EZB hält Kreditinformationen zurück: „Geschäftsinteresse geht vor“

Mehr als eine Billion Euro hat die EZB an andere Banken verliehen. Die Grünen erwägen nun eine Klage wegen Geheimniskrämerei gegen Europas Zentralbank.

„Darf's etwas mehr sein?“ Bild: dpa

BERLIN taz | Es war eine gewaltige Summe, die die Europäische Zentralbank (EZB) den Banken in der Eurozone zu Minizinsen zur Verfügung stellte: Über eine Billion Euro haben sich die Finanzinstitute im vergangenen Dezember und Februar geborgt – mit Zinsen von einem Prozent bei einer Laufzeit von drei Jahren.

Doch wie dieses Geld genutzt wurde, darüber verweigert die EZB bis heute jede Aussage. Nicht nur die Information, welche Banken in welchem Umfang bei den Billigkrediten zugegriffen haben, gilt als schützenswertes Geheimnis; verraten wollen die Währungshüter nicht einmal, in welche Länder die Milliarden geflossen sind.

Das geht aus der Antwort von EZB-Chef Mario Draghi an den Grünen-Bundestagsabgeordneten Gerhard Schick hervor, die der taz vorliegt. „Die Verletzung der Geschäftsinteressen der Gegenpartei [d. h. der Banken] wiegt schwerer als das öffentliche Interesse an der Veröffentlichung dieser Daten“, schreibt Draghi.

Aus den Angaben könnten Rückschlüsse auf die Bilanzen und Geschäftsmodelle gezogen werden. Zudem bestehe die Gefahr, dass Banken sich an weiteren Finanzierungsprogrammen nicht mehr beteiligen, wenn sie eine Veröffentlichung fürchten müssten, so Draghi. „Das würde die Effektivität der Finanzpolitik aufs Spiel setzen.“

Ziel der billigen Kredite – offiziell als „Drei-Jahres-Tender“ bezeichnet – war einerseits, die Bilanzen der Banken zu verbessern; denn wenn sie damit teurere Kredite ablösten oder das Geld mit Aufschlag weiterverliehen, stieg ihr Gewinn. Andererseits sollten auch Eurokrisenstaaten von der Maßnahme profitieren, weil erwartet wurde, dass die Banken mit den Billigkrediten vermehrt Staatsanleihen kaufen, wodurch wiederum deren Zinsen und damit die Kosten der Staaten sinken.

Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit

Dass die Zentralbank nun jede Aussage verweigert, welche Banken zugegriffen haben, findet Grünen-Finanzexperte Schick nicht akzeptabel. „Wenn die EZB als Krisenmanager tätig wird und Banken rettet, dann muss sie darüber auch im Detail gegenüber der Öffentlichkeit Rechenschaft ablegen“, sagte er der taz.

Für seine Arbeit als Parlamentarier, der über Rettungsmaßnahmen entscheide, seien die Informationen wertvoll; dass von einer Veröffentlichung, zumal im Nachhinein, eine Gefahr ausgehe, sieht er nicht. „Ich kann nicht nachvollziehen, warum die US-Notenbank solche Daten offenlegen konnte, die EZB aber nicht.“

Nachdem sein erster Widerspruch gegen die Nichtveröffentlichung nun von EZB-Chef Draghi persönlich abgelehnt wurde, kann Schick die Entscheidung nun vor dem Europäischen Gerichtshof überprüfen lassen. Eine entsprechende Klage lässt er derzeit prüfen.

Staatsanleihen-Aufkauf in unbegrenzter Höhe

Eine Klärung des Verhältnisses der EZB zu Parlamenten und Öffentlichkeit scheint durchaus geboten, denn ihre Rolle in der Eurokrisenpolitik nimmt ständig zu. Um die Zinsen für Eurostaatsanleihen zu drücken, hat der EZB-Rat jüngst beschlossen, Staatsanleihen unter Auflagen künftig in unbegrenzter Höhe aufzukaufen.

Auch bei der europäischen Bankenaufsicht soll die Zentralbank künftig eine zentrale Rolle spielen. Um ein „Kontrolldefizit“ zu verhindern, hält Schick darum mehr Offenheit für zwingend notwendig: „In dem Maße, in dem die EZB neue Aufgaben jenseits der Geldpolitik übernimmt, muss sichergestellt werden, dass ihr Handeln transparenter wird.“

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