piwik no script img

"FAS" nennt Nazi-Autor nichtBuch ohne Autor

Wie eine Zeitung einen Nazi-Autor verschwinden ließ: Die „FAS“ hat ausführlich aus einem Buch eines NS-Mannes zitiert, ohne ihn zu erwähnen.

Anlass des Textes von "FAS"-Redakteur Philip Eppelsheim war der 75. Jahrestag des Absturzes des Luftschiffs Hindenburg. Bild: dpa

Die Juroren des Medienpreises LeadAwards haben die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) gerade als „Zeitung des Jahres“ ausgezeichnet, und dafür hatten sie bestimmt viele gute Gründe. Dass es zumindest einen Grund gäbe, das Blatt beim nächsten Mal nicht zu prämieren, legt ein Artikel nahe, der heute in der Juli-Ausgabe des Monatsmagazins konkret erscheint*.

Der Heidelberger Wissenschaftshistoriker Philipp Osten beschäftigt sich darin mit einem Beitrag, der vor einigen Wochen in der FAS erschien und sich ausgiebig bei dem Buch „Kabinenjunge Werner Franz“ bedient. Das hatte 1938 der nationalsozialistische Schreibtischtäter Walter Freiherr von Medem verfasst.

Anlass des Textes von FAS-Redakteur Philip Eppelsheim war der 75. Jahrestag des Absturzes des Luftschiffs Hindenburg, im Mittelpunkt stand Buchprotagonist Franz, das einzige noch lebende Besatzungsmitglied. Von Medem, lange Chefredakteur des Hetzblatts Der Tag und laut konkret in „vielfältige Aktivitäten“ für das NS-Propagandaministerium involviert, hatte den heute 89 Jahre alten „Kabinenjungen“ als 14-Jährigen getroffen.

Drei Jahre nach Erscheinen des Buchs machte ihn der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg zum „Gebietskommissar“ im lettischen Jelgawa. Der Freiherr habe dort die Deportation von Juden organisiert und für Euthanasiemorde geworben, schreibt Osten.

Eppelsheim erwähnt in seinem Artikel zwar den Titel des Medem-Buchs, aber nicht den Autorennamen. Das ist eher unüblich. Wer die Regel bricht, sollte es nicht tun, wenn er ein Buch geradezu ausweidet. In der ersten Spalte seines Textes zitiert Eppelsheim mehr als 30 Zeilen en bloc. Osten kommt nach einem Vergleich zwischen Artikel und Buch zu dem Ergebnis, dass der FAS-Mann mehr als 80 Zeilen aus dem „Kabinenjungen“ übernommen hat. Der konkret-Autor moniert zudem, das Cover sei in der FAS so abgebildet worden, dass ausgerechnet der verfängliche Name von Medem nicht zu sehen ist.

In einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage der taz verweist der FAS-Redakteur darauf, seine Zeitung habe mit einem Leserbrief Ostens auf von Medems „Rolle im Dritten Reich hingewiesen. Diese Information wäre auch in meinem Beitrag erwähnenswert gewesen und hätte, wie ich jetzt sehe, ein Fehlverständnis vermieden.“ Er habe „die Zeppelin-Begeisterung eines 14 Jahre alten Jungen schildern“ wollen. Unter dem erwähnten Leserbrief fehlt allerdings eine entsprechende Anmerkung. Zur Coverbeschneidung äußerte sich Eppelsheim nicht.

Über das überlebende Besatzungsmitglied zu schreiben, ist gewiss legitim. Die werktägliche FAZ hat das vor zwölf Jahren getan, und Werner Franz hat auch sonst „seine Geschichte schon oft erzählt“, wie die Saarbrücker Zeitung im November bemerkte, als sie ihn porträtierte. Ob sich die Zeppelin-Begeisterung überhaupt von der NS-Ideologie trennen lässt, ist aber noch mal eine ganz andere Frage.

■ Der Autor schreibt gelegentlich auch für und ist in der aktuellen Ausgabe mit einem Text zu einem anderen Thema vertreten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • K
    klaus

    Die Verbindung ist doch auch gar nicht notwendig um die Vorurteile in der TAZ Redaktion zu kultivieren

  • MR
    Max Rapp

    Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, welche mögliche Verbindung sie zwischen der "Zeppelinbegeisterung" und der NS-Ideologie sehen. Die Zeppelinära und die mit ihr einhergehende Begeisterung für diese Technik begann schließlich schon lange vor der NS-Zeit. Die Nazis haben die Zeppeline natürlich propagandistisch genutzt. Aber gerade sie haben doch den Flugzeugbau von Anfang an bevorzugt, eben weil Luftschiffe sich im ersten Weltkrieg als völlig kriegsuntauglich herausgestellt hatten. Nach der Hindenburgkatastrophe und dem Kriegsbeginn wurden auf Anweisung Görings die verbleibenden Luftschiffe inklusive der im Bau befindlichen Graf Zeppelin II verschrottet, da nicht kriegswichtig.

    Damit haben die Nazis dieser friedlichen Technik den Todesstoß versetzt, eben weil sie NICHT in ihre aggressive, menschenfeindliche Ideologie passte!