: Sprungbretter zu Ohrensesseln
Posten der parlamentarischen Staatssekretäre, heute Alterspfründen, sollten einst den Politiknachwuchs fördern
BERLIN taz ■ Nach unruhigen Wochen haben die Koalitionäre für innerparteilichen Frieden gesorgt. Unverzichtbares Hilfsmittel hierbei: die Posten der parlamentarischen Staatssekretäre. Damit kann die Parteispitze einen Enttäuschten trösten, der umsonst auf ein Ministeramt gehofft hat. Oder ein grummelnder Ministerpräsident wird ruhig gestellt, indem sein Landesverband besonders bedacht wird. NRW-Chef Jürgen Rüttgers (CDU) durfte Peter Hintze ins Wirtschaftsministerium wegloben. Dafür ist Geld da. Trotz allen Sparens.
Das Rechenspiel mit den Posten und Pöstchen ging zunächst aber nicht ganz auf. Um alle zufrieden zu stellen, erhöhte die neue Regierung daher einfach die Zahl der Staatssekretäre von 27 auf 30. Die Empörung ließ nicht lange auf sich warten: 500.000 Euro koste ein Staatssekretär samt Dienstwagen und Sekretärin, rechneten Kritiker vor. CDU-Haushaltspolitiker Steffen Kampeter versuchte zu beruhigen. Die Ministerien müssten die Kosten durch Einsparungen an anderen Stellen selbst aufbringen.
Die parlamentarischen Staatssekretäre erfand die erste große Koalition der 60er-Jahre – damals als Sprungbretter für Nachwuchshoffnungen der Parteien. Es war kein Zufall, dass das Großparteien-Bündnis von Union und SPD 1967 auf diesen Einfall verfiel. Je größer die regierenden Parteien, desto mehr Personal gilt es nach Wahlen zu versorgen. Die Kiesinger-Regierung begründete die neuen Posten damals mit der Nachwuchsförderung. Talentierte Jungpolitiker sollten als Juniorminister Erfahrungen sammeln und sich so auf Höheres vorbereiten. In der zweiten großen Koalition ändert sich heute der Sinn der Parlamentarischen – es werden Ruhesitze daraus.
Das Durchschnittsalter der vermeintlichen Politikazubis liegt, nach Berechnung der taz, nun bei 53 Jahren. Die Jüngste in der Runde ist 37 Jahre alt: SPD-Politikerin Astrid Klug soll im Umweltministerium von Sigmar Gabriel lernen. Im Finanzministerium exerzieren die Politiker hingegen schon einmal vor, was demnächst für alle gilt: die Heraufsetzung des Rentenalters. Wenn der 64-jährige Karl Diller (SPD) eine volle Legislaturperiode durchhält, ist er mitten im neuen Rentenalter angekommen. JAN PFAFF