Ökonom über die Deutsche Bank: „Autonome Forschung nicht möglich“
Die Deutsche Bank schafft ihre unabhängigen Forschungsabteilung ab. Deshalb droht der Verlust wirtschaftspolitischen Einflusses, fürchtet der ehemalige Chefvolkswirt Norbert Walter.
taz: Herr Walter, was halten Sie von der Zusammenlegung der bisher weitgehend unabhängigen Abteilung DB Research mit dem für Kundenberatung zuständigen Market Research?
Norbert Walter: Das ist falsch und bedauerlich. Ich fürchte, dass dadurch die autonome Forschung, wie sie seit 20 Jahren gemacht wurde, nicht mehr möglich ist, sondern nur noch Themen mit engem Bezug zu Finanztransaktionen relevant sind.
Warum braucht eine Bank überhaupt unabhängige Forschung?
Sie muss fundiert über gesellschaftliche Themen, die unabhängig von den Geschäftsinteressen stehen, kommunizieren können. Außerdem bekommt eine große Bank durch Unabhängigkeit der Forschung das Vertrauen der Kunden. Ein dritter Grund ist, dass eine Bank durch marktunabhängige Analysen Einfluss auf Debatten auf politischer Ebene hat. Dieser Einfluss gerät nun in Gefahr.
Um welche Forschungsthemen geht es dabei?
Als ich DB Research geleitet habe, gab es viele Themen, die nicht im direkten Geschäftsinteresse lagen. Das war Ende der 80er Jahre die demografische Entwicklung in den alten Industrieländern, etwas später dann etwa Umweltschutz und Ressourcenknappheit.
Wenn damals nur die für den Markt Verantwortlichen entschieden hätten, wäre zu diesen Themen nicht geforscht worden. Heute geht es um Themen wie Social Media. Die Frage ist, ob dazu noch geforscht wird. Wenn man sehr vertriebsnah forscht, dann befürchte ich, dass dies nur noch zu Themen geschieht, zu denen es bereits Geschäftsideen gibt.
Was sind die Gründe für die Zusammenlegung der beiden Abteilungen?
67, war von 1990 bis zu seinem Ausscheiden aus der Deutschen Bank 2009 Chefvolkswirt des Kreditinstituts. Seit 1992 leitete er zudem die Forschungsabteilung DB Research, die in Zukunft durch eine Zusammenlegung mit der Abteilung Markets Research ihre Unabhängigkeit verlieren soll.
Ich war davon überrascht. Die Zusammenlegung passt eher zu einer Prägung durch den neuen Kovorstandsvorsitzenden Anshu Jain und einer sehr marktnahen Forschung, wie sie in den angelsächsischen Investmentbanken typisch ist. Dort gibt es seit 20 Jahren keine unabhängige Forschung mehr, sondern nur noch Vertriebsunterstützung.
Ist die Umstrukturierung ein Indiz dafür, dass künftig alles dem Verkauf der Produkte, sprich dem Profit untergeordnet wird?
Das ist eine plausible Schlussfolgerung, aber hoffen wir mal, dass es nicht so kommt. Es muss schließlich jemanden in der Bank geben, der mit der Kanzlerin, der Bundesbank und mit der Europäischen Zentralbank spricht. Da muss man auch Themen, die nicht nur marktbezogen sind, aufarbeiten.
Wenn die Deutsche Bank ihre Rolle in der Gestaltung der deutschen Wirtschaftspolitik beibehalten möchte, dann muss die neue Leitung verstehen, dass es Aufgaben gibt, die jenseits der Finanztransaktionen liegen, also nicht im Fokus einer typischen amerikanischen Investmentbank stehen.
Apropos: Setzt das neue Führungsduo nun hauptsächlich auf das Investmentbanking als Standbein der DB?
Das mag auf Anshu Jain zutreffen, nicht aber auf seinen Mitvorsitzenden Jürgen Fitschen. Da einige annehmen, dass Jain die Leitung dominieren wird, ist die Vermutung, dass das Investmentbanking im Vordergrund stehen wird, naheliegend. Aber Entwicklungen wie die Akquisition der Postbank deuten nicht in diese Richtung. Im Moment kann man also nur spekulieren, wie sich die Deutsche Bank ausrichten wird
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