölkerung!

    That's the difference.

    Oft wird der Tod von Zivilisten angeprangert - aus Wut über die erfolgreiche Ausschaltung von Terroristen. Das klingt dann in Begriffen wie "unfaire Kriegsführung" durch und der Forderung nach "Mann gegen Mann".

  • M
    Marcus

    Also die Kämpfer sind nun wirkleich keine Unbeteiligten und ihre bekämpfung bzw tötung mit Militärischen Mitteln liegt nun mal in der Natur eines Krieges. Viel mehr ist zu sehen das die Drohnen ihre Aufgabe überaschend efecktiv erfüllen. Neben der Anscheinend recht guten Trefferquote ist die beschriebene angst und Paraneua sicherlich eines der Hauptziele. Wenn niemanden Vertraut wird ist es für neue Rekuten schwer sich anzuschliesen Die grausamen Strafen für angebliche oder echte Spione bringen sicher keine Sympathi in der Befölkerung, gerade weil es für den normalen Bürger nicht einzuschätzen ist ob der Bauer von nebenan ein US-Spion war.

  • E
    EchoRomeo

    Ist die geschilderte Paranoia/Panik nicht das Sekundärziel dieser Angriffe. Gezielt Führungskader auszuschalten ist die eine Seite der Münze, daß die Gruppen wg ständiger Stellunswechsel und Tranung von ihrer eigentlichen Aufgabe "Terror" abgehalten werden, das ist die Rückseite. Und wenn sie sich gegenseitig verdächtigen und an den Kragen gehen, dann ist auch der Rand beschriftet.

    Just my two Cents.

  • C
    Cassini1

    Der Artikel erweckt ja fast Mitleid mit den armen Terroristen. Sie wollten dort hin, auch um irgendwann unsere westliche Gesellschaft zu zerstören. Wer jetzt meint, das sei nicht richtig, der schaue mal in den einschlägigen jihadistischen Foren nach... Die Aussagen dort sind eindeutig und beziehen sich nicht nur auf die USA oder Israel oder auf die Bundeswehr in Afghanistan. Es geht eindeutig um die "Systemfrage", deshalb machen auch Gespräche mit den Terroristen wenig Sinn... Der jihadistische Terrorismus hat nichts mit Glauben zu tun, das gibt er nur vor. Es handelt sich bei genauerer Betrachtung um eine faschistische Ideologie, die auf die vollständige Ausrottung derjenigen "Ungläubigen" abzielt, die sich nicht bedingungslos unterwerfen. Wer Steuern zahlt unterstützt nach deren Ansicht den "Krieg gegen den Islam" (ein reines Propagandageschwätz!) und ist ein legitimes Ziel für terroristische Angriffe. Schöne neue Welt...

     

    By the way gehen die meisten getöteten Zivilisten auf das Konto der Taliban, Al Qaida, IBU usw., was natürlich die "Kollateralschäden" der US-Angriffe nicht besser macht.

     

    P.S: Bevor jemand meint, das sei "Islambashing": Ich habe von jihadistischen Terroristen geschrieben und nicht vom Islam!

  • P
    PeterWolf

    Die "Gotteskrieger" werden nicht durch die Drohnenangriffe psychisch krank, das waren sie schon vorher.

  • I
    Interpretator

    Technik, die begeistert :)

  • E
    EuroTanic

    Obama muss alleine wegen seinen illegalen Drohnenangriffen und den vielen zivilen Toten seinen Friedensnoblepreis zurückgeben und muss sich mit Bush vor den internationalen Strafgerichtshof verantworten. Leider akzeptieren fast alle Länder diese Gericht, nur Amerika nicht. Warum wohl?

  • F
    Fiora

    US-Drohnen, USNATO-Bomber, USNATO sonstige Waffen töten keine Zivilisten. Das macht nur 'Gaddafi'. Würden Drohnen Menschen töten, wäre dies Mord. Da es aber US-Drohnen sind, ist es kein Mord. Mord ist nur, wenn 'Gaddafi' hustet.

  • O
    Oooooh

    Die Armen, tun mir jetzt richtig richtig leid. Da wollen sie doch nur Krieger aus dem Mittelalter mit alten Sovjetwaffen spielen und dann sowas. Ein Konfliktlotsenteam würde es auch tun. Böse Amis. Böse böse Amis.

  • B
    überrascht

    Soll man jetzt Mitleid mit feigen, hinterhältigen Al-Quaida- und Taliban-Terroristen haben die die zivile Bevölkerung als Schutschilde benutzen?

  • PN
    Peter Nuri

    Ihr Artikel ist gut recherchiert. Allerdings irritiert mich die latente Mitleidshaltung gegenüber den Al-Quaida-Kämpfern.

     

    Aus US-amerikanischer Sicht dürfte es hocherfreulich sein, dass die Drohnenangriffe diese Kämpfer paranoid werden lässt.

     

    Ich habe kein Problem damit, wenn Terroristen Angst haben und nicht schlafen können. Sollen Sie halt ihre Waffen abgeben und friedliebende Bürger werden, anstatt Bauern den Kopf abzuhacken.

     

    Ich habe nur ein großes Problem damit, wenn unschuldige Zivilisten bei den Drohnenangriffen sterben! Nur: Sie schreiben in mitleiderregendem Ton, das Gericht interessiere sich nicht für die Angst der Al Quaida vor den Amerikanern. Dass ich nicht laut lache. Und fünf Jahre Haft sind auch nicht viel!

  • T
    tillapril

    Ja, die Amerikaner sind schon echte Fieslinge - die armen Terroristen so in Angst uns Schrecken zu versetzen.

  • A
    avelon

    Tja, wer über Macht verfügt, besitzt auch das Geld für modernste? Kriegsführung á la TERMINATOR. Früher starben die Soldaten im direkten Kampf Mann gegen Mann. Heute sorgen Maschinen dafür, einen vermeintlichen Feind (der meist auf eigenen Ressourcen sitzt, die anderswo dringendst benötigt werden, freie Handelswege verweigert oder kein CHRIST ist) abzuschlachten.

  • V
    vic

    Jetzt werden sich hier wieder einige beömmeln über ängstliche "Terroristen".

    Für mich sind Drohnen, gemeinsam mit Phosphor und Streubomben sowie Uranmunition, ganz besonders perfide Mittel der Kriegsführung, die ausgerechnet von der Nation mit den hohen Ansprüchen an andere verwendet werden.

  • P
    Peter

    Aha, der Terrorist hatte Glück, was sind wir froh. Irgendwie habe ich mich die ganze Zeit gefragt, was will mir der Artikel sagen? Ist die Frage, ob man Terroristen terrorisieren darf? Oder gar: müssen einem terrorisierte Terroristen leid tun? Mir tun sie ehrlich gesagt nicht sonderlich leid. Die Drohnen sind ein fieses Kriegsmittel, klar. Aber mir tut das Geld viel mehr leid, das diese Dinger kosten. Hey al-Qaida, lasst doch einfach euren Quatsch und wir könnten die Drohnen gegen tausende und abertausende von Ernährungsrationen für hungernde Kinder eintauschen ... also, das fiel mir gerade so dazu ein.

     

    P.S.: Ja, ich weiß, wir KÖNNTEN Drohnen bauen UND alle Kinder ernähren und würden wir Drohnen einsparen, würden trotzdem Menschen verhungern. Aber der Gedanke 'Essen statt Drohen' gefiel mir.

     

    P.P.S.: Ja, auch die Befindlichkeiten der Waffenlobby sind mir bewusst. Vermutlich würde diese den Austausch gegen Mais, Reis oder Getreide auch nicht toll finden. Gibt es Drohnenhersteller, die auch mit Nahrungsmitteln handeln? Das wäre zielführend ...

  • V
    Vladimir

    "Der geläuterte Al-Qaida-Mann Rami M. aus Frankfurt hatte nach 15 Monaten im Dschihad in Waziristan an die 80 Namen auf seine zwei Zettel mit den Drohnentoten geschrieben."

    Das geläutert, würde ich in Anführungszeichen setzten. Es dürfte doch eher so sein, das er es mehr bedauert, erwischt/verhaftet worden zu sein, als jemals zu Al-Quaida gegangen zu sein.

    Wenn die Amis tatsächlich so effektiv sind, und 80 seiner Freunde in 15 Monaten getötet haben, muß ich sie wirklich beglückwünschen. Macht weiter so.

    Zu den Peilsendern ist zu sagen, das sowohl Russland als auch westliche Staaten in komplizierteren Waffen kleine Mikrochips eingebaut haben, die beim großflächigerem Anfunken eine Kennung aussenden, und sie dann punktgenau ortbar machten. Schönes Gimik, aber die Codes sind streng geheim.

  • BD
    bernd d brot

    wenn das ein krieg ist, dann ist das keine kriegsberichterstattung, sondern gruselgeschichten zwecks verkaufserfolgen und vorbereitung der abzugspropaganda und einrahmung von innenpolitik.

  • FB
    Frank Beckenhauer

    Diese armen Terroristen aber auch. Wieso lässt man die nicht in Ruhe ihren Job machen, nämlich uns umzubringen falls wir uns nicht unterwerfen. Die taz würde sich freudig der Scharia unterwerfen, da bin ich mir sicher.