Kommentar Mindesthaltbarkeitsdatum: Die Industrieschutzministerin

Es liegt ein konkreter Vorschlag zum MHD vor. Doch Ilse Aigner kneift. Wie so oft, wenn von ihr konkrete Schritte zum Verbraucherschutz gefordert werden.

Das ist ein typischer Aigner: Seit Monaten redet die Verbaucherschutzministerin davon, dass wir nicht so viele Lebensmittel wegschmeißen sollten, die noch essbar sind. Jetzt liegt ein konkreter Vorschlag dazu vor: Der missverständliche Begriff "Mindesthaltbarkeitsdatum" (MHD) soll so formuliert werden, dass weniger Käufer denken, sie müssten das Lebensmittel nach diesem Termin wegwerfen - obwohl es noch genießbar ist.

Und was tut Ilse Aigner? Sie kneift. Wie so oft, wenn von der Verbaucherschutzministerin konkrete Schritte zum Verbraucherschutz gefordert werden.

Dabei wäre es sehr sinnvoll, die MHD-Regeln zu reformieren. Wer weiß denn schon, dass das Mindesthaltbarkeits- etwas anderes ist als das Verbrauchsdatum? Nur Letzteres gibt nämlich laut Gesetz an, bis wann ein Nahrungsmittel ohne Gefahr für die Gesundheit gegessen werden kann. Das MHD garantiert dagegen auch, dass der Joghurt so aussieht wie in der Werbung der Lebensmittelindustrie.

Wegen solch oberflächlicher Kriterien ist das MHD auch nicht die "große verbraucherpolitische Errungenschaft", als die Aigner es nun verteidigt. Und selbst wenn man das anders sieht: Was würde gegen eine klarere Formulierung sprechen? Etwa: "Voller Genuss bis zum Tag x". Und dazu: "Essbar bis zum Tag y".

Die Vorschriften zum MHD kämen von der Europäischen Union, begründet Aigner ihre Ablehnung einer Reform. Mag sein, dass Deutschland tatsächlich wenig Spielraum für Alleingänge hat. Aber die Bundesrepublik ist eines der wichtigsten EU-Länder. Aigner könnte in Brüssel eine Reform anstoßen. Doch daran hat die Ministerin gar kein Interesse.

Neue MHD-Regeln würden mehr Aufwand für die Lebensmittelproduzenten bedeuten. Und deren Belange waren der Verbraucherschutzministerin ja schon in früheren Diskussionen - etwa über die Kennzeichnung von Nährstoffen mit Ampelfarben - wichtiger als die der Konsumenten.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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