Der gläserne Fahrer: kommentar von christian rath
Datenschützer haben es immer gewusst: Wo große Datenmengen entstehen, will bald auch die Polizei zugreifen. Deshalb hat das Mautsystem von Toll Collect bereits im Jahr 2002 den Big Brother Award für Datenkraken erhalten. Damals wiegelte die Politik noch ab. Selbstverständlich würden die bei Toll Collect entstehenden Bewegungsbilder der Brummifahrer ausschließlich für die Kostenabrechnung benutzt. Die pannenreiche Einführung des Mautsystems sollte nicht auch noch mit einer Datenschutz-Diskussion belastet werden.
Als im Sommer 2003 ein vorlautes Amtsgericht die Herausgabe von Toll-Collect-Daten für polizeiliche Zwecke forderte, wurde sogar extra noch das Mautgesetz geändert, damit der Datenschutz auch wirklich für alle gesichert ist. Ein Jahr später wissen wir, was von solchen Bekenntnissen zu halten ist: Sie sind nichts wert. Natürlich hat der Bundestag das Recht, Gesetze zu ändern – aber wenn datenschützerische Garantien kaum länger als zwölf Monate gelten, dann hat die Politik ein gehöriges Glaubwürdigkeitsproblem.
Mit dem Regierungswechsel allein ist das nicht zu erklären. Auch die CDU hatte das Verwendungsverbot für Mautdaten bisher akzeptiert. Dem neuen Innenminister Wolfgang Schäuble ist höchstens zugute zu halten, dass er seine Pläne äußert, bevor eine Pkw-Maut beschlossen wird. So kann die Diskussion über die Jedermann-Maut immerhin im vollen Bewusstsein der Konsequenzen geführt werden. Denn natürlich würde die Polizei auch hier bald eine Nutzung zur Aufklärung und Verhütung erheblicher Straftaten fordern.
Doch wenn erst einmal Bewegungsbilder aller Pkws möglich werden, nähern wir uns gefährlich der vom Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärten Rundumüberwachung. Ein Lkw ist ein Arbeitsgerät, der Pkw ist aber für viele Ausdruck ihrer persönlichen Freiheit. Zwar wird vermutlich niemand auch nur einen Kilometer weniger fahren, wenn die flächendeckende Verkehrsüberwachung eingeführt wird. Aber schon das allgemeine Unwohlsein über die immer mehr zunehmende und immer vorsorglichere Überwachung sollte Widerstand gegen die Einführung der Pkw-Maut wecken.
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