US-Schuldenkompromiss: Alle Macht der Superkommission

Auch der US-Senat hat den Kompromiss zum US-Schuldenstreit gebilligt. Nun wird in einer parteiübergreifenden Arbeitsgruppe heftig um die Art der Kürzungen gefeilscht werden.

Schauplatz eines eher unrühmlichen Kapitels US-amerikanischer Politik: das Kapital in Washington. Bild: rtr

WASHINGTON taz | Die sonst bei erfolgreichen Abstimmungen im Repräsentantenhaus übliche Euphorie kommt nur für einen Moment auf: Als Gabrielle Giffords in die Runde winkt, stehen alle Abgeordneten auf und klatschen minutenlang Beifall. Es ist die Rückkehr nach Washington für die im Januar mit einem Kopfschuss schwer verletzte demokratische Abgeordnete aus Arizona. Die körperlich sichtlich geschwächte, aber lächelnde 41-Jährige stimmt mit "yes" für das Gesetz, das die Schuldengrenze der USA erhöht, das die Staatsausgaben radikal streicht und das den bislang wütendsten Kampf über Regierungsausgaben in den USA vorerst beendet. Das Gesetz wird mit 269 gegen 161 Stimmen angenommen.

Am Dienstagmittag stimmt auch der Senat für das Abkommen von Demokraten und Republikanern: 74 Senatoren sind für den Kompromiss, 26 stimmten dagegen. Der Entwurf muss nun noch von US-Präsident Barack Obama unterzeichnet werden.

Auf beiden Seiten haben Abgeordnete und SenatorInnen gegen das Gesetz gestimmt: bei den DemokratInnen Linke, bei den RepublikanerInnen vor allem Mitglieder der Tea Party. Vor allem Erstere gehen verbittert aus dem wochenlangen Streit hervor, bei dem bis zum vorletzten Tag eine Zahlungsunfähigkeit der USA als Drohung im Raum stand. Wütend ist auch das "tiefe Amerika". Sowohl rechte als auch linke WählerInnen erklären in Anrufen bei Radiosendern, in Briefen an den Kongress und in Meinungsumfragen, ihre Abgeordneten hätten ihre Arbeit schlecht gemacht.

"Ein Sieg für die Tea Party"

"Wer das einen Sieg für das amerikanische Volk nennt", kommentiert der frühere demokratische Arbeitsminister Robert Reich, "hat nichts verstanden." Die wohlhabendsten Amerikaner würden "jetzt noch reicher" werden. Robert Greenstein vom Washingtoner Institut New Debt Ceiling Agreement sagt, das Gesetz hätte zwar die potenziell katastrophalen Folgen einer Zahlungsunfähigkeit verhindert, aber es zwinge die Nation in einer wirtschaftlichen Krise in eine "höchst beunruhigende Lage". Auf dem linken Flügel der DemokratInnen stellt sich die Basis auf harte Kämpfe um künftige Staatsausgaben in den Bereichen Soziales, Infrastruktur und Umweltpolitik ein.

In der Tea Party haben die FundamentalistInnen gegen das Gesetz gestimmt. Unter ihnen ist die Chefin der Gruppe im Kongress, die sich gegenwärtig für die republikanischen Präsidentschaftskandidatur bewirbt, Michele Bachmann. Sie ist gegen jede Erhöhung der Schuldengrenze und für noch deutlich tiefere Einschnitte in die staatlichen Sozialprogramme. Andere Tea-Party-Mitglieder hingegen sprechen jetzt schon von einem politischen Erfolg ihrer Bewegung. "Ein Sieg der Tea Party", schreibt der Abgeordnete Allen West aus Florida.

Ab Herbst wird entschieden

Das Paket, das nach einer wochenlangen Pattsituation im allerletzten Moment geschnürt wurde, sieht eine Erhöhung der Schuldengrenze um 2,4 Billionen US-Dollar vor. Zugleich sollen die Staatsausgaben in den nächsten zehn Jahren um mindestens 2,1 Billionen gesenkt werden. Das Gesetz sieht keine zusätzliche Staatseinnahme vor - auch keine Erhöhung der seit den 1980er Jahren vielfach gesenkten Steuern für SpitzenverdienerInnen.

Zu einer detaillierten Lektüre des Gesetzes hatten die Abgeordneten vor der Abstimmung keine Zeit. Ab dem Herbst wird eine paritätisch besetzte "Superkommission" über die Sparmaßnahmen in der zweiten Phase beraten und entscheiden. Die Kommission, die mit sechs DemokratInnen und mit sechs RepublikanerInnen besetzt werden soll, hat weitgehende Vollmachten. Im ungünstigsten Fall könnte sie auch die ersten Rückschritte überhaupt bei der gesetzlichen Sozialversicherung verfügen - beispielsweise eine Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre. Dabei müsste sie den Kongress nicht einmal neu konsultieren.

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