Streit der Woche: "Chefs betreiben Männerförderung"
Harte Frauenquote oder mehr Kita-Plätze? Barbara Unmüßig vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung sagt Deutschland sei in Sachen Gleichberechtigung ein Entwicklungsland.
Barbara Unmüßig, Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung, ist für die Frauenquote. "Um die Macht teilzuhaben. Darum geht es", sagt sie im "Streit der Woche" in der sonntaz.
Unmüßig kritisiert, die Wirtschaft habe die Politik fest im Griff. "Daimler-Chef Zetsche, BMW-Vorstand Krüger und Co können weiter 'Männerförderung' betreiben, statt endlich zu fragen, ob die richtigen Männer auf ihren Posten sitzen." Dabei könne eine "kritische Masse von Frauen" Betriebsklima und Entscheidungen verändern, wie die Aufsichtsräte in Norwegen zeigten. Hierfür müsse die Politik handeln, fordert Unmüßig: "Es braucht Ansagen."
Die 30 Dax-Konzerne hatten diese Woche zugesichert, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. In Aufsichtsräten und Vorständen bleiben die Männer jedoch auch künftig unter sich. Denn die selbst auferlegte Pflicht, den Frauenanteil zu erhöhen, gilt hier nicht. Eine gesetzliche Frauenquote lehnen die Konzerne ab, genau wie Marie-Christine Ostermann, Vorsitzende des Verbandes Die jungen Unternehmer (BJU) und Fielmann-Aufsichtsrätin.
Sie bezeichnet die Frauenquote als "Schaufensterpolitik" mit Nebenwirkungen. Sie lade "förmlich dazu ein, qualifizierte Frauen zu Quotenfrauen abzustempeln." Entscheidend seien bessere Rahmenbedingungen: mehr Kitaplätze, mehr Ganztagsschulen und mehr Frauen in naturwissenschaftlichen und technischen Studiengängen. "Und noch etwas", ergänzt Ostermann, "Frauen müssen auch dafür brennen, Führungspositionen zu erreichen." Manche würden zu schnell aufgeben.
Uneins sind die Liberalen, was sie von der Quote halten. Quotengegnerin Nicole Bracht-Bendt, frauenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion sagt: "Per Zwangsinstrument Quote aus der Schieflage herauszukommen, halte ich für falsch." Wenn sich ein Unternehmen selber eine Zielvorgabe gebe, sei das aber gut. Bracht-Bendt plädiert für ein familienfreundlicheres Arbeitsumfeld.
Den ganzen Streit der Woche und viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 22./23. Oktober 2011. Am Kiosk, eKiosk oder im Briefkasten via taz.de/we. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz.
Die Bundesvorsitzende der Liberalen Frauen, Doris Buchholz, hätte vor einigen Jahren ebenfalls "mit einem entschiedenen Nein" auf die Frage nach der Frauenquote geantwortet. Heute sagt sie der sonntaz: "Besonders junge Frauen denken, es ginge ohne, und wehren sich gegen die Quote." Spätestens, wenn sie eine Kinderpause machen müssten, würden sie jedoch merken, wie subtil sich eine Unternehmenskultur mit männlich geprägten Strukturen auf ihre Karriere auswirke.
Für die Quote votiert auch der Verband DHB-Netzwerk Haushalt, "aus Solidaritätsgründen", wie Präsidentin Angelika Grözinger sagt. Die Frauenquote sei lediglich ein "Türöffner", die geforderten Leistungen müssten selbstverständlich auch von Frauen gebracht werden. Grözinger sagt, Haushaltsführung und Kindererziehung seien kein weiblicher Erbhof, auch Männer könnten Haushaltsführende sein. "Und wir sind genauso davon überzeugt, dass Frauen Unternehmen leiten können."
Lesen Sie außerdem im "Streit der Woche": Birgit Mock, Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes, Michael Wenge, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Wuppertal-Solingen-Remscheid und Facebook-Kommentatorin der sonntaz-Frage Gabriele Plaha.
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