Genossen machen die taz: Bismarck und Schwarzstorchpärchen

Für einen Tag übernehmen Genossinnen und Genossen die Redaktion. Aus der tageszeitung machen sie die „gutezeitung“. Das Making-of.

Jürgen Banse, Arzt aus Bremen, hatte auch noch Geburtstag. Da gab es Szenenapplaus von der Chefredakteurin. Bild: Wolfgang Borrs

BERLIN taz | Für die RedakteurInnen der taz bleibt diesmal nur die zweite Reihe. Ihre Plätze im Konferenzsaal besetzen 33 Genossinnen und Genossen. Auch ein Kameramann von der Nachrichtenagentur dapd und ein Reporter vom Deutschlandradio sind gekommen und beobachten das Geschehen. Die sonst stillen EigentümerInnen der taz ergreifen das Wort und gestalten eine Druckausgabe. Das kommt nicht alle Tage vor.

„Ich war schon bei der taz, da gab es sie noch gar nicht“, erzählt Gert Behrens, sichtlich stolz. „Das ist schon eine Weile her.“ Mit seinen 74 Jahren ist Behrens, der die taz schon in den Anfangsjahren als Steuerberater unterstützte, der Älteste in der Runde. „Es ist schön, mal wieder dabei zu sein.“ Etwas ganz Besonderes ist es auch für Christiane Martin. „Die Sonderausgabe wird mein Geburtstagsgeschenk, am Sonnabend werde ich 45.“

Auf der ersten Redaktionskonferenz am Donnerstagabend geht es gleich in die Vollen. Vor allem die GenossInnen vom Inlandsressort sorgen für lebhafte Diskussionen. Für die Sonderausgabe zum guten Leben haben sie sich in den Kopf gesetzt, über Pflege zu schreiben. „Ich wehre mich dagegen, dass dieses Thema jetzt zu uns rüberschwappt“, ruft ein Genosse aus der Schwerpunktredaktion. „Außerdem bin ich von diesem Pflegethema grundsätzlich noch nicht so überzeugt.“

Passt das überhaupt, wenn es um das „gute Leben“ geht? Letztlich sind sich aber doch alle einig, dass es wichtig ist, das Alter nicht immer nur in negative Zusammenhänge zu stellen. „Wir brauchen Bilder von alten Leuten auf Demos!“, ruft Dieter Metk dazwischen. Der Genosse aus dem Wendland kennt da so einige Beispiele. Die Diskussionen ziehen sich, Handys klingeln. Zweifelnd blicken einige in die Runde. Wie soll aus diesen ungeordneten Ideen und Wünschen eine druckreife Zeitung werden?

Gruppenfoto mit Papierhut

Freitag, 8.45 Uhr. Ein bisschen sehen sie aus wie eine gealterte Schulklasse, die GenossInnen, die sich für das Gruppenfoto aufgestellt haben. Einer hat sich aus einer taz einen Hut gebastelt und grinst in die Kamera. Als die morgendliche Redaktionskonferenz losgeht, wird es ernst.

Beim Thema Pflege gibt sich Genosse Axel Dosch aus dem Schwerpunktressort aber versöhnlich: „Wir machen dem Inland ein Friedensangebot und gehen mit dem Pflegethema erst mal mit.“ Lachen in der Runde. Das Inland erwidert: „Das Friedensangebot nehmen wir an.“

Der Reihe nach stellen die Ressorts ihre Themenvorschläge vor. Das bedingungslose Grundeinkommen wird diskutiert, Bismarcks Sozialpolitik hinterfragt, auch ob die Kontroverse um das Schwarzstorchpärchen im hessischen Hünfelden ins Blatt kommt, ist noch nicht geklärt. „Wir müssen jetzt Schluss machen“, ruft Ines Pohl, an normalen Tagen taz-Chefredakteurin, in die Runde. „Viel Spaß, Kollegen. Haut rein!“

„Vielleicht verlauf ich mich auch“

In der Medien- und Gesellschaftsredaktion geht es gleich los. „Ich muss mich sofort auf den Weg machen“, meint Christiane Martin. Sie will zu den Prinzessinnengärten, unweit des taz-Hauses. Es gilt, die These eines Buchautors zu überprüfen, Gärtnerei sei per se politisch. „Es ist schon fast elf, dann bin ich frühestens um zwölf wieder hier. Vielleicht verlauf ich mich noch.“

Wer Zeitung macht, darf auch essen: Gemeinsam am Mittagsbuffet. Bild: Wolfgang Borrs

Zwei Stockwerke tiefer brütet Gert Behrens über seinem Artikel. „Ich muss von 250 auf 140 Zeilen kürzen. Das ist schon ziemlich schmerzhaft.“ Zumindest online werde aber die umfangreichere Version zu lesen sein, tröstet er sich. Hat er Zeitdruck? „Nö, ich habe den Text ja schon im Vorfeld geschrieben, unsere Redakteurin hat gut mit uns vorgearbeitet.“

Anders Beate Holthusen: Die Genossin weiß nicht, wo ihr der Kopf steht. Sie sitzt in der Auslandsredaktion, ihr Kommentar noch lange nicht fertig. Nun soll sie noch einen kleinen Text für das Inland schreiben – auf Plattdeutsch auch noch. „Und dann kommt ständig jemand vorbei und will was von einem. So eine Hektik!“

Mittagessen fällt aus

Am Nachmittag kehrt Christiane Martin erschöpft in die taz zurück. „Hat alles geklappt, ich hab mit den Leuten gesprochen.“ Sie setzt sich an den Computer, schweigt, tippt. Das Mittagessen fällt aus.

Bleibt noch die Frage nach der Titelseite. Für die Jubiläumsausgabe wollen die Genossinnen und Genossen den Namen der taz ändern. „Wir haben die Idee“, beginnt Roland Lübbertsmeier, „das taz-Logo auf der Titelseite passend zum Thema der Ausgabe in ’taz – die gutezeitung‘ abzuändern. Geht das?“

Layouter Jörg Kohn rümpft die Nase. „Na ja, das ist ja ein Logo, die Schrift haben wir überhaupt nicht.“ Alle Buchstaben von „gute“ seien aber doch bereits in dem Logo enthalten, wirft ein taz-Redakteur ein. Das könne man doch irgendwie zusammenbasteln. „Na gut, ich guck mal“. Der Layouter nimmt seine Kaffeetasse und läuft davon. „Er macht's.“ Der gutenzeitung steht nichts mehr im Weg.

Die taz-Sonderausgabe „Genossen-taz“ erscheint am Samstag, 14. April – erhältlich an Ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de.

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