Kritik am Schlosspark Theater: "Klischees raus aus Köpfen"

Das Berliner Schlosspark Theater schminkt Schauspieler schwarz. Die Leiterin der Landesstelle für Gleichbehandlung hat sich mit einem Brief an das Theater gewandt.

Weglächeln bringt nichts: Dieter Hallervorden und ein Plakat des Schlosspark Theaters. Bild: dpa

taz: Frau Ünsal, das Steglitzer Schlosspark Theater geriet Anfang des Jahres in die Kritik, weil es die Figur eines Afroamerikaners mit einem schwarz geschminkten weißen Schauspieler besetzt. Jetzt haben Sie der Theaterleitung einen kritischen Brief geschrieben. Was genau werfen Sie ihr vor?

Eren Ünsal: Wir werfen dem Schlosspark Theater nichts vor. Es liegt uns fern, mit dem Finger auf eine Institution zu verweisen und zu sagen: Ihr seid die Bösen. Aber auf der einen Seite gibt es Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, die sich durch die Art der Darstellung eines Schauspielers diskriminiert oder verletzt fühlen. Auf die müssen wir natürlich reagieren, das ist unsere Aufgabe. Auf der anderen Seite gibt es die Aussage eines Theater-Mitarbeiters, dass kaum einem Ensemble schwarze SchauspielerInnen angehörten, weil es zu wenig Rollen für sie gebe. Es geht darum zu klären, was genau damit gemeint ist und wie es mit der Einstellungspraxis aussieht.

Inwiefern?

Wenn das die gängige Einstellungspraxis ist, liegt es nahe, Diskriminierung zu vermuten. Das würde bedeuten, dass schwarze Schauspielerinnen und Schauspieler chancenlos sind. Mit diesen Themen haben wir uns an das Theater gewandt und die Bitte geäußert, mit uns ins Gespräch zu kommen.

Wie hat das Theater reagiert?

43, ist Sozialwissenschaftlerin und leitet seit vier Jahren die Landesstelle für Gleichbehandlung - gegen Diskriminierung. Zuvor war sie zehn Jahre Sprecherin des Türkischen Bundes.

Hintergrund:

Als im Januar das Stück "Ich bin nicht Rappaport" am Steglitzer Schlosspark Theater Premiere feierte, hagelte es Proteste im Internet. Der Schauspieler Joachim Bliese verkörpert mit viel schwarzer Schminke einen Afroamerikaner. Das Theater rechtfertigte sich damit, es habe keinen schwarzen Schauspieler gefunden. Da es kaum Rollen für Schwarze gebe, folge man nur einer langen Tradition, wenn man weiße Schauspieler als Schwarze besetze.

Beschwerden bei der Antidiskriminierungsstelle folgten. Zur Klärung der Vorwürfe hat nun deren Leiterin Eren Ünsal das Schlosspark Theater angeschrieben.

Schon im Dezember kam es am Deutschen Theater zu einem ähnlichen Konflikt: Der Autor des Stücks "Clybourne Park" wehrte sich gegen die vermeintliche Tradition und ließ die Premiere absagen. Und am vergangenen Sonntag inszenierte Michael Thalheimer das Stück "Unschuld" ebenfalls mit einem schwarz geschminkten Schauspieler. Daraufhin verließen über 40 ZuschauerInnen aus Protest das Theater.

Bis jetzt haben wir keine Antwort bekommen.

Der Theatersprecher Harald Lachnit hat gegenüber der Presse gesagt, Ihre Behörde lasse sich "von Leuten einspannen".

Zu dieser Aussage möchte ich gar nichts sagen. Es gibt die Landes-Antidiskriminierungsstelle, damit Menschen, die sich diskriminiert fühlen, eine Möglichkeit haben, Unterstützung zu bekommen. Und auch um überprüfen zu können, ob ein diskriminierendes Verhalten vorliegt.

Die Diskriminierung von Schwarzen an deutschen Bühnen ist nicht neu. Werden Sie sich nun grundsätzlich mit dem Thema beschäftigen?

Ja. Das ist das Positive daran, dass das Thema mediales Interesse auf sich gezogen hat. Denn es zeigt auch, dass das Problem bedeutend größer ist. Wir müssen Strategien entwickeln, um die Benachteiligungen von Personengruppen im Kulturbereich zu verhindern. Dazu müssen wir die Darstellungsformen hinterfragen. Warum kann ein schwarzer Mensch nicht jede Rolle spielen? Warum kann ein Mensch mit Behinderung nicht jede Rolle spielen?

Haben Sie denn Strategien, die über den Dialog hinausgehen?

Es hat sich ja schon viel getan. Es gibt jetzt schon zunehmend Beispiele für nicht klischeegetreue Besetzungen. Leider sind das noch Ausnahmen. Wir müssen die Strukturen verändern und die Bilder und Klischees in den Köpfen der Menschen. Außerdem gibt es gesetzliche Grundlagen auf Landes- und Bundesebene, die Menschen vor Diskriminierung schützen können, wie das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Die müssen wir nutzen, wenn uns der Dialog nicht mehr weiterbringt.

Der Senat betreibt auch finanzielle Förderung. Lässt sich darüber nicht etwas in den Köpfen der Kulturschaffenden verändern?

Das kann sehr gut sein. Kulturförderung ist nicht mein Gebiet. Es gibt aber eine sehr starke Sensibilisierung bei den KollegInnen, und wir sind da in einem sehr aktiven Austausch. Im Übrigen denke ich, dass der Senat bundesweit eine VorreiterInnenrolle einnimmt, was Antidiskriminierungspolitik betrifft. Er setzt den Landesaktionsplan gegen Rassismus und ethnische Diskriminierung um, er ist verantwortlich für das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. Nicht zuletzt ist Berlin Mitglied der Städtekoalition gegen Rassismus und Diskriminierung und der Charta der Vielfalt, um nur einige wenige Strategien zu nennen.

Denken Sie, dass die Arbeit der Landesstelle etwas in der Gesellschaft verändern kann?

Definitiv! Die Förderung einer Kultur der Wertschätzung, der Vielfalt ist aber ein sehr langer Weg. Man kann nicht erwarten, dass man in den viereinhalb Jahren, die es diese Landesstelle erst gibt, nachhaltige Einstellungsänderungen bewirken kann. Aber ich glaube, wir haben in Berlin schon sehr viel geschafft. Etwa in Bezug auf Gendergerechtigkeit oder das Thema Schwule und Lesben, da hat sich unglaublich viel getan. Aber insgesamt ist das ein langfristiger Prozess.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.