Heuschrecke unter Druck: Mieter contra Gagfah

Wilhelmsburger protestieren gegen die nach wie vor unzumutbaren Wohnverhältnisse bei dem börsennotierten Wohnungskonzern. Die SPD will mehr gegen Verwahrlosung tun.

Die Gagfah, wie sie sich selbst sieht: Siedlung am Buchenkamp. Bild: dpa

"Meine Kinder und ich sind in Gefahr", sagt Nafissatou Abasinowe*. "In der Wohnung liegen die Stromkabel offen." Dennoch hat ihr Vermieter, das Wohnungsunternehmen Gagfah, bislang keinen Finger gerührt.

Seitdem sie im Februar innerhalb des bahnhofsnahen Korallusviertels umgezogen ist, wartet Abasinowe auf einen Elektriker. "In Blankenese würde es so etwas nicht geben, aber um uns schwarze und türkische Mieter kümmert sich keiner", glaubt sie.

Rund 120 Bewohner des Wilhelmsburger Bahnhofsviertels demonstrieren am Samstagnachmittag gegen die Zustände in den Gagfah-Häusern. Viele Wohnungen seien von gesundheitsgefährdendem Schimmel befallen, behauptet die AG Wohnen Wilhelmsburg, die zu der Demo aufgerufen hat.

Die Gagfah gehörte einmal der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA).

Investition: In einem spektakulären Geschäft kaufte das privatisierte Unternehmen den städtischen Wohnungsbestand Dresdens. Die Kommune war damit auf einen Schlag schuldenfrei.

Wohnungsbestand: rund 9.400 in Hamburg, bundesweit 165.000 Wohnungen. "Wir wollen, dass unsere Mieter sich bei uns wohl fühlen", heißt es auf der Homepage.

Viele Mieter kritisieren, sie würden respektlos behandelt. Die Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen seien oft undurchsichtig oder falsch. Vordergründig zeige sich das Wohnungsunternehmen zwar kooperativ, die notwendigen Reparaturen stünden aber weiter aus.

Die Gagfah war einmal eines der größten öffentlichen Wohnungsunternehmen. 2004 wurde sie im Auftrag der Bundesregierung an die US-amerikanische Investmentgesellschaft Fortress verkauft, um die Rentenkasse aufzufüllen.

Seit der Konzern das in unmittelbarer Nähe der Internationalen Bauausstellung (Iba) 2013 gelegene Quartier übernommen hat, vergammeln viele der Wohnblocks. Die Treppenhäuser möchte man keinem Besucher zumuten, viele Fassaden bröckeln und haben Risse.

Bereits Ende März hatten die Mieter die Hamburg-Zentrale des börsennotierten Wohnungskonzerns besucht, um ihrem Ärger Luft zu machen. Seither habe die Gagfah nichts gegen die unzumutbaren Wohnverhältnisse unternommen, behaupten die Mieter.

An anderer Stelle zeigt der Protest Wirkung. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion will Mieter und Wohnungssuchende künftig wirksamer im Kampf gegen Verwahrlosung, Leerstand und Zweckentfremdung von Wohnraum unterstützen.

Zur Verbesserung des Wohnraumschutzes sollen die Wohnraumschutzdienststellen der Bezirksämter aufgestockt werden. Außerdem soll das Wohnraumschutzgesetz verschärft werden.

Für die Gagfah-Mieter bedeutet das, dass sie demnächst auf Besuch vom Bezirksamt Mitte hoffen können. Dessen Mitarbeiter werden die Wohnungen überprüfen, in Ordnungswidrigkeitsverfahren die Beseitigung der Missstände anordnen und Bußgelder erheben.

"Über die Wohnungspflege hinaus kann sich Hamburg auch ein Beispiel an der Stadt Dresden nehmen", sagt Janne Kempe von der AG Wohnen.

Die sächsische Landeshauptstadt hat den Konzern verklagt: Er habe Wohnungen weiterverkauft, ohne sich dabei um eine mit der Stadt vereinbarte Sozialcharta zu kümmern. Der Gagfah drohen Vertragsstrafen von einer Milliarde Euro.

Das Wohnungsunternehmen ist auch anderweitig unter Druck geraten. Die Aufsichtsbehörde Bafin ermittelt wegen Insiderhandels gegen den Gagfah-Chef William Brennan.

Der Verdacht: Brennan habe nach erfolglosen Verhandlungen mit der Stadt Dresden Ende 2010 mit der Milliardenklage der Stadt gerechnet. Daraufhin habe er im Februar Aktien im Wert von 4,7 Millionen Euro verkauft.

Die Gagfah hat ihren Aktionären für das abgelaufene Quartal die Dividende gestrichen. Sie kündigte an, in den Wohnungsbestand zu investieren. An der Börse spiegelt sich das Ganze in einer Talfahrt der Gagfah-Aktie.

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