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Krieg in LibyenNationalrat zieht nach Tripolis

Die Aufständischen wollen jetzt in der Hauptstadt regieren, wo Kämpfe nachlassen. Der UN-Sicherheitsrat gibt erste Gaddafi-Gelder frei und Amnesty wirft beiden Seiten Folter vor.

Söldner oder Migrant? Festnahme eines Schwarzafrikaners durch Rebellen in Tripolis, Donnerstag. Bild: reuters

TRIPOLIS afp/rtr/dpa | Der Nationale Übergangsrat der libyschen Rebellen hat seine Arbeit in der libyschen Hauptstadt aufgenommen. Der Vizepräsident des Exekutivkomitees, Ali Tarhuni, gab offiziell bekannt, dass der bisher in Bengasi ansässige Rat von nun an in Tripolis arbeite. Am Donnerstag waren bereits acht Ratsmitglieder in der Hauptstadt eingetroffen, darunter die Verantwortlichen für Gesundheit, Kommunikation, Inneres, Justiz und Verteidigung.

In New York stimmte der UN-Sicherheitsrat der Freigabe von 1,5 Milliarden Dollar gesperrter Gaddafi-Gelder zu, die in den USA eingefroren waren. Sie sollen zu je einem Drittel an den Übergangsrat, in die internationale humanitäre Hilfe für Libyen und in einen Hilfsfonds fließen, aus dem Treibstoff und andere dringend benötigte Güter für die Bevölkerung finanziert werden sollen. Der Regierungschef der libyschen Rebellen, Mahmud Dschibril, forderte bei einem Besuch in der Türkei die Freigabe weiterer eingefrorener Gelder.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte in Brüssel, derzeit werde geprüft, wie eingefrorene Gelder freigegeben werden könnten, ohne dass sie Gaddafis Anhängern in die Hände fielen. "Ich kann nicht präzise sagen, wann es konkrete Entscheidungen geben wird", sagte Ashtons Sprecherin. "Am Ende brauchen wir eine Entscheidung des Ministerrates." In New York fanden darüber Gespräche mit der Afrikanischen Union (AU) und islamischen Organisationen statt.

Die Kämpfe in Libyen gingen derweil weiter. Britische Kampfjets bombardierten laut Verteidigungsministerium in London in der Nacht zum Freitag einen Bunker Gaddafis in seiner Heimatstadt Sirte. Die Küstenstadt gilt als einer der möglichen Orte, in denen sich Gaddafi versteckt haben könnte. In der strategisch wichtigen Wüstenstadt Sebha in Zentrallibyen lieferten sich Anhänger und Gegner Gaddafis in der Nacht heftige Kämpfe.

Dutzende Rebellen seien getötet worden, als sie das Hauptquartier des Militärgeheimdienstes erstürmt hätten, teilten die Aufständischen mit. Es gebe weder Wasser noch Strom. Auch aus Teilen von Tripolis wurden weiter Schießereien gemeldet. Die Aufständischen bereiteten am inzwischen eroberten Flughafen der Stadt eine Offensive vor, berichtete der Nachrichtensender al-Arabija.

Foltervorwurf von Amnesty International

Amnesty International warf beiden Konfliktparteien Folter vor. Tausende Männer seien nach Festnahmen durch die Gaddafi-Truppen verschwunden, darunter auch unbewaffnete Zivilisten, so die Menschenrechtsorganisation. Einige seien zuletzt freigekommen und hätten von Folter, schlechter Behandlung und Hinrichtungen in den Gefängnissen von Sirte und Tripolis berichtet.

Die Rebellen würden ihrerseits Gefangene unter äußerst problematischen Bedingungen festzuhalten. Beispielsweise würden 125 Menschen in einer einzigen Zelle eingesperrt. Zudem hielten die Rebellen zahlreiche angebliche Söldner Gaddafis aus Schwarzafrika fest, die nach eigenen Angaben jedoch Gastarbeiter seien und lediglich aufgrund ihrer Hautfarbe gefangen genommen worden seien.

Die Behandlung afrikanischer Migranten durch die libyschen Aufständischen ist ein Grund, warum Afrika sich insgesamt mit dem Machtwechsel in Libyen sehr schwertut. Von einem Sondergipfel der Afrikanischen Union (AU) in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba am Freitag im Anschluss an eine Somalia-Geberkonferenz am Vortag erwarteten Diplomaten keine rasche Anerkennung des Nationalrates als libysche Regierung. Erst müsse die UNO einen entsprechenden Beschluss fällen, zitierten südafrikanische Medien Diplomaten. Südafrika hatte zuvor heftige Kritik an Nigeria geübt, das Libyens Nationalrat als Regierung anerkannt hatte, ohne auf den AU-Gipfel zu warten.

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4 Kommentare

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  • W
    Weißeuropäer

    "Informationen für Journalisten zu diskriminierungsfreier Sprache 5-5/2008

    „Schwarzafrika/Schwarzafrikaner/Schwarzafrikanisch“

     

    Der Begriff "Schwarzafrikaner" dient dazu, alle Kulturen und Menschen, die originär in afrikanischen Ländern unterhalb der Sahara beheimatet sind, zusammenzufassen. Da eine solche Zusammenfassung jedoch geografisch und kulturell willkürlich ist, muss zur Beantwortung der Frage, weshalb und wie der Begriff dennoch verwendet wird, der Gebrauch des Wortes in der Sprache betrachtet werden. Dies lässt schnell erkennen, dass der Begriff „Schwarzafrikaner“ vor allem der Stereotypisierung dient:

    Zum einen verdeckt der Ausdruck die Notwendigkeit, afrikanische Kulturen ebenso wie die europäischen als divers zu verstehen und zu kommunizieren. Die Verwendung von „Schwarzafrikanisch“ ermöglicht es, über Kulturen zu schreiben oder vorzutragen, ohne über diese recherchiert zu haben, und trotz Unkenntnis vielseitige pauschalisierende Deutungen vorzunehmen. Würde keine Unkenntnis vorliegen, so würde etwa differenziert werden, aus welchen Ländern oder Kulturen die betreffenden Personen/Erzeugnisse/Publikationen genau kommen - eine Informationsbeschaffung, die bezüglich europäischer Länder ebenso zumutbar ist wie sie auch eingefordert wird.

    Zum anderen fungiert der Begriff „Schwarzafrikaner“im Sprachgebrauch als Rückgriff auf biologistische Rassekonzepte -unter dem Deckmantel politischer correctness, weil vorgeblich auf rassistische Wortwahl verzichtet wird. Die veralteten wie kolonialen Rassetheorien werden im Wortsinn aber unmittelbar fortgeführt: durch die Verweigerung der Zurkenntnisnahme kultureller Diversität der benannten willkürlich konstruierten Gruppe, und durch die große Präsenz der pejorativen Konnotationen, die der Begriff „Schwarzafrikaner“ im sprachlichen und institutionellen Konsens der Mehrheitsgesellschaft de facto birgt.

     

    Fazit: Die Vokabel „Schwarzafrikaner“ ist inhaltlich ebenso unpräzise wie „Weißeuropäer“. Der Begriff besagt weder, von welchem Land noch von welcher Kultur oder Sprache die Rede ist. Der einzige im Wort tatsächlich enthaltene Informationsgehalt ist „richtig schwarze Schwarze“ und damit rassifizierend. Der zunächst verdeckte, aber mit-kommunizierte Informationsgehalt ist, dass es sich um eine homogene Gruppe von Menschen handele, die nicht differenziert benant und behandelt werden muss. Dies sind deutliche Anzeichen für Diskriminierung und hegemoniale Diskursführung.

    Aus diesen Gründen raten wir davon ab, in Publikationen den Begriff „Schwarzafrikaner“ zu verwenden."

     

    http://www.derbraunemob.info/shared/download/warum_nicht_schwarzafrikaner.pdf

  • BG
    Bernd Goldammer

    Hier fanden mehrfach Verbrechen gegen die Menschlichkeit statt. Vor aller Augen haben feige brittische Dreckskerle ohne Uniformen Menschen abgeschlachtet. Die UNO war darin involviert. In Libyen wurde die Zivilisation ad absurdum geführt. Von ehemaligen europäischen Kolonialstaaten. Nach den Kriterien die einst gegen Milosevic galten, müssten alle Beteiligten hinter Gitter. Lebenslänglich! Was aber ist mit denen, die Zeitungsartikel aus dem Lügenkasten der Nato gleich mal abgedruckt haben? Die kämpfen nämlich gegen uns. Sie wollen unser Einverständnis für Kriegsverbrechen erheischen! Niemand kann jetzt sagen er hätte nichts gewusst.

  • E
    EuroTanic

    Die "Rebellen" - hauptsächlich Berberbanden und Bergvolk rund um Zintan, massakrieren wahllos die Einwohner von Tripolis. Genozid unter dem Schutzschirm der NATO-Invasoren - Die Schlächterbanden treiben die Bevölkerung von Tripolis aus ihren Häusern und benutzen sie als Schutzschilde gegen die Regierungstreuen. Die Quelle spricht von einem unglaublichen Blutbad unter der Zivilbevölkerung, das die NATO-Schützlinge anrichten - das Web füllt sich mittlerweile ebenfalls mit Bildern von den unfassbaren Verbrechen, begangen von Drecksgesindel an den Tripolitanern, von der mitverantwortlichen Informationsindustrie als "Freiheitskämpfer" bezeichnet ...

  • H
    Hagen§

    Das sind also jetz unsere neuen Freunde? Alle bleibt letztlich beim Alten!!