Spanien erwägt Schadensersatzforderungen: "Das Bakterium ist nicht in Spanien"

Die Ehec-Quelle liegt nun wieder völlig im Dunkeln. Die spanische Regierung will jetzt Schadensersatz für ihre Landwirte. Ilse Aigner nimmt die Hamburger Gesundheitsbehörde in Schutz.

Die voreilige Verbindung von Ehec mit "Spanien" könnte teuer für Deutschland werden. Bild: dapd

BERLIN/MADRID dpa/afp/taz | Spanische Gurken, die zunächst mit den Erkrankungen in Zusammenhang gebracht worden waren, sind nach neuen Laboruntersuchungen nicht der Auslöser. Madrid schließe auch rechtliche Schritte gegen die Behörden in Hamburg nicht aus, sagte der spanische Vizeregierungschef Alfredo Pérez Rubalcaba am Mittwoch. In diesem Fall seien Schritte "gegen die Hamburger Behörden" möglich.

"Das Bakterium ist nicht in Spanien", sagte Rubalcaba. "Wenn die Wahrheit ans Licht gekommen ist, müssen die Schäden repariert werden, die nicht klein sind", fügte er hinzu und verwies auf finanzielle Verluste und Imageschäden.Der spanische Verband der Obst- und Gemüseproduzenten und -exporteure (Fepex) geht davon aus, dass die Negativschlagzeilen über EHEC pro Woche einen Verlust von 200 Millionen Euro verursachen.

Es sei von Anfang an klar gewesen, dass das Land nicht der Ausgangspunkt der Darminfektionen gewesen sein könne. "Ein Erreger dieser Art war in Spanien noch nie aufgetreten", sagte Rubalcaba dem Radiosender Cadena SER. "Das heißt, es gibt die Bakterie hier in Spanien nicht. Und wenn es sie hier nicht gibt, ist die Krankheit auch nicht von Spanien ausgegangen."

Die spanische Außenministern Trinidad Jiménez sagte, man werde prüfen, ob es möglich sei, bei der Europäischen Union Entschädigungszahlungen für die Landwirtschaft zu erwirken.

Imagekampagne für spanisches Gemüse

Um den Einbrüchen bei den Agrarproduzenten entgegen zu wirken, kündigte Vizeregierungschef Rubalcaba eine Imagekampagne für spanische Gemüse- und Obstprodukte an, die "exzellent und günstig seien". "Das gefällt manchen nicht, deswegen gibt es eine harte Konkurrenz."

In den Kommentarspalten spanischer Tageszeitungen ergießen sich derweil Spott und Unverständnis über die deutsche Reaktion. "Die Deutschen nutzen alle Mittel, um unseren Konkurrenzvorteil zu torpedieren" oder "Spanien ist wegen der Eurokrise auf der schwarzen Liste" ist da zu lesen.

Auch der Chefredakteur der überregionalen, katalanischen Tageszeitung La Vanguardia, José Antich, räsonniert über die "Nerven von Angela Merkel" angesichts der sich verschlechternden Wahlaussichten der CDU für die Bundestagswahl 2013. "Womit Merkel vielleicht am meisten verblüfft, ist die immer nationalistischere Politik, die Deutschland betreibt." Antich sieht diesen Nationalismus sowohl in den deutschen Reaktionen auf die Euro-Krise als auch "in der unverständlichen Blamage Deutschlands mit der E.coli-Bakterie und dem folgenden Gurkenkrieg, der den Gemüseanbau Spaniens in den Keller geschickt hat. Vielleicht war das ja kein Fehler, sondern eher böse Absicht", vermutet Antich.

Verbraucherministerin Ilse Aigner nahm die Hamburger Gesundheitsbehörden derweil gegen ausländische Kritik am Krisenmanagement in Schutz. "Es wurden ja EHEC-Erreger auch auf spanischen Gurken gefunden. Und deshalb musste nach den europäischen Regularien dazu auch eine Schnellwarnung abgesetzt werden", sagte die CSU-Politikerin am Mittwoch im ZDF-"Morgenmagazin". Die Hamburger Kollegen hätten sich "wirklich gut verhalten".

Die Suche nach der tatsächlichen Quelle beginnt nun von vorne. "Man kann derzeit gar nichts ausschließen", erklärte Aigner. Die Lieferwege müssten zurückverfolgt, Lieferlisten ausgewertet werden. Schnellstmöglich diesen Weg nachzuvollziehen, habe höchste Priorität

Die EU-Staaten erwarten rasche Aufklärung aus Deutschland. Dies geht aus einer Erklärung von Gesundheitsexperten aller 27 EU-Regierungen hervor, die am Dienstagabend nach einem Treffen in Brüssel veröffentlicht wurde. "Die EU-Staaten nehmen auch zur Kenntnis, dass der Ausbruch geografisch mit einer Gegend um die Stadt Hamburg verbunden ist", heißt es in der Erklärung. Auf EU-Ebene würden alle nötigen Maßnahmen ergriffen, "sobald die Ursachen für die Infektionen vollständig feststehen".

Weiterhin seien in Deutschland bisher neun Todesopfer eindeutig dem EHEC-Keim zuzurechnen. Die Untersuchungsergebnisse von fünf weiteren Todesfällen in Deutschland stünden noch aus. 373 Menschen seien an dem hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) erkrankt. Dieses kann zu schweren Komplikationen bei einer EHEC-Infektion führen.

Bei der Suche nach der Quelle setzen die Gesundheitsbehörden auch auf einen neuen Schnelltest. Dieser wurde am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zusammen mit Experten der französischen Lebensmittelagentur ANSES entwickelt.

"Wir hoffen, dass dieser Test dazu beiträgt, die Quelle für die Infektionen mit dem EHEC-Stamm O104 aufzudecken und die risikobehafteten Lebensmittel schnell aus dem Markt zu nehmen sowie Klarheit über die Infektionskette zu verschaffen", erklärte BfR-Präsident Andreas Hensel.

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) erklärte, solange die Ursache des EHEC-Ausbruchs unklar ist, gelte weiterhin die Warnung des Robert Koch-Instituts (RKI). Die Behörde hatte davon abgeraten, Tomaten, Salatgurken und Blattsalate - insbesondere in Norddeutschland - roh zu essen.

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