Multikulti-Komödie "Salami Aleikum": Herrlich unkorrekt
Das ZDF eröffnet seine Sommerreihe "Gefühlsecht" mit einer Ossis-Perser-Geschichte. Die Klischees beider Seiten kommen hier in den großen Sack, die Baseballkeule ist aber nicht nötig.
Die Baseballkeule muss mit. Schließlich fahren die rheinisch-persischen Taheris (Michael Niavarani, Proschat Madani) ins ferne Ostdeutschland, um ihren Sohn Mohsen (Navid Akhavan) aus den Fängen der barbarischen Ureinwohner dort zu befreien. Und bei den Ausländern weiß man ja nie ...
Um die elterliche Schlachterei in Köln zu retten, ist Mohsen gen Polen aufgebrochen - und kommt nur bis Oberniederwalde, wo ihm nach anfänglicher - nennen wir es - Skepsis der Gebetsteppich ausgerollt wird. Dank einer Verwechslung gilt Mohsen plötzlich als Erlöser der seit der Wende (zum Schlechteren) brachliegenden Textilindustrie. Die Ossis (vorbildlich tumb: Stephan Grossmann) schöpfen wieder Hoffnung, und der kleine Perser verliebt sich in die baumlange Tochter (Anna Böger) des griesgrämigen Dorfwirts (Wolfgang Stumph). Fast wie in einem Märchen aus 1001 Nacht.
In Ali Samadi Ahadis Spielfilmdebüt "Salami Aleikum", das heute zur Primetime die Sommerreihe "Gefühlsecht" der ZDF-Nachwuchsredaktion Das kleine Fernsehspiel eröffnet, prallen "7000 Jahre persische Hochkultur" (Vater Taheri) und zwei Jahrzehnte ostdeutscher Strukturwandelfrust ungebremst aufeinander. Regisseur und Coautor Ahadi wirft die Klischees und Vorurteile beider Seiten in einen großen Sack und drischt hemmungslos auf ihn ein, sodass alle ihr Fett wegbekommen. Heraus kommt ein herrlich politisch inkorrektes Pointentrommelfeuer, das trotzdem von einer Wärme, ja fast schon Zärtlichkeit getragen ist, die zu Herzen geht. Geschmackssache dagegen sind die quietschbunten Animations- und Musicalsequenzen, mit denen Ahadi seinen Film "aufpeppt".
Auch die anderen, wieder zur üblichen Kleines-Fernsehspiel-Sendezeit gegen Mitternacht versteckten "Gefühlsecht"-Filme reflektieren tradierte, mitunter überkommene Rollenbilder und -erwartungen, etwa Emily Atefs hochgelobtes Psychogramm "Das Fremde in mir" über eine Mutter, die ihr Baby nicht lieben kann oder das Hooligandrama "66/67 - Fairplay war gestern" über eine Clique junger Männer, deren Freundschaft mit aller Gewalt zu zerbrechen droht.
Der Baseballschläger der Taheris bleibt dagegen unbenutzt im Auto liegen. Zurück nach Köln kommen werden sie nie. Und das ist eine gute Nachricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen