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Archiv-Artikel

Stadt-Land-Gefälle

KITAS In den Metropolen fehlen Betreuungsplätze, auf dem Land nicht, sagen Lobbyverbände

BERLIN taz | Wie viele Kitaplätze im August fehlen werden, wenn jedes Kind unter drei Jahren einen Rechtsanspruch auf eine Außerhausbetreuung hat, kann zurzeit niemand genau sagen. Momentan kursieren zum Kitaausbau unterschiedliche Zahlen.

Während der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund von derzeit 150.000 fehlenden Plätzen bundesweit sprechen, gab der Deutsche Landkreistag (DLT) gerade bekannt, dass sich Eltern auf dem Land keine Sorgen machen müssten. Dort würden von 356.000 nötigen Plätzen lediglich 11.700 fehlen. „Alle Landkreise sind gut versorgt“, sagt DLT-Sprecher Markus Mempel. Und: „Wir erwarten keine Klagewellen.“ In der Vergangenheit fürchteten Kommunen, dass viele Eltern einen fehlenden Kitaplatz einklagen könnten.

Den Landkreistag-Berechnungen zufolge bekommen in fast 70 Prozent der Landkreise Eltern auf jeden Fall einen Betreuungsplatz, in 22 Prozent würden nahezu alle Kinder untergebracht. Zu den Spitzenreitern mit einem sozialistischen Versorgungsergebnis von fast 100 Prozent zählen Sachsen-Anhalt und Thüringen. Aber auch Bayern, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen.

Das irritiert. Allein NRW gilt bislang mit einer Betreuungsquote von unter 20 Prozent als Schlusslicht im Kitaausbau-Ranking. Und jetzt – alles prima?

Die Zahlen seien nur die „halbe Wahrheit“, räumt DLT-Sprecher Mempel ein. Erhoben habe der DLT nämlich nur den Bedarf in den Landkreisen, aber nicht in den kreisfreien Städten. „Die große Lücke in den Städten bleibt bestehen“, warnte Daniela Schönwälder vom Städtetag.

Der Bedarf könnte weiter steigen. Schätzungen zufolge wollen heute zwei Drittel aller Eltern in den Städten eine Fremdbetreuung für ihre Kinder. Ausgegangen ist man 2007, als der Kitaausbau beschlossen wurde, von 30 Prozent.

Weit über die Hälfte der Bevölkerung lebt auf dem Land. Dort herrschten noch andere Traditionen und Familienstrukturen, sagt Schönwälder vom Städtetag. Einer soziologischen Untersuchung zufolge sinkt die Scheidungsrate, je ländlicher eine Region ist. Ebenso steigt die Zahl der klassischen Lebensentwürfe mit dem Einverdienermodell. „Da ist der Bedarf geringer“, erklärte Markus Mempel.

Das könnte sich ändern. Die Zahl der Mütter steigt langsam, aber kontinuierlich an. 2011 hatten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes 68 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren einen Job. 2001 waren es noch 62 Prozent.

SIMONE SCHMOLLACK