Widerstand gegen Nazis: Anschlag vor Aufmarsch
Am Samstag wollen Neonazis wieder durch Bad Nenndorf marschieren. Auf das Haus einer Gegenaktivistin wurde ein Anschlag verübt - nicht zum ersten Mal.
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BAD NENNDORF taz | Die Aktion war nicht bloß symbolisch. Einen mehrere Kilo schweren Stein warfen Unbekannte am Montag durch das Schlafzimmerfenster der Zweiten Vorsitzenden des Bündnisses „Bad Nenndorf ist bunt“. Vier Wochen zuvor war die Tür ihres Hauses mit Hakenkreuzen, Runen und „88“ besprüht worden. Dass hinter dem neuerlichen Anschlag Rechtsextreme stecken dürften, glaubt nicht nur die Betroffene selbst.
Seit einigen Wochen bereitet sich das Bündnis auf den „Trauermarsch“ vor, den die rechte Szene am Samstag in dem niedersächsischen Kurort abhalten will. „Für uns ist vollkommen klar, dass eine engagierte Antifaschistin eingeschüchtert werden soll“, sagt Jürgen Uebel, Vorsitzender des Bündnisses. Einen politischen Tathintergrund will auch Gerhard Böttcher vom örtlichen Polizeikommissariat nicht ausschließen. Konkrete Hinweise hätten die Ermittler aber noch nicht.
Die zeitliche Nähe von Aufmarsch und Anschlag ist für Übel ein Indiz für den Täterkreis. Auch vor vier Wochen waren neben der erwähnten Haustür auch das Nenndorfer Jugendzentrum sowie ein Gedenkstein zur Erinnerung an die nationalsozialistische Judenverfolgung jüdischer Menschen mit Nazi-Zeichen beschmiert worden. Ein weiteres Indiz nennt Uebel, dass in einer Mail an das Bündnis ein neonazistisches Netzwerk „Westfalen Nord“ ankündigte: „Lieber Jürgen, wertes Versagerbündnis (…) wir haben noch jede Menge Energie und Ideen“.
Vom Bahnhof aus wollen am Samstagmittag die Neonazis zum „Wincklerbad“ marschieren. Eine der angekündigten Rednerinnen legt die Tendenz nahe: Es ist die Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel. Zum inzwischen siebten Mal wollen die Neonazis ausschließlich deutscher Opfer angeblichen alliierten Terrors gedenken: In dem Bad kam es auch zu Misshandlungen von Gefangenen. Sobald das bekannt wurde, schlossen die Briten das „Verhörzentrum“.
Am Abend will die rechte Szene obendrein in Hannover aufmarschieren. Diesen Umzug, angemeldet von Kameradschaftsgröße Dieter Riefling, verbot am Dienstag erstmal die dortige Versammlungsbehörde. Stattdessen soll „eine stationäre Kundgebung im Bereich des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) stattfinden“. Schon im vergangenen Jahr waren die Neonazis zunächst in Braunschweig und später am selben Tag in Peine aufgelaufen – wobei sie in Braunschweig nur eine Kundgebung durchführen konnten.
Grund für die erneute Doppelanmeldung der Rechten ist laut Steffen Holz, Regionalsekretär des DGB, der sich abzuzeichnende Protest: „Sie merken, dass in Bad Nenndorf die Luft für sie dünn wird.“ Holz selbst hat eine Gegendemonstration angemeldet. Insgesamt zehn Aktionen gegen rechts sind geplant. Die Rechtslage ist teils unklar. Keine Schwierigkeiten zu erwarten hätten diverse Partys auf Grundstücken an der Straße zum Wincklerbad, sagt Uebel: Privates Feiern lasse sich nicht verbieten.
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