Neues Online-Magazin "Fair Observer": Von Prominenz kann keiner leben

Der "Fair Observer" ist ein neues, kollaboratives Online-Magazin. Ein breiter Mix von Erlöskanälen soll das von Wikipedia inspirierte Start-Up zügig in die Gewinnzone führen.

Noch in der Beta-Phase: der Onlineauftritt des "Fair Observers". Bild: screenshot fairobserver.com

Im Glauben spenden Worte Zuversicht, und Glauben und Zuversicht hat Fabian Neuen im Überfluss: Letzte Woche feierte der 30-Jährige Münchner den Launch des Fair Observer. Die Hoffnungen, die Neuen als einer von insgesamt drei Mitgründern in das englischsprachige, als "revolutionär" angekündigte Multimedia-Magazin setzt, sind groß. Die Webseite soll eine "Lücke im Mediensystem schließen" und die "Mündigkeit des Lesers" sicherstellen. Starke Worte – die Neuen gut gebrauchen kann.

Mit fundierten 360-Grad-Analysen will der Fair Observer nichts Geringeres als überregionale und globale Probleme aufgreifen und so ein komplexes, neutrales Bild von aktuellen Themen vermitteln. "Wir versuchen etwas, das es bisher in der Medienlandschaft noch nicht gibt", erklärt Neuen. "Unser Anspruch ist es, dem Leser alle relevanten Fakten und Perspektiven zu einem Thema an die Hand zu geben, damit er sich sein eigenes Bild machen kann."

Dazu gehört zum Beispiel der Drogenkrieg in Mexiko, die Psycholanalyse Sigmund Freuds, und auch, dass man mal "eine liberale deutsche Perspektive dem Standpunkt der kommunistischen Partei in China" gegenüberstellen kann, sagt der Münchner.

Den Input für die ehrgeizigen Hintergrundstücke aus Politik und Wirtschaft, die in Text, Bild und Ton aufbereitet werden sollen, produzieren die weltweit rund 100 Autoren und Experten derzeit nach dem Wikipedia-Prinzip: Jeder soll liefern, doch statt Geld gibt’s erstmal nur den Ruhm. Zur Qualitätssicherung werden die einzelnen Beiträge an die neuen Ein-Mann-Redaktions-Büros in München, London und Washington geschickt. Von dort werden die Stücke auf bis zu 15 Mitarbeitern weiterverteilt, die sie auf freiwilliger Basis prüfen, editieren und dann ins Netz stellen.

Bis 2014 sind schwarze Zahlen geplant

Apropos Ehre: Als prominente Mitwirkende für das "zwischen Zeit, Brand eins und BBC" angesiedelte Projekt ließen sich Altkanzler Helmut Schmidt, Ex-McKinsey-Partnerin Annet Aris und der Ex-Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Klaus Zimmermann, gewinnen. Doch allein von Prominenz, deren Kontakten, Expertisen und Textbeiträgen kann keiner leben – dabei soll das Start-Up, das die drei Gründer laut Neuen derzeit noch aus eigener Tasche tragen, spätestens ab 2014 schwarze Zahlen schreiben.

Um also zu verhindern, dass der Observer vorzeitig das Beobachten einstellen muss, suchen die zwei Inder und der Deutsche, die sich zum Teil über die französische INSEAD-Business-School kennen lernten, Investoren, die wie sie an die Idee des Kollaborations-Magazins glauben. Darüber hinaus soll ein Mix aus klassischen und neuen Erlös-Modellen auf Leser- und Unternehmensseite den Fair Observer auf eine solide finanzielle Basis stellen.

Finanzierungs-Mix aus Anzeigen, Verkauf und Spenden

Zum einen planen die Observer-Macher, das Wikipedia-Prinzip in bare Münze zu verwandeln – im Stile eines Themen-Dienstleisters wie etwa der Deutschen Presse-Agentur (dpa), aber eben mit den Vorteilen des Crowdsourcings. Neuen: "Immer mehr Zeitungen in den USA und Europa dünnen ihre Redaktions-Netzwerke aus. Mit unseren Hintergrund-Analysen erleichtern wir für Redakteure den Recherche-Aufwand und bieten einen Service, den dpa oder Reuters aus unserer Perspektive so nicht leisten können."

Weitere Erlöse würde das Internet-Fernsehen versprechen, hier stehe der Fair Observer als Lieferant von "hochwertigen Inhalten" zur Verfügung und bereits mit Betreibern von Sende-Formaten in Kontakt.

Ein Abonnement-Modell, über das Leser exklusiven Zugriff auf weiterführende Texte im Archiv erhalten, sei ebenfalls geplant. Nicht zuletzt sollen Anzeigenkunden auf der Webseite des Magazins Werbung schalten können und Leser über Flattr für Texte spenden. Das Geschäft mit den Pop-Ups und Bannern habe im Finanzierungs-Mix dabei nur geringe Bedeutung, so Neuen, der die Unabhängigkeit des Fair Observer erhalten möchte.

Das große Ziel ist klar: "Nur wenn wir profitabel arbeiten, können wir die Nachhaltigkeit sicherstellen, die wir brauchen, um unsere soziale Vision zu erreichen", erklärt Neuen. Bis es soweit ist, muss erst einmal der Glaube und die Zuversicht genügen.

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