piwik no script img

Populismus in Aserbaidschan„Das war ein Affenzirkus“

Der aserbaidschanische Exilpolitiker Alakbarow über die Begnadigung von Rafil Safarow, der bei einem Nato-Kurs in Ungarn einen Armenier mit einer Axt erschlug.

Proteste in Budapest: Die Auslieferung von Rafil Safarow fanden nicht alle gut. Bild: reuters
Interview von Barbara Oertel

taz: Herr Alakbarow, wie bewerten Sie Ungarns Entscheidung, den wegen Mordes an einem armenischen Soldaten verurteilten Rafil Safarow nach Aserbaidschan zu überstellen?

Gurban Alakbarow: Die Auslieferung selbst finde ich in Ordnung. Jede aserbaidschanische Regierung muss die Rechte ihrer Bürger schützen und hat auch gewisse Verpflichtungen ihren eigenen Soldaten gegenüber.

Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew hat Safarow sofort begnadigt. Auch bekommt er Gehaltsnachzahlungen und eine Wohnung. War auch das eine richtige Entscheidung?

Auf keinen Fall. Safarow ist für mich kein Held. Das war er nie und wird es auch nie sein. Das, was in Baku veranstaltet wurde, war ein Affenzirkus. Und es ist klar, warum: Der Alijew-Clan regiert schon seit 19 Jahren. Die Machthaber sind nicht durch Wahlen legitimiert. Alle Wahlen, die bisher stattgefunden haben, sind gefälscht, das muss endlich auch der Westen begreifen. Deshalb brauchen die Machthaber etwas, womit sie sich legitimieren können.

2013 finden bei uns Präsidentschaftswahlen statt. Alijew wird wieder kandidieren, obwohl das nach der geltenden Verfassung zweifelhaft ist. Daher braucht er eine gewisse Legitimation. Diese ganzen PR-Aktionen um Safarow dienen einzig und allein dem Zweck, ihm diese Legitimation zu verschaffen. Das ist eine Täuschung des Volkes, eine Manipulation der öffentlichen Meinung.

Wird diese Manipulation bei den Menschen verfangen?

privat
Im Interview: Gurban Alakbarow

36, ist Politologe und in Berlin Vorsitzender der Vereinigung für die Demokratie in Aserbaidschan, der Oppositionelle im Exil angehören.

Schwer zu sagen. Das Problem sind die Medien. Mit Ausnahme von zwei oppositionellen Zeitungen sind alle gleichgeschaltet. Dem Volk wird nur Propaganda geliefert. Und die könnte wirken.

Wie beurteilen Sie die Berichterstattung im Westen über den Fall Safarow?

Die Berichterstattung ist sehr einseitig. Das hat wohl auch mit einem Mangel an Informationen zu tun. Man könnte glauben, dass alle Aserbaidschaner wie Safarow sind, die mit einer Axt herumlaufen und nur eins im Sinn haben: Armenier zu töten. Eine einigermaßen objektive Berichterstattung sollte alle Facetten des Konfliktes in Betracht ziehen. Dann wird schnell klar, dass die aserbaidschanische und die armenische Seite ihre Schand- und Blutgeschichten haben, für die sich die Beteiligten schämen sollten. Doch darüber liest man wenig.

Es sollte nicht das wiederholt werden, was wir Anfang der Neunziger Jahre hatten, als die Aserbaidschaner in den Medien als Wilde dargestellt wurden.

Was bedeuten die jüngsten Ereignisse für das Verhältnis der beiden Staaten, die sich um die Region Berg-Karabach streiten, wobei es schon zu Gewalt kam?

Nichts Gutes. Aserbaidschans Regierung hat das Land jetzt in eine Lage gebracht, aus der der einzige Ausweg wäre, wieder einen Krieg zu beginnen. Ob das den Interessen des aserbaidschanischen Volkes entspricht und ob Aserbaidschans Streitkräfte bereit wären, diesen Krieg auch zu führen, bezweifle ich sehr.

Gibt es dennoch Ansatzpunkte für einen Dialog?

Auf der zivilgesellschaftlichen Ebene gibt es großes Potenzial. Das zeigt sich besonders in den persönlichen Kontakten zwischen Armeniern und Aserbaidschanern außerhalb ihrer Heimatländer. Doch alle Bemühungen werden dadurch torpediert, dass auf der politischen Ebene mit Alijew und Armeniens Präsidenten Sersch Sargsjan Kräfte das Sagen haben, die friedensfeindlich gesinnt sind und die Fälle wie den von Safarow zur Manipulation und Festigung ihrer Macht nutzen. Deshalb müssen in beiden Ländern vor allem die Kräfte der Demokratisierung unterstützt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • HL
    Heiko L.

    Ich finde internationalistische Linke müssen zu allen Nationalisten auf Distanz gegen, unabhängig von "ethnischen" Zugehörigkeiten. Denn nicht die ethnische Herkunft von Nationalisten ist das Problem, sondern die nationalistische Einstellung und Ideologie sind doch der wahre Kern des Problems!

  • D
    Denis

    Zu dem Vorgehen der Staatsmedien in Aserbaidschan in dem Fall gibt es einen interessanten Artikel bei http://www.eurasianet.org/node/65889

    der die Aussagen von Alakbarow unterstützt. Diktaturen brauchen Feindbilder, durch Manipulation der Öffentlichkeit wird Stimmung gemacht, Hinterfragen ist nicht erwünscht.

  • HD
    Hermann Davidian

    Wo bleibt der Aufschrei, wo die hochgepriesene internationale Solidarität?! Haben wir nichts aus den Fehlern der Verganganheit gelernt, als die sogenannten Linken sich mit den türkischen Faschisten verbündeten und dachten damit eine stärkere Front gegen die imperialen Kräfte aufbauen zu können?! Muss man immer wieder aus rein opportunistischen Gründen die Grundpfeiler des linken Selbstverständnisses dermaßen verraten?!

     

    Hat einer von uns hier im Westen darüber berichtet, als der über 1000 Jahre alte armenische Friedhof mit seinen einzigartigen Kreuzsteinen(hangearbeitete meist über 2m hoch), die von der UNESCO als Weltkulturerbe eingestuft wurden, systematisch von der aserbaidschanischen Führung als Akt der Hasses gegenüber der armenischen Kultur zerstört wurden?!

     

    Haben diese Faschisten nach all den Verbrechen wie dem Völkermord an Armeniern, Aramäern und Pontos-Griechen dafür Rechenschaft ablegen müssen?! Gab es spürbare Konsequenzen?

    Was ist nach den Massakern von Dersim gegen die Kurden passiert?! NICHTS!

    Die wechseln einfach vor unseren Augen die Kleidung und wir verpassenen denen einen Persilschein!

     

    Wir hier im Westen sind eben Heuchler, wir leiden an der Arroganz und kaschieren diese mit der Bereitschaft den "armen Daueropfern" aus den türkischen Reihen alles zu verzeihen! Damit helfen wir den türkischen Faschisten, nicht aber den oppositionellen Linken und Demokraten in der Türkei als auch in Aserbaidschan! Wir relativieren und verharmlosen und stellen denen damit einen Freischein des Hasses aus!

     

    Ja es gab womöglich Überbriffe auf die Zivilbevölkerung von armenischer Seite während des von Aserbaidschan begonnen Angrifskrieges in Bergkarabach!

    Hocali könnte so ein Fall sein! Doch warum erwähnen wir nicht im gleichen Atemzum all die anderen Fälle von Massaker gegenüber der armenschstämmigen Zivilbevölkerung Aserbaidschans?!

     

    Hier mal eine kleine Liste mit Namen von Städten in Aserbaidschan bzw. Karabach, in denen es zu Pogromen und Massakern an der armenischen Zivilbevölkerung kam. Sumgayit (1988), Kirovabad (Ganja) (1988) Baku (1990) Maraghar (Maraga) (1992)

     

    Lieber klein in der Zahl aber mit erhobenem Haupt als eine große Masse von rückgradlosen Pseudo-Linken!

  • RE
    Rudolf Eglhofer

    Ja, "Benz" hättest Du den Artikel verstanden so wüsstest Du dass es eine einseitige Tat war und dass weder Täter noch Opfer Offiziere in Streitkräften der NATO sind bzw. waren.

    Wenn ein Däne einen Schweizer am Kudamm vermöbelt lässt das auch keine Aussage über die Berliner Mentalität zu.

  • B
    Benz

    In Nato-Kursen erschlagen sich die Teilnehmer gegenseitig mit Aexten- ein Sinnbild dafuer, was fuer eine kriegerische, brutale Organisation die Nato ist.