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Archiv-Artikel

IN ASERBAIDSCHAN STEHT KEINE „REVOLUTION IN ORANGE“ AN Die Opposition der Zukunft ist islamistisch

Repression, Gewalt und Manipulation gehören zum Wesen des Regimes im rohstoffreichen Aserbaidschan. Drei Demonstrationen der Opposition gegen die Fälschungen bei der Parlamentswahl Anfang November hat Präsident Ilham Alijew zugelassen. Die vierte wurde am Samstag von Sicherheitskräften brutal aufgelöst.

Dabei ist die Herrschaft des Alijew-Clans nicht etwa gefährdet wie die der Regime in Georgien oder der Ukraine. Dort konnte sich die Opposition bei ihren „Revolutionen in Orange“ auf eine breite Masse stützen und verfolgte eine klare Strategie. Der Opposition in Aserbaidschan fehlt beides. Die Alijews können also ruhig schlafen – zumal sie im Westen Geschäftspartner haben, die wegschauen, wenn es zu unappetitlich wird. Trotzdem reagiert das Regime in Baku auffällig nervös – genauso wie die Opposition. Der Grund ist nicht, dass sie einander fürchten müssten. Vielmehr haben beide Angst vor der eigenen Klientel.

„Sultan“ Alijew hat seinen Hofstaat nicht so gut im Griff wie Vater Heydar. Er misstraut der eigenen Entourage, die aus wirtschaftlichem Privatinteresse jederzeit eine Palastrevolte anzetteln könnte. Die Opposition sieht ebenfalls ihre Felle wegschwimmen: Nach vier ergebnislosen Straßenprotesten droht die ohnehin mäßige Unterstützung der Bevölkerung weiter zu bröckeln. Zumal ihre Aktivisten vor den Toren Bakus, dort wo die Welt nicht hinschaut, weit schlimmer drangsaliert werden als in der Hauptstadt.

Der Aufruf der Opposition zum Sitzstreik und die vorhersehbare Brutalität der Reaktion des Regimes haben dem Widerstandsgeist jetzt noch einmal neues Leben eingehaucht. Aber die Frischluftzufuhr dürfte nicht lange vorhalten. Hinter den bisherigen Akteuren reifen ganz andere Kräfte heran: Jugendliche in den bettelarmen Regionen Aserbaidschans wenden sich vermehrt den Heilsbotschaften radikaler Emire zu. Nachbar Teheran agitiert mit allen Mitteln, und auch Fundamentalisten aus der Türkei sind längst vor Ort. Sie fordern das System nicht morgen heraus – aber übermorgen könnte es soweit sein. KLAUS-HELGE DONATH