Kommentar Mindestlohnkonzepte der CDU: Der Markt kann es nicht
Noch ist vieles, was sich die CDU zum Mindestlohn ausgedacht hat, unausgegoren und unpraktikabel. Hoffentlich ist es nur der Anfang eines psychologischen Herantastens.
A uch die Union mag sich nun nicht mehr länger der Einsicht verschließen, dass es eine gesetzliche Lohnuntergrenze braucht. Bei der Beurteilung ihrer Pläne ist allerdings Aufmerksamkeit geboten: denn Mindestlohn ist nicht gleich Mindestlohn.
Der Arbeitnehmerflügel der CDU traut sich noch am weitesten vor: Die CDA will den geplanten Mindestlohn in der Leiharbeit generell ausweiten auf andere Branchen, in denen Dumpinglöhne gezahlt werden. Der NRW-CDU geht das zu weit: Lieber sollen es wieder die Tarifparteien untereinander regeln. Das Mantra heißt: Bloß keine politisch festgelegten Lohnuntergrenzen.
Doch der Ruf nach den Tarifparteien ist ein Taschenspielertrick: Seit Jahren bröckelt die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Auch deswegen gehören so viele Menschen in Deutschland zu den working poor. Selbst die Vereinbarung in der Leiharbeit, mit der die CDA ihren Vorstoß begründet, taugt nicht für das Lob der Tarifautonomie: Die Gewerkschaften haben in der Branche nur elend niedrige Abschlüsse hinbekommen.
ist taz-Redakteurin für Soziales und Arbeitsmarkt im Ressort Inland.
Und so wird der Ruf auch in ihren Reihen immer lauter, lieber gar keine Tarifverträge mehr abzuschließen als solche. Wenn jetzt wieder die geschwächten Vertreter der Arbeitnehmer für höhere Löhne in den Ring steigen sollen, und das womöglich noch für jede einzelne Branche, ist nichts gewonnen. Die Politik muss hier als letzte Instanz für einen Ausgleich sorgen.
Man kann also nur hoffen, dass die bisherigen Konzepte der Union für das schrittweise psychologische Herantasten stehen, das die Partei braucht, um das lang gehegte Tabu vom staatlichen Mindestlohn zu entsorgen. Noch ist vieles unausgegoren und unpraktikabel. Wenn die Union allerdings nicht einsieht, dass die Politik endlich Grenzen für die Ausbeutung vorgeben muss, ist ihre Mindestlohnwende nichts anderes als eine Mogelpackung. Und die Menschen schuften weiter für Hungerlöhne.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen