Islamismus im Internet: Harry M. ist im Dschihad

Ihm wird vorgeworfen, für terroristische Vereinigungen geworben zu haben. In Schleswig hat ein Prozess gegen einen 20-Jährigen, begonnen.

Der so genannte Terror-Prozess in Schleswig: Durchsuchung vor der Gerichtsverhandlung. Bild: dpa

SCHLESWIG taz | Er ist gerade 20 geworden: "Da kann man gratulieren und Glück auf dem weiteren Lebensweg wünschen", sagt Richter Michael Lautebach. Harry M.s bisheriger Lebensweg führte ihn vor das Schleswiger Oberlandesgericht.

M. wirkt klein neben den Polizisten, die ihn in Handschellen hineinbringen, ein schmaler Junge mit einem fisseligen Bartstreifen und einer Andeutung von Geheimratsecken. Er trägt einen langen weißen Kittel über einer Stoffhose. M., geboren in Pinneberg, zuletzt in Neumünster zu Hause, ist im Dschihad.

"Islamic Hacker Union" hieß die Internetseite, die M. betrieb. Dort, so wirft der Generalbundesanwalt ihm vor, soll er Videos und Texte veröffentlicht haben, mit denen Terror verherrlicht und für den Kampf gegen "Ungläubige" geworben wird. Die Filme stammten von den Terrorgruppen "Islamische Bewegung Usbekistan" und "Islamischer Staat Irak", trug Oberstaatsanwalt Christian Monka vor. Sie zeigen Hinrichtungen, Genickschüsse.

In einem Film sterben 20 Angestellte der irakischen Regierung. "Kuffar fallen um wie Domino", soll Harry M. das Video überschrieben und kommentiert haben: "Es ist gut zu sehen, wie der Islam voranrückt." Damit sei die Grenze überschritten, sagt Monka in einer Prozesspause: "Wenn jemand durch Kommentare solche Ideen zu seinen macht."

Die Gefahr islamistischer Websites sei hoch, das zeige unter anderem der Anschlag auf US-Soldaten auf dem Frankfurter Flughafen - eine Tat, die M. ausdrücklich "sehr gut" findet. Zwar gelte generell, dass es vor einem Anschlag in Deutschland einen "Auftrag aus Afghanistan" geben müsse, aber gegen Amerikaner und Israelis haben "die Taliban den offenen Kampf ausgerufen", erklärte M. "Er ist ein junger Mann in einer Entwicklung, die noch nicht abgeschlossen ist", sagt M.s Anwalt Andreas Preuß. "Es gibt sicher Defizite."

"Probleme" ist das Wort, das M. am häufigsten braucht, wenn er sein Leben schildert: Probleme in der Schule, mit den Lebenspartnern seiner Mutter. Es klingt, als habe er all das schon oft erzählt, Sozialpädagogen, Betreuungslehrern, Leuten für Jungs mit Problemen. Fast wäre er zur Förderschule gekommen, landete doch in der Gesamtschule, war nicht konzentriert oder schlief im Unterricht. "In Informatik hatte ich ne Eins", sagt er. Neben dem Computer gab es jede Menge Alkohol, dazu Hasch, Ecstasy und Kokain. Seine Mutter warf ihn das erste Mal mit 14 raus, die Schule verließ er nach der neunten Klasse ohne Abschluss.

Zum Islam kam M. 2009 durch den Lebensgefährten seiner älteren Schwester, der aus Jordanien stammt. M. war "fasziniert" von der Gemeinschaft, der Brüderlichkeit, den klaren Regeln. Auf einmal war er drin: Traf den radikalen Prediger Pierre Vogel, überlegte, nach Afghanistan zu gehen. Ob er nie Bedenken gehabt habe, Hartz-IV-Geld vom Staat anzunehmen, fragte Richter Lautebach. Nein, meinte M.: "Man soll Geld von den Kuffar nehmen, um sie pleite zu machen." Später wolle er raus aus Deutschland. Ob das Ziel immer noch bewaffneter Kampf sei, "möchte ich für mich behalten".

M. drohen bis zu fünf Jahre Haft. Sein Anwalt meint, er wisse das. Ob es ihm ganz klar sei, bezweifelte er.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.