Nachfolge von Kurt Beck: Frauenpower für Rheinland-Pfalz
Die bisherige Mainzer Sozialministerin Malu Dreyer soll neue Regierungschefin werden. Als Übergangskandidatin gilt die 51-Jährige nicht.
MAINZ taz | Am Freitagabend hat der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) nach 18 Jahren im Amt den Rücktritt von seinen Ämtern als Regierungschef und Landesvorsitzender seiner Partei erklärt. Gründe für diesen Schritt lagen zunächst nicht vor.
Spekuliert wurde über seinen Gesundheitszustand, weil Beck stets versichert hatte, bei guter Gesundheit bis zur Wahl 2016 im Amt bleiben zu wollen. Zuletzt war Beck wegen der Affäre um den bankrotten Nürburgring unter Beschuss geraten, erst vor vier Wochen überstand er ein Misstrauensvotum der CDU-Opposition.
Beck wollte noch am Freitagabend den Gremien seiner Partei einen Fahrplan für seinen Rückzug vorstellen. Neben dem SPD-Präsidium sollten auch Landesvorstand und Landtagsfraktion zusammenkommen. Interne Verteilungskämpfe soll es schon gegeben haben, seit die SPD bei der vergangenen Wahl nur einen halben Prozentpunkt vor der CDU landete und nach Jahren der Alleinherrschaft eine rot-grüne Koalition bilden musste.
Als mögliche Kronprinzen für das Amt des Ministerpräsidenten wurden bisher Innenminister Roger Lawentz und Fraktionschef Hendrik Hering gehandelt. Beide waren einmal Verkehrsminister, und beide gelten deshalb wegen des Debakels mit der defizitären Rennstrecke als angreifbar – das ebnet nun offenbar einer starken Frau den Weg zur Macht.
Von Affären unbelastete Politikerin
Während Lawentz den Landesvorsitz der Partei übernehmen soll, wird Marie Luise „Malu“ Dreyer neue Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz. Ein genauer Termin für den Stabwechsel stand am Freitagnachmittag noch nicht fest.
Die 51-Jährige leitet seit 2002 das Mainzer Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft arbeitete Dreyer als Richterin in Koblenz, bevor sie sich in ihrem Heimatort politisch zu engagieren begann. Von 1995 bis 1997 war sie Bürgermeisterin in Bad Kreuznach, ehe sie als Dezernentin nach Mainz ging und 2002 Landesministerin wurde.
Die beliebte und von den aktuellen Affären völlig unbelastete Politikerin galt im Rennen um das höchste Amt schon länger zwar als Geheimtipp, aber auch als tragische Außenseiterin. Dreyer ist vor 17 Jahren, also noch vor Beginn ihrer politischen Karriere, an multipler Sklerose erkrankt. Ihre Krankheit verläuft offenbar erstaunlich positiv, hin und wieder ist sie auf einen Rollstuhl angewiesen.
Dreyer lebt mit ihrem Mann, dem Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen, in dem modellhaften Wohnprojekt Schammatdorf, das architektonisch und sozial auf ein enges Miteinander von behinderten und nichtbehinderten Bewohnern eingerichtet ist. Noch 2011 sagte sie der Rhein-Zeitung: „Ich möchte bleiben, was ich bin. Und ich bin mit Leib und Seele Sozialministerin.“
Dreyer dürfte alles andere als eine Übergangskandidatin sein. Im Gegenteil: Ihr werden, anders als Beck und seinen Männern, beste Chancen eingeräumt, das Amt bei der kommenden Landtagswahl gegen die CDU-Herausforderin Julia Klöckner zu verteidigen.
Leser*innenkommentare
wählerschreck
Gast
"Von 1995 bis 1997 war sie Bürgermeisterin in Bad Kreuznach."
Wie soll bei einer nur 2-jährigen Bewährungszeit
als Bürgermeisterin hier eine Aussage über
ihr wirtschaftliches Geschick gemacht werden können?
Es sieht nach einer Flucht nach oben in
die Ministerien aus und weniger nach
Bewährung und gerechtfertigter Beförderung.
Der Ehemann war auch schon sehr einflussreich.
Na, wenn da nicht ein Geschmäckle aufkommt!
Ich bin für faire, freie Wahlen mit
transparenten Programmen der KandidatInnen
über die man sich noch in den Wahlkabinen
noch informieren darf ohne die auf die
alte Klüngelschaft zurückgreifen zu müssen.
Rheinland-Pfalz hat genug Alternativen.
klara
Gast
Fachlich richtig wären Neuwahlen gewesen!
Wie kann es sein, dass
der wegen Verwicklung an ruinösen Geschäften
für den Staat verwickelte Ministerpräsident noch
seine NachfolgerIn bestimmen darf!
Ob die Frau wirklich den Rückhalt hat, hätte
eine demokratisch legitimierte Wahl
entscheiden müssen.
Das ist eine vergleichbare Situation, wie
bei Carstensen in Schleswig-Holstein. Dieser
Runinator hätte auch nicht den Nachfolger
einsetzen dürfen! Diese Macht steht einem
Bundeslandpleitier nicht zu(der auch nicht
mehr das Vertrauen der Landesregierung
und der Landesparlaments genießen
darf). Ministerpräsidenten müssen immer
demokratisch legitimiert werden.
Also entweder hätte Beck sich jeden Tag
seinen Kritikern stellen müssen und
die gebotene Prügel einstecken müssen, die
er verdient hat oder zurücktreten und
Neuwahlen ausrufen müssen.
Das Verständnis, welches ihm hier entgegengebracht
wird, ist wieder ein Zeichen von demokratischer
Schwäche. Politik ist kein Nachsichtigkeits-
und Schmusegeschäft! In der Wirtschaft hätten
Manager, wie Beck, eine Freikarte für eine
Haft-oder Bewährungsstrafe bekommen.
Die Macht der NachfolgerInkürung steht einzig
und allein dem Volke zu. Soviel Macht darf
niemals eine Person haben und erst Recht keine
die vorzeitig zum Rücktritt gezwungen wird,
wobei bei genauerer Analyse sicherlich
noch mehr Mißstände offenbar werden.
Es kann nicht sein, dass nicht einmal
KandidatInnen für MinisterpräsidentInnenposten
sich einer fairen freien, geheimen Wahl mehr
stellen müssen!
Christian
Gast
"LEWENTZ", der Mann heißt "LEWENTZ" und nicht "Lawentz" ;)