piwik no script img

Auf der Suche nach den Higgs-TeilchenDie Dinger, die die Welt erklären

Atomphysiker vom Cern in Genf haben "substanzielle Hinweise" auf die Existenz der Higgs-Teilchen entdeckt. Das Teilchen selbst haben sie aber noch nicht gefunden.

Die Cern-Wissenschaftler haben 300 Billionen Zusammenstöße ausgewertet. Bild: Cern

Fabiola Gianottis Stimme stockte ein wenig, als sie über das Ding spricht, das die Welt erklären könnte: Die Forscher hätten "substanzielle Hinweise" auf das Higgs-Teilchen gefunden. Sie glauben, es besitze eine Masse von etwa 125 Gigalelektronenvolt. Im Seminarraum in Genf blieb es still. Selbst als ein Kollege von einem anderen Forschungsprojekt Ähnliches verkündete, rührte sich nichts.

Den Anwesenden war klar: Wenn sich diese Ankündigung bewahrheitet, ist das die größte wissenschaftliche Entdeckung der letzten fünfzig Jahre. Damit wäre klar, wie alles im Universum entstanden ist.

Am Dienstagnachmittag lud das Europäische Kernforschungszentrum Cern zu einem Seminar ein, um die neuesten Ergebnisse aus der Suche nach dem Higgs-Teilchen zu präsentieren.

Seit einiger Zeit suchen dort Wissenschaftler fieberhaft nach dem Teilchen, das das letzte fehlende Stück einer wichtigen Theorie aus der Teilchenphysik ist. Im größten Teilchenbeschleuniger der Welt lassen sie dafür stetig Teilchen aufeinanderkrachen in der Hoffnung, so das Higgs-Teilchen zu erzeugen.

Public Viewing

Das Seminar am Cern war für Teilchenphysiker ein Event. Die letzten Tage verbrachten sie damit, Wetten abzuschließen, in welchem Massebereich das Higgs-Teilchen liegen könnte. Am Dienstagnachmittag versammelten sich wohl alle Teilchenphysiker der Welt an ihren Universitäten zu einer Art Public Viewing und starrten gebannt auf die Übertragung des Seminars in Genf.

Doch bis die entscheidenden Worte fielen, mussten sich die Forscher noch viele technische Details aus der Messung anhören: Graphen, Tabellen, Zahlen. "Ich versuche, Sie mal hier durchzuführen", scherzte der Physiker Guido Tonelli. Und sagte schließlich: Nicht nur Gianottis Gruppe, sondern auch sie würden in einem ähnlichen Bereich etwas sehen.

Zwar ist das alles noch zu wenig, um statistisch relevante Aussagen zu machen. Die Ergebnisse müssen überprüft werden, viele weitere Daten gesammelt. Die Cern-Forscher betonten das wieder und wieder.

Deutliche Hinweise

Doch es gebe deutliche Hinweise darauf, dass sie das Higgs-Teilchen nun tatsächlich im Massebereich von etwa 125 GeV aufgespürt haben. Bis man das Higgs-Teilchen endgültig als bewiesen erklären kann, wird es wohl noch mindestens ein halbes Jahr dauern.

Sollte das jedoch tatsächlich passieren, ist eines klar: Peter Higgs scheint geradezu prädestiniert für den nächsten Physik-Nobelpreis.

Der 82-jährige Higgs verfolgte mit seinen früheren Kollegen von der Universität Edinburgh ebenfalls das Seminar. "Ich bin am Leben und fühl mich gut", sagte er kurz danach im Telefongespräch mit der taz. "Ich freue mich darauf, mehr davon zu hören 2012." Das Ergebnis hätte ihn nicht gerade überrascht: Er wurde wohl schon vorgewarnt.

Wie es ihm nun geht? "Ich muss mich jetzt nicht sinnlos mit Whisky betrinken, aber auch noch keine Flasche Champagner öffnen."

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • J
    JanG

    @Holger

    Wenn man es auf die Teilchenphysik bezieht, dann ist diese Aussage absolut richtig. In den letzten 50 Jahren ist, im Vergleich zu den 50 Jahren davor, nicht ganz so viel auf diesem Gebiet passiert und das war ja letzten Endes der Grund, warum ein solch gigantisches Experiment geplant wurde.

     

    Bezieht man diesen Spruch auf die Wissenschaft im Allgemeinen, so ist das wohl etwas übertrieben: die Entdeckung von Exoplaneten oder die Entschlüsselung des Genoms sind nur zwei Beispiele aus einer langen Liste von wissenschaftlichen Entdeckungen der letzten 50 Jahre die es wert sind, als solche bezeichnet zu werden.

  • MB
    Manuel Bärenz

    Sogar als Physikstudent im siebten Semester kann ich sagen, dass "Wenn sich diese Ankündigung bewahrheitet, ist das die größte wissenschaftliche Entdeckung der letzten fünfzig Jahre." eine *maßlose* Übertreibung ist.

     

    Das Teilchen, dass die "Welt erklärt"? Was für ein Unsinn. Das Higgsteilchen ist einfach nur eins der vielen Teilchen des Standardmodells - aber eben das letzte, das noch entdeckt werden muss.

  • H
    Holger

    "Wenn sich diese Ankündigung bewahrheitet, ist das die größte wissenschaftliche Entdeckung der letzten fünfzig Jahre."

     

    Ist das so?

    Letztlich bestätigt so ein Teilchen doch nur bereits bekannte Fakten; die "Überlichtgeschwindigkeits-Neutrinos" hingegen scheinen mir da als Laien um einiges relevanter und ungleich spannender, die würden immerhin Einstein teilweise widerlegen und uns für die Zukunft einige völlig neue Möglichkeiten eröffnen.

     

    Aber sollen die Damen und Herren beim CERN eben ihre Higgs-Teilchen finden - wenn's ihnen Spaß macht. :-)