Wahlkampf in Frankreich: Hoffen auf die „schweigenden“ Wähler

Sarkozy und Hollande mobilisieren zehntausende Anhänger in Paris. Der Präsident revidiert angesichts schlechter Umfragewerte seine Europapolitik.

Selbst die Plakate von Hollande (l.) sind besser in Form als die von Sarkozy. Bild: reuters

PARIS taz | Die schweißnassen Läufer des Pariser Marathons waren am Sonntagmittag bereits mit einer thermischen Alu-Schutzhülle über ihren Sport-Outfits auf dem Heimweg, als die Anhänger eines anderen Wettkampfs sich auf den Weg machten. Gleich nach dem alljährlichen Marathonlauf nämlich lieferten sich Nicolas Sarkozy und François Hollande ein Rededuell auf Distanz.

Ziel des politischen Kräftemessens schien es zu sein, mehr Leute zusammenzutrommeln als der Gegner. In quantitativer Hinsicht endete dieser Wettstreit zwischen dem bisherigen konservativen Staatschef und dem sozialistischen Herausforderer in etwa mit einem Unentschieden. Beide Seite behaupten, sie hätten je 100.000 Leute auf der Place de la Concorde (für Sarkozy) und auf der Esplanade vor dem Schloss Vincennes (für Hollande) zusammengebracht, wahrscheinlich waren es je die Hälfte.

Auch die Präsidentschaftskampagne ist ein Langstreckenrennen, die Konkurrenten bereits sind bereits vor dem Etappenziel des ersten Wahlgangs am 22. April sichtlich ausgelaugt. Hollandes Stimme ist heiser von den vielen Wahlreden, während Sarkozys Gesichtszüge tiefer als sonst von Sorgenfalten gezeichnet sind. Das könnte an den letzten Umfragen liegen: Sein Gegner hat ihn in den Prognosen für den ersten Durchgang wieder überrundet und den Abstand seines vorausgesagten Siegs in der Stichwahl am 6. Mai noch vergrößert.

Im Schlosspark von Vincennes am östlichen Stadtrand war darum die Stimmung voller Vorfreude. Die Besucher des Hollande-Treffens werden gleich beim Ausgang der Metro von einer kleinen Blasmusikkapelle auf Optimismus getrimmt. Die Leute lächeln sich zu, die vor dem Schloss rasch wachsende und multikulturell bunte Menge verbreitet Zuversicht. Von der Bühne verwandelt die Zouk-Band „Kassav'“ mit ihren Rhythmen aus den Antillen das Warten auf den Hauptredner zur Tanzparty. Hollande musste seine Anhänger bitten, die Veranstaltung nicht etwa mit einer verfrühten Siegesfeier zu verwechseln.

Beide sprechen an die schweigenden Wähler

Ein paar Kilometer entfernt, im Zentrum auf der Concorde, war die Stimmung ernster. Sarkozys Fans wollen die Hoffnung nicht aufgeben, auch wenn manche von ihnen bereits an Opposition nach dem möglichen Sieg der Linken denken, oder Chaos und Sintflut verheißen, falls es den wirklich so weit kommen sollte. Der Präsident möchte dagegen unbeirrt von den Umfragen an seine Wiederwahlchance glauben.

In der Erwartung, dass da noch Reserven existieren müssen, die er nicht ausgeschöpft hat, appellierte er in seiner Rede an das „schweigende Frankreich“. Er stellt sich dieses vor als „Frankreich, das nicht protestiert, das nichts kaputt schlägt und es satt hat, dass man in seinem Namen von Ideen redet, das es nicht teilt“. Hollande antwortete in Vincennes, er wolle die „aktive und kühne Volksmehrheit“ verkörpern, die sich nicht länger zum Schweigen bringen wolle.

Wie fast bei jedem seiner Auftritte wartete Sarkozy auch dieses Mal wieder mit einem neuen Vorschlag auf: Familien, die nach einem Schicksalsschlag mit Schulden nicht zu Rande kommen, sollen Privatbankrott erklären können. Vor dem Wochenende hatte er in Korsika eine Milliarde Euro Investitionen versprochen – im Fall seiner Wahl. Auch in seiner Europa-Politik hat Sarkozy plötzlich seine Meinung geändert: Auch er will jetzt, dass die EU das Wachstum aktiv fördert und dass dieses von der Europäischen Zentralbank (EZB) unterstützt werden müsse.

Damit kopiert er Teile aus dem Programm seines Gegners Hollande, die er kurz zuvor noch als unrealistisch und im Widerspruch zu einer guten Zusammenarbeit mit Deutschland verurteilt hatte. Zu solchen Improvisationen meinte Hollande ironisch, er sei kein „Wundertüten-Kandidat“, der ständig neue Dinge versprechen müsse. Viele Wahlberechtigte bleiben generell skeptisch hinsichtlich der Auswahl und der Aussichten, die sich ihnen bietet. Den Kandidaten bleibt nun eine knappe Woche, um sie zu überzeugen und zu motivieren.

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