Neue Literatursendung im ZDF: Sehnsucht nach Marcels Reich

Flott soll er sein, der neue Literaturtalk "Das Blaue Sofa". Lust auf Lesen macht er aber nicht. Bezeichnend: Josef Bierbichler weigerte sich gar, auf dem Möbel Platz zu nehmen.

Wartet womöglich auf den Sperrmüll: Das Sofa im Hintergrund. Vorne Josef Bierbichler (l.) und Wolfgang Herles. Bild: ZDF

Was macht ein Sofa auf einem Gletscher? Warum muss man, wenn man über Bücher spricht, von Schauplatz zu Schauplatz hetzen - zumal das Denis Scheck in der ARD-Literatursendung auch schon macht, und zwar viel smarter als nun Wolfgang Herles im ZDF? Das sind so Fragen, die sich nach der ersten Sendung des neuen ZDF-Literaturformats "Das blaue Sofa" am vergangenen Freitag stellen.

Die wichtigste Frage ist aber folgende: Was spricht eigentlich gegen die Idee, vier belesene, intelligente Menschen über aktuelle Romane diskutieren zu lassen? Warum müssen die öffentlich-rechtlichen Literatursendungen so einen auf "flott" oder "pfiffig" machen? Man muss das "Literarische Quartett" nicht in der Erinnerung verbrämen, man hat sich ja auch häufig genug darüber geärgert. Aber jedenfalls konnte man sich noch richtig über sie ärgern, und jedenfalls haben Marcel Reich-Ranicki, Hellmuth Karasek und erst Sigrid Löffler, dann Iris Radisch die Literatur und das Sprechen über sie ernst genommen. Ein besseres Format, Romane im Fernsehen zu behandeln, wurde bislang jedenfalls noch nicht erfunden. Auch "Das blaue Sofa" tat es nicht.

In der Sendung geht es um Schauwerte und darum, Autoren zu treffen. Aus Anlass von Ilija Trojanows Roman "Eistau" wurde das blaue Sofa auf einen schmelzenden Gletscher in den Alpen verfrachtet - Ilija Trojanow sieht darauf mit Sonnenbrille und Skijacke richtig schön unsympathisch aus, während Wolfgang Herles ihn pseudokritisch befragt, ob man wirklich wisse, dass der Mensch schuld an der Klimakatastrophe sei. Dann steht das blaue Sofa schon im Bildhintergrund auf einer Wiese neben Josef Bierbichlers Restaurant am Starnberger See. Der Schauspieler und Schriftsteller hat sich geweigert, sich darauf zu setzen - was man ihm als Zuschauer sofort hoch anrechnet. So reden Herles und er auf Stühlen über Bierbichlers Roman "Mittelreich". Bierbichler ist das Lob, das Herles ihm entgegenbringt, erkennbar peinlich.

Zwischendurch werden noch schnell Judith Schalanskys Roman "Der Hals der Giraffe" gelobt, Ferdinand von Schirachs "Der Fall Collini" in Gerichtsszenerie kritisiert und Oskar Roehlers Roman "Herkunft" abgewatscht. Alles ist sehr eins zu eins und zack, zack. Internationale Literatur kommt gar nicht vor.

Nichts gegen Neugier auf Autoren. Aber wenn man etwas über ihr Schreiben herauskriegen will, sollte man sich auch Zeit dafür lassen. Aber das Hauptproblem ist, dass die Sendung nicht auch nur die Andeutung eines Fürs und Widers darüber bot, welche Haltung dem jeweiligen Buch angemessen wäre. Dass es wichtig ist, Romane zu lesen, dass sie uns etwas zu sagen haben - diese Vermutung schimmert bei Herles in keiner Sekunde auf. Schon seltsam, aber nach dieser Sendung hatte man wirklich Sehnsucht nach dem "Literarischen Quartett".

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