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Ermittlungen zum Zwickauer NeonazitrioNummer fünf ist gefasst

Im Zusammenhang mit dem Neonazi-Trio ist ein fünfter möglicher Unterstützer festgenommen worden. Er soll der Terrorzelle eine Waffe besorgt haben.

Immer wieder taucht die NPD im Zusammenhang mit dem Neonazitrio auf. Bild: dpa

BERLIN taz | Mit Carsten S. hat die Spezialeinheit GSG 9 am Mittwoch in Düsseldorf einen weiteren mutmaßlichen Gehilfen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) festgenommen. Damit wurden inzwischen fünf Männer verhaftet, die den Terroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im Untergrund geholfen haben sollen.

Carsten S. war früher nicht nur Teil des "Thüringer Heimatschutzes", bei dem auch die späteren NSU-Terroristen mitmischten, sondern stand im Jahr 2000 auch an der Landesspitze der JN - der Jugendorganisation der NPD. Damit verdichten sich die Verbindungen zwischen der rechtsextremen Partei und der Terrorgruppe weiter.

Zuletzt lebte der heute 31-Jährige jedoch ein völlig anderes Leben, zog nach Nordrhein-Westfalen und arbeitete seit sechs Jahren für die Aidshilfe in Düsseldorf. Dort war man am Mittwoch über die Festnahme des Mitarbeiters tief erschrocken.

Die Bundesanwaltschaft wirft Carsten S. Beihilfe zum Mord vor. Die obersten Ankläger halten ihn für dringend verdächtig, dem NSU 2001 oder 2002 eine Schusswaffe verschafft zu haben. Er soll die Waffe in Jena samt Munition gekauft und an Ralf Wohlleben weitergegeben haben, der ebenfalls aus dem "Thüringer Heimatschutz" kommt und zeitweise Vizelandeschef der NPD war.

Der bereits seit Ende November in Haft sitzende Wohlleben wiederum soll die Waffe dann über einen Mittelsmann zum Terrortrio nach Zwickau geschafft haben. Ob diese Waffe aber jemals für eine der Straftaten des NSU verwendet wurde, ist unklar; für die Morde an den neun Migranten wurde jedenfalls eine andere benutzt.

Telefonkontakt in den Untergrund

Der Name von Carsten S. taucht auch in einem Geheimbericht des Bundesamts für Verfassungsschutz auf, in dem die bisherigen Erkenntnisse aller Geheimdienste zum Terrortrio und seinem Umfeld zusammengetragen wurden. Laut dem Bericht, der der taz vorliegt, soll der ehemalige Neonazikader nach der Flucht des Trios eine zentrale Rolle gespielt haben.

So soll Carsten S. 1999 zwischenzeitlich als Einziger Telefonkontakt zu den untergetauchten Neonazis gehalten, Spendengelder zu ihnen nach Sachsen transferiert und nach einem neuen Unterschlupf für sie gesucht haben. Im Jahr 2000 hätten sich dann aber die Hinweise auf einen Ausstieg des Rechtsextremen aus der Szene gemehrt, im August 2003 sei er nach Hürth bei Köln gezogen, kurz darauf nach Düsseldorf.

Seit Tagen war über Carsten S. als weiteren möglichen Helfer des NSU in den Medien berichtet worden. Zuletzt hatte sich S. dann selbst über seinen Anwalt an die Öffentlichkeit gewandt und seine Unschuld beteuert. Er habe von den Taten der Terrorzelle nichts gewusst, schon im Jahr 2000 sei er aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen und habe ein neues Leben begonnen.

Die Bundesanwaltschaft glaubt dagegen, dass er noch bis 2003 Kontakte in rechtsradikale Kreise hatte - und zumindest "billigend in Kauf genommen" habe, dass die von ihm im Jahr 2001 oder 2002 besorgte Waffe für rechtsextreme Morde verwendet werden könnte.

In Düsseldorf arbeitete Carsten S. seit 2005 für die Aidshilfe, zuletzt in einem Projekt, das auf Partys und Events in der Schwulenszene Kondome und Gleitmittel verteilt. Er habe seine rechte Vergangenheit nicht verschwiegen und sich glaubhaft von der braunen Szene distanziert, so der Verein.

Am Mittwoch hat Carsten S. diese Vergangenheit wieder eingeholt.

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11 Kommentare

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  • M
    maoam

    Möchte mich meinen Vorrednern anschließen:

     

    Richtig. Alle sind unschuldig. Die feigen Mörder waren eigentlich Genies. Vermutlich noch mit einer besonderen Art von Intelligenz ausgestattet.

     

    Verschüsselungsgenies und Suppenkasper, die jetzt bewirkt haben, dass alle Ausländer Deutschland verlassen werden. Daher waren ihre Morde keineswegs sinnlos, nicht wahr!?!

     

    Unterstützer brauchten die keine, sie wussten schon wie man jemandem in den Kopf schiesst. ie haben sich alles selbst aufgebaut, und auch in Zwickau und Umgebung haben sie sich äußerst professionell Verhalten. Niemals wären sie in der Öffentlichkeit aufgetaucht.

     

    Unschuldig auch der Staat, der für ihr Taschengeld aufzukommen hatte, da sie ja seine Ziehkinder waren.

     

    Und unschuldig sind die Nazis nur für eines:

     

    Dass sie meistens hässlich und dumm sind, keine hübschen Frauen "abkriegen/haben" und, dass wenn sie alleine sind, nicht zugeben rechts zu sein.

  • GB
    Gottfried Bergemann

    Wirklich sehr verwunderlich, wie wenig die TAZ sich von dem stereotypen Getöns der ahnungslosen Medien zum Thema Neonazis abzuheben versteht. Die „Nummer fünf ist gefasst“, was für eine dumme Überschrift. Bis fünf zählen, das kann der Herr Wolf Schmidt, soviel ist schon mal sicher. Da bin ich doch richtig gespannt, wie das Zählwerk weiter funktionieren wird. Und die versteckte Häme in dem besonders hervorgehobenen Kommentar „In seinem neuen Leben verteilte Carsten S. Kondome in der Schwulenszene“ ist für die an sich schwulenfreundliche TAZ schon mehr als erstaunlich.

     

    Warum ist es eigentlich nicht möglich die ganze Angelegenheit mal etwas grundsätzlicher zu beleuchten:

    Da ist eine Mörderbande mit einer Vorgehensweise rund 15 Jahre zugange, gegen der die Intelligenz der RAF-Bürgersöhnchen von Baader, Raspe , Proll regelrecht dümmlich erscheint. Die zieht 15 Jahre lang mordend durch Deutschland ohne ein einziges ruhmsüchtiges Bekennerschreiben von sich zu geben. Von Anfang an auch mit dem Vorsatz, ehe sie auffliegen, sich selbst zu erschießen. Und die das dann, als es so weit ist, es auch noch wirklich machen. Erstaunlich auch ihr Fähigkeit im Umgang mit den Informationstechnologien und deren Verschlüsselungstechniken. Sicher gibt es noch eine Reihe weiterer Besonderheiten, die zumindestens einiges erklärbar machen, warum das alles solange unerkannt blieb. Das ist die Aufgabe der Medien und ganz besonders natürlich solcher mit dem Anspruch, mit der sich die TAZ abzuheben glaubt.

    Stattdessen zählt ihr die „armen Würstchen“, die nun nach der Selbsterschießung von Mundlos und Böhnhardt übrig geblieben sind. Einige davon sind ganz sicher noch unwissender als die Polizei und all die Ermittlungsbehörden, die so viel Unwissenheit erlauben.

     

    Ach ja, die Behörden. Medienwirksam rennen sie mit der GSG9 offene Türen ein, und die TAZ zählt mit. Den Behörden würde ich, in der Bredouille in der sie sich befinden, solches Verhalten sogar noch zugestehen. Irgendwie erwische ich mich schon hin und wieder, dass ich den Verfassungsschutz bedaure. So wie die notwendigerweise in ihren Denkweisen strukturiert sind, bleibt da kein Spielraum für derart außerirdisch Unerklärliches. Über diesen Horizont hinaus zu denken, ist die Aufgabe der Journaille. Die Dummheit der Nazis, Glatzen, ja selbst deren Parteigänger, indirekt auf ein neues Niveau zu heben, ist einfach zu wenig, wenn nicht selber dumm.

     

    Vielleicht ist seit dem erneuten, diesmal novemberlichen Auffliegens unseres gesellschaftlichen Sicherheitswahnes, nach der es für alles eine Erklärung, einen Schuldigen oder irgendein menschliches Versagen geben muss, mal an der Zeit etwas menschlicher über Demut, Güte, Barmherzigkeit und all den schwachen Positionen, für die sich eine Gesellschaft mit ihren freiheitlichen Grundwerten entschieden hat, nachzudenken und diese dann unbeirrbar weiterzuleben.

    Stattdessen und traurig mitzuerleben: In ihrem neuen Leben nach dem November 2011 (ElevenEleven) verteilt die Gesellschaft Weiterdenk-Kondome in der Sicherheitsszene.

  • F
    Füssig

    Schade,

    dass der Artikel seine "Antifa" Activitäten verschweigt.

    Der Weg vom Rechtsterroristen zum Linksextremisten

    ist kürzer als man denkt.

  • K
    K.O.

    glaubt irgendjemand wirklich die letzten verhaftungen gingen auf 'aktuelle' untersuchungen der polizei über ereignisse die mehr als 10 jahre zurückliegen zurück? es hat wahrscheinlich vor 10 jahren niemanden interessiert wenn sich nazis bewaffnet haben, weil die ja damit sicher nur 'spielen' wollten. deutsche polizei...

  • AF
    Autonyme Funtifa

    Außerdem:

    Wegen versuchten Mordes zu 8 Jahren verurteilt, wegen Zusammenarbeit mit dem VS-Brandenburg ab ´94 vorzeitig entlassen. Dann als V-Mann "Piato" tätig, kassierte dafür mindestens 70.000 DM.

    Um 2000 NPD-Funktionär, dann Enttarnung als V-Mann. Kurz darauf erneute Verurteilung wegen Waffenverkaufs an Uwe Mundlos.

    Quellen:

    AIB No. 93 (Winter 2011)

    http://www.inforiot.de/artikel/v-mann-affaumlre-piato-war-waffenhaumlndler

     

    Das wirklich ungeheuerliche an diesen ganzen Ereignissen ist, dass das komplette(!) NSU-Umfeld seit Mitte/Ende der 90er sowohl der Öffentlichkeit wie auch den Behörden bekannt ist, aber man hat sie einfach immer weiter machen lassen.

  • S
    schwachsinn

    Der Mensch ist schwul, hat sich vor 11 Jahren verabschiedet. Mit 19 Jahren aus der Szene. In diesem Zusammenhang muss man sich fragen, wie der VS dann aufeinmal drauf kommt der Typ hätte was mit den Morden zu tun. Schwachsinn. Totaler. Und selbst wenn er eine Waffe besorgt und weitergegeben hätte. Das ist eine Straftat, sicher. Aber mit Mord hat er dennoch nix zu tun. Soweit. Ich tipp mal auf ein Bauernopfer, auf ein Fischen im Trüben. Auf total bescheuerte Aktion!

  • R
    RockBar

    Er wurde früher mal in einem Spiegelbericht als V-Mann des Verfassungsschutzer genannt. Zudem ist der Ausstieg aus der rechten Szene 2000 mit dem Auffliegen seiner Tätigkeit für den Verfassungsschutz verbunden.

  • EH
    Erich H.

    Er soll eine Waffe besorgt haben. Damit ist er also Nr.5 und so. Dann hatte die RAF aber zigtausende Mitglieder und die GSG9 muß morgen Ströbele für seine Beteiligung festnehmen und wegen Massenmordes verurteilen. Nazis sind scheiße aber die Story stinkt. Da ist ein gewollter Unterschied zu h

    jedem anderen Mord und eine Unterscheidung zu der üblichen Rechtsprechung, daß man sich fragt ob wir noch in einen Rechtstaat haben. Jetzt soll man ihn nur noch lebenslang ohne Prozess in die Psychiatrie stecken wie Breivik. Dann haben wir wieder die DDR 2.0.

  • F
    Fenris

    Was ist eigendlich aus dem Verfassungsschutzmitarbeiter geworden der angeblich bei 5-6 Morden der Terrorzelle dabei gewesen sein soll?

    Ist die nun festgenommene Person vieleicht sogar mit diesen Mitarbeiter identisch???

  • TA
    Thomas aus dem Westen

    Wann bitte schön werden endlich die Landesämter und das Bundesamt für Verfassungsschutz wegen ihrer wohl offensichtlichen Unterstützerarbeit, für den NSU, mal endlich gründlich durchsucht.

  • G
    GanzOhr

    das stinkt alles sowas von zum himmel!