Streit der Woche: „Den Euro nicht kaputtreden“
Nationale Währungen helfen nicht in der Finanzkrise, glaubt Katja Kipping von den „Linken“. Dieter Hildebrandt zuckt mit den Schultern – und schreibt ein Gedicht.
Euro um jeden Preis? Was denn sonst, sagt Katja Kipping, die Parteivorsitzende der „Linken“, in einem Gastbeitrag für den Streit der Woche in der aktuellen sonntaz. „Glaubt wirklich irgendjemand, dass es keine globale Finanzkrise gebe, wenn wir statt des Euro wieder einen Haufen nationaler Währungen hätten?“
Die gefühlte Inflation sei empirisch längst widerlegt. Wäre es für die Finanzbranche nicht wesentlich leichter, gegen nationale Währungen zu spekulieren, fragt sie, statt gegen eine Gemeinschaftswährung, in der gut ein Viertel der weltweiten Geldreserven angelegt ist? „Wir sollten beim Kaputtreden des Euro nicht noch selbst mitmachen“, sagt Kipping.
Eigentlich hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Aufgabe, Inflation zu verhindern. Das ist das Grundprinzip einer Notenbank, deshalb wurde die EZB geschaffen. Wenn sie Staatsanleihen der Euro-Krisen-Länder aufkauft, wie letzte Woche beschlossen wurde, riskiert sie jedoch genau die Währungsstabilität, die sie schützen soll: Mehr Geld ist im Umlauf, die Preise könnten steigen.
Nun stellen sich Politiker und Wirtschaftsexperten die Frage: Darf die EZB das? Muss sie sogar den Euro retten, auch wenn das eigentlich ihrer Aufgabe zuwiderläuft? Wollen wir den Euro um jeden Preis?
„Wir sollten genau überlegen, was es kosten würde, den Euro nicht zu retten“, meint Gerhard Illing, Professor für Makroökonomie an der LMU München. Der Zusammenbruch der gemeinsamen Währung hätte einen massiven Wirtschaftseinbruch und steigende Arbeitslosigkeit gerade auch in Deutschland zur Folge, sagt er.
„Angst ist ein schlechter Ratgeber für politisches Handeln“, findet Frank Schäffler, der prominenteste Kritiker der FDP am Euro-Rettungsschirm. „Sie führt zu Flick- und Stückwert.“ Gute Politik solle sich in Not- und Krisenzeiten auf bewährte Prinzipien verlassen, auf die Nichtbeistandsklausel, die Kontrolle der Regierung durch das Parlament, die Unabhängigkeit der Notenbank und das Subsidiaritätsprinzip. „Lassen wir das marktwirtschaftliche Verlustprinzip gelten und Staats- und Bankinsolvenzen endlich wieder zu!“, fordert er.
Diese Prinzipien aufzugeben, wäre der Preis für die Rettung des Euro. Frank Schäffler findet diesen Preis zu hoch.
Dieter Hildebrandt, politischer Kabarettist, zuckt bei der Frage mit den Schultern. „Ob diese Anleihen faul sind oder unfaul, ist nicht mehr das Problem.“ Es geht um Grundsätzliches: Bei diesen ganzen Buchstaben blickt doch niemand mehr durch.
„Man kann ein wackliges Papier als Pfand hinterlegen für ein faules. Sagt der ZKB. Weiß das die EK?“, fragt Hildebrandt. „Und der VKB? Der Verband Klammer Banken? Und der VBK? Der Verband Beschissener Kunden? Und der Rettungsschirm? Und der Rettungsfonds? Und der Fiskalpakt?“ Und wie hieß nochmal das Unkraut, das sich um Menschen und Häuser wickelt wie Schlinggewächse? „EFEU. Was ist das nun wieder? Richtig: Efeu.“
Die sonntaz-Frage „Euro um jeden Preis?“ diskutieren außerdem Stefano Fassina, italienischer Ökonom von der oppositionellen Partito Democratico Italiens, Axel Schäfer, Vizefraktionschef der SPD für Europa, und Heiko Eberz, taz-Leser – in der sonntaz vom 11./12. August. Die sonntaz gibt es auch im Wochenendabo.
Leser*innenkommentare
Lilly
Gast
Hier ein lesenswerter Essay in der FAZ.
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/schuldenkrise-der-ausnahmezustand-europas-11852316.html
reblek
Gast
Nicht viel Glück beim Zitieren:
"Glaubt wirklich irgendjemand, dass es keine globale Finanzkrise gebe, wenn wir statt des Euro wieder einen Haufen nationaler Währungen hätten?" - Schreibt die wirklich "gebe" statt "gäbe"?
"Sie führt zu Flick- und Stückwert." - Klar, ist auch ein Flick- und Stückwerk etwas wert und das ist auch gemeint.
reiner tiroch
Gast
den Euro nicht zu retten ist ebenso teuer als wenn wir ihn untergehen lassen. warum soll also soll die sinnlose retterei fortgeführt werden? warum erzählt uns die verlogene politik dennoch was bewirken zu können? kaputtreden ist nicht nötig, denn er ist es schon. nur die verursacher können denken, dass mit unzähligen weiteren Billionen die es nicht gibt, was zu Retten sei.
Jan
Gast
Warum müssen Staaten Geld leihen, wenn die Banken dieses Geld einfach aus Luft schöpfen (und dafür Zinsen verlangen)?
Staaten sollten wieder finanziell souverän sein und selbst Geld schöpfen statt Steuerzahler auszuquetschen.
James Overstolz
Gast
Den Euro kaputtreden, liebe Katja Kipping?
Ist doch schon alles putt, und man kann nicht behaupten, dass die gigantische Arbeitslosigkeit unter den Berufsanfängern in großen Teilen Europas - dem mobilsten, flexibelsten und physisch agilsten Teil der Bevölkerung - nicht einiges mit der verfrühten Einführung des Euro zu tun hätte.
Die Deregulierung und der obszöne Umgang mit Finanzmitteln durch 'seriösen' Investment u.
Pensionsfonds, Versicherungen, Banken u. Heuschrecken und ihren Lobbiysten im System (à la FDP)hat eine globale Renditejagd ohne Sinn und Verstand enfesselt und eine Diktatur des Finanzkapitals geschaffen, gegen
die sich Politiker aller Schattierungen nur noch wie eifrig trippelnde Hamster ausnehmen. Demokratie, people's power ist längst abgeschafft, während wir noch über sie diskutieren. Engagierte, warmherzige Krisenmanager wie Jean-Claude Juncker scheinen am Ende ihrer Kräfte - gerade der deutsche Geiz, der Merkelsche Mangel an Führung hat ihnen mächtig Kraft gekostet.
Weil viel zu früh viel zu viele mediengeile Politiker sich den Euro umgehängt haben, können ihre Finanzminister jetzt nicht mehr regionale Währungen auf-und abwerten.
Kerneuropa wird den Euro behalten, sich vielleicht auf die nötigen radikalen Strukturveränderungen einigen.
Aber alle Siebzehn werden mit dem Euro oder der zu seiner Rettung notwendigen Inflation nur weiter Einkommen drücken und Sozialsysteme vernichten, die bisher aufgehäuften Schuldenberge der Staaten und Banken sind astronomisch (die Rettungsschirme entsprechen hingegen eher dem globalen Geldstrom von einem Tag oder so).
Und gegen Währungsspekulation haben sich die Staaten schon in der Vergangenheit erfolgreich
gewehrt, z.B. durch fixe Wechselkurse. Sehr altmodisch, ich weiß.
Gerade der Euro, der keinen 'lender of last reserve' besitzt, hat sich als besonders spekulationsanfällig entpuppt, hält sich aber noch erstaunlich gut zum Dollar (Hysterie ist an diesem Punkt wohl fehl am Platz).
Wenn wir bereits die bürgernahen, den wirtschaftlichen Fähigkeiten der Regionen entsprechende Finanzstrukturen geschaffen hätten, die einer Einheitswährung entspräche, wäre ich sofort für euroweite Eurobonds, Schuldenschnitt und Tilgungsfonds. Aber das Pferd wurde von hinten aufgezäumt, von oben nach unten - jetzt hat das Kapital leere Paläste in die iberische Wüste gesetzt.
Da die Troika und Hedgefonds aber nur mit sich selbst sprechen, ist es an der Zeit, aus dem Hamsterrad auszusteigen - so rational und geplant wie möglich.
Europäer zu sein heisst doch nicht, Euro-Fetischist sein zu müssen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Linke und Grüne laufen Gefahr, sich durch die mangelnde Schärfe ihrer Intervention für das nächste Jahrzehnt nur selbst zu kastrieren und breiteste Wählerschichten zu verprellen. Die Krise ist da und die Leute laufen vor ihnen weg.
Natürlich ist die Gefahr des Rechtspopulismus à la Söder groß, aber nur klare Haftungsprinzipien, eine Re-Regionalisierung und Demokratisierung Europas kann uns durch die Krise helfen. Man muss die Dinge zuende denken. Die Vielfalt macht Europa aus - nicht imaginäres Geld.
Small is beautiful and Big is now so huge it will fail. Lehman Brothers are everywhere.
Ursula Steenken
Gast
Die Linken sind brandgefährlich.
Sie führen viele Bürger mit ihrem Populismus in die Irre.
Lieber lebe ich arm und glücklich, als der Gleichheitsdoktrin und dem Ressentiment der Linken auch nur einen Schritt weit zu folgen.
Ich lasse mir die Opfermentalität nicht einreden und mich nicht von den Linken bevormunden.
RTW
Gast
„Wir sollten genau überlegen, was es kosten würde, den Euro nicht zu retten“, meint der Herr Professor.
Aber was es uns kostet und schon gekostet hat, den Euro zu "retten", "koste es, was es wolle", das muss ebenfalls berechnet werden.
Man sollte von Ökonomen eigentlich erwarten können, dass sie genau diese beiden Rechnungen aufmachen können, das sie die beiden Alternativen AUSRECHNEN können.
Es gibt Berechnungen, die besagen, das uns ein Verbleiben im gegenwärtigen Pleite-Euro viel teuerer kommt als eine Rückkehr zur D-Mark oder ein Nord-Euro.
Vor allen Dingen sollten wir auch die politischen Kosten des Pleite-Euros bedenken, vor allen Dingen hinsichtlich des Verhältnisses der Völker untereinander, die in den Euro hineingezwungen wurden - So viel Ressentiment und Hass wie im Moment zwischen den Völkern war seit dem Ende des zweiten Weltkrieges in Europa nie. Verursacht durch die Euro-Retterei.
Der Frieden sollte uns wichtiger sein als ein stures, ideologiebehaftetes Beharren auf dem Konflikt-fördernden Euro-"Projekt".
guntherkummmerlande
Gast
Kipping ist Dolmetscherin, Frau Wagenknecht
promoviert immerhin zu volkswirtschaftlichen Themen.
Frau Kipping erklären Sie sich nicht für Dinge
kompetent, für die sie nicht qualifiziert sind!
Natürlich wurde mit Kipping wieder eine ProEuro-Blockflöte installiert, um jede Partei im Bundestag
letzlich in Fragen des Euro gleichzuschalten.
Als Bürger der BRD will ich wenigstens eine
repräsentative Partei haben, die gegen den EURO-
Fortbestand ist, um überhaupt eine Wahlmöglichkeit zu haben!!! Sonst ist das keine Demokratie mehr.
Natürlich will auch die Linke am liebsten die
Abschaffung des Grundgesetzes!!!
Und die Euro -Krise existiert bereits, die Verwerfungen sind bereits da!!!
Es kommt darauf an, diese nun gut zu meistern!!
Dirk
Gast
Ganz falsch! Ich will die DMark wiederhaben! Warum? Ist doch klar: die Banken sind pleite, weil das mit dem Spekulieren nicht so hingehauen hat wie gedacht. Um ihnen wieder auf die Beine zu helfen, müssen wir ihnen neue Spekulationsmöglichkeiten erschaffen, also DMark, Gulden, Lire usw. Ausserdem find ichs geil, bei jedem Grenzübertritt den Banken einen Obulus fürs Geldumtauschen übern Tresen zu schieben. Auch Kleinvieh macht Mist, und bald werden die Banken wieder so gross und stark sein, wie wirs mögen. Und wenn wir dabei mit der DEUTSCHEN Mark auch noch den Nationalstolz bauchpinseln können - ja, wieviel Fliegen wollt ihr denn noch mit einer Klappe erwischen?! Also her mit der DMark, es leben die Banken!