Kommentar Neonazi-Terror: Entschuldigung für das Staatsversagen

Je mehr Details bekannt werden, desto unfassbarer wird, warum das Terrortrio nicht viel früher aufflog. Die Entschuldigung des Innenministers ist ein erster Schritt.

Noch weiß man nicht alles über das Nazi-Trio aus Zwickau. Klar ist aber schon, das dessen beispiellose Mordserie mit einer beispiellosen Pannenserie der Ermittlungsbehörden einherging. Verfassungsschutz und Polizei haben versagt. Innenminister Hans-Peter Friedrich hat sich deshalb schon jetzt für deren Fehler entschuldigt. Zu Recht.

Je mehr Details in diesem Fall ans Licht kommen, desto unfassbarer wird, warum das Trio nicht schon viel früher aufgeflogen ist. Immer mehr deutet auf ein Netzwerk von Mitwissern hin, die es unterstützt haben. Umso mehr fragt man sich, warum die Behörden davon so gar nichts mitbekommen haben.

Bitter ist auch die Erkenntnis: Wären es radikale Islamisten gewesen, hätte man sie wohl geschnappt, denn auf diese Gefahr ist man inzwischen vorbereitet. Warum konnte oder wollte man sich nicht vorstellen, dass auch der Rechtsextremismus in den Terror führen kann? Am Ende kam eine der größten Verbrechensserien der Nachkriegsgeschichte eher zufällig ans Licht.

Bezeichnend ist, dass die Mehrheit erst jetzt dieser Mordserie gewahr wird, die sich jahrelang durchs Land zog und eine Minderheit verunsicherte. Viele Angehörige der Opfer hegten schon früher den Verdacht, hinter den feigen und heimtückischen Anschlägen, die alle nach einem ähnlichen Muster abliefen, könne auch ein und das gleiche Motiv stehen: eine rechtsextreme Gesinnung. Es hat sich bestätigt.

Das Krisentreffen der Innen- und Justizminister von Bund und Ländern am Freitag hat gezeigt, dass die Politik den Ernst der Lage erkannt hat. Einigkeit herrscht bisher aber nur darüber, dass die Kommunikation zwischen den Sicherheitsbehörden verbessert werden muss. Außerdem soll eine zentrale Datei gegen rechtsextreme Gewalttäter kommen. Offen ist, ob die für diesen Zweck auch taugt. Und offen bleibt auch, ob man wirklich weiter 17 Verfassungsschutzämter braucht, die sich offenbar gegenseitig misstrauen.

Friedrich versprach weitere "starke Signale", dass man den rechten Terror nicht verharmlose. Seine Entschuldigung war da schon mal ein erster, richtiger Schritt.

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Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

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