Kolumne Alles Bio?: Was ist antideutsch?

In Dresden laufen Bürger am Jahrestag der Bombardierung mit weißen Rosen herum. Purer Opferkult! Selbsttäuschung! Das muss kritisiert werden.

Dresden, Dresden, Dresden. Weil sich Nazis mit Lichterketten nun mal nicht gut vertreiben lassen, wurde auch in Dresden mit Blockaden demonstriert.

Vor 67 Jahren bombardierten Royal Air Force und United States Army Air Forces die Stadt, vom 13. bis zum 15. Februar 1945. Meine Oma war unten am Boden dabei und sagt, sie sei dadurch Pazifistin geworden.

Die Bombardierung ist ins kollektive Gedächtnis Dresdens eingegangen, und das macht die Situation dort so kompliziert. Linke beklagen einen Opferkult bei der Dresdner Bevölkerung. Nazis im Sächsischen Landtag sprechen vom "Bomben-Holocaust" - mehr Täter-Opfer-Umkehr geht nicht. Auch die Dresdner Staatsanwaltschaft scheint Blockierer besonders wenig zu mögen.

Und schon gar nicht beliebt sind die Antideutschen mit ihren Sprüchen "Keine Träne für Dresden" und "Bomber Harris do it again".

"Koksen Kotzen Grüne Jugend"

Ein paar Grünen-Freunde und ich bekamen mal anonym ein Pamphlet zugeschickt. "Koksen Kotzen Grüne Jugend" hieß es, Untertitel "eine Komödie in hoffentlich ganz wenigen Akten". Unten drunter stand "Danke an Sir Arthur Harris, der mit seinen umfangreichen Innenstadtumgestaltungsmaßnahmen in Dresden und Hamburg den Krauts endlich gegeben hat, was sie verdienen."

Uns wurde erklärt, dass Rumprollen zu "Ten German Bombers" schon ein guter erster Schritt sei, wir aber insgesamt gar nicht antideutsch sein könnten, da wir in einer deutschen Partei aktiv seien und überhaupt im Arsch der Institution. Wir würden die "schöne" Kritik in "einem unerträglichen Maß verwässern".

Ich nahm auch mal an einer Aktion der Grünalternativen Jugend Wien teil - anlässlich der Bombardierung Wiens. Wir flogen deswegen mit Einkaufswagen, die zu Bombern umgebaut waren, umher und warfen am Stephansdom Flugblätter der Aliierten ab. "Denk bei jeder Bombe dran, diesen Krieg fing Hitler an."

Es geht also um Kritik. Es geht um Erinnerung und um Kritik an einer Täter-Opfer-Umkehr. Und weil es so schwierig ist, gegen Geschichtsfälschung und Selbsttäuschung anzugehen, haut man eben etwas härter rauf.

"Dann zieht doch woandershin"

Versteht natürlich keiner. Sogar Ökos sagen: "Wenn es euch in Deutschland nicht gefällt, zieht doch woandershin."

Die verstehen nicht, dass man Kritik an "Deutschland" üben und den deutschen Pass dennoch mögen kann. Verfassungsschutz und Innenminister sind meist ratlos, was Antideutsche betrifft. Die seien linksradikal, aber anders als die anderen Kommunisten.

In den 90ern gab es diese Spaltung in der Linken. Letztens sagte ein Freund: "Antideutsch gibt's, weil Leute keinen Bock auf 'Kauft nicht beim Juden' haben. Seit 33." Damit sind Sprüche wie "Boykottiert Israel" gemeint, die auch in der politischen Linken verbreitet sind. Es geht gegen Regression, Antisemitismus – und gegen Geschichtsfälschung.

In Dresden wurden auch dieses Jahr zum Gedenken weiße Rosen abgelegt. Wie seit Jahren. Und da soll noch einer sagen, das Maß der Geschichtsfälschung sei nicht bodenlos.

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