Embargo trifft Privatkunden: Keine Konten für Iraner
Deutsche Banken kündigen iranischstämmigen Kunden die Privatgirokonten – im vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Embargo-Regeln.
BERLIN taz | Kayvan Azari kennt das Problem. Schon als er vor fünf Jahren als Student in Erfurt ein Konto bei der Deutschen Bank eröffnen wollte, wurde ihm das ohne Angabe von Gründen verweigert. Inzwischen lebt er mit seiner deutschen Ehefrau in Stuttgart und besitzt ein Konto bei der Sparkasse. Doch nun hat er Angst, dass es ihm gekündigt werden könnte. Denn in den letzten Wochen wurden vielen Iranern in Deutschland die Girokonten gekündigt und die Kreditkarten gesperrt.
„Das Problem betrifft nicht mehr nur Studenten aus dem Iran“, sagt Lutz Bucklitsch, Geschäftsführer des Berliner Vereins Flüchtlingshilfe Iran. Betroffen sind Kunden fast aller Banken, unter anderem der Commerzbank, der Dresdener Bank und der Deutschen Bank. Mehr als 500 Betroffene haben sich in den letzten Wochen an den Verein gewandt, vor allem aus München, Hamburg und Berlin. Oft haben sie von ihrer Bank solche Schreiben bekommen wie jenes der Berliner Sparkasse, aus dem Bucklitsch als Beispiel zitiert.
„Nach Rücksprache mit unserer Fachabteilung ist es nicht möglich, für iranische Staatsangehörige eine Visa-Karte zu erstellen“, heißt es da. „Wir bitten Sie daher, die bestellte Visa-Karte nicht einzusetzen, da wir die Karte gesperrt haben.“
Kein Kommentar
Ein Sprecher der Commerzbank warb gegenüber der taz um Verständnis dafür, dass das man sich „grundsätzlich nicht zu Kundenbeziehungen“ äußere. Auch andere Kreditinstitute wollen keinen Kommentar abgeben.
Den Grund für das rabiate Vorgehen der deutschen Banken vermutet Bucklitsch darin, dass sie um ihre Geschäfte mit den USA fürchten. Diese liegen seit Jahren mit dem Iran im Streit über dessen Atomprogramm. Zu den US-Forderungen an verbündete Staaten gehört es, die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Iran einzufrieren. Davon sind nun auch iranische Privatkunden deutscher Banken betroffen.
In Deutschland leben heute rund 120.000 Menschen iranischer Herkunft, 50.000 sind deutsche Staatsbürger. Wegen ihres hohen Anteils an Akademikern und Unternehmern gelten sie gemeinhin als gut integriert.
Unzulässige Diskriminierung
Dabei geht das Verhalten der Banken weit über die europäischen Embargoregeln gegen den Iran hinaus. Demnach sind Banken verpflichtet, die Kontobewegungen ihrer iranischen Kunden zu überwachen, bei Verstößen müssen sie mit Sanktionen rechnen. Doch vielen ist dieser Aufwand offenbar zu groß, sodass sie pauschal ihren iranischen Kunden kündigen.
Das aber stellt eine unzulässige Diskriminierung dar. „Befremdlich“ nennt Christine Lüders von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes den Vorgang darum auch und verspricht, sich um die Angelegenheit zu kümmern.
Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour ist empört. Viele Betroffene haben sich an den Politiker gewandt, der selbst iranischer Herkunft ist. „Dieser vorauseilende Gehorsam der deutschen Banken ist nicht angemessen“, sagt Nouripour. „Das ist rechtswidrig“.
Mit den Sanktionen gegen den Iran lasse sich dieses Verhalten keinesfalls rechtfertigen. Schließlich dürften iranische Studenten in den USA auch Bankkonten führen. Er fordert von der Bundesregierung, mehr Druck auf die Banken zu machen. Doch wenn diese nicht einsichtig seien, dann müsse die Sache eben vor Gericht geklärt werden.
Erst im Mai hatte das Oberlandesgericht in Hamburg entschieden, dass deutschen Firmen, die Geschäfte mit dem Iran machen, nicht einfach das Konto gekündigt werden darf – selbst dann nicht, wenn deren Geschäftspartner im Anhang der Iran-Embargo-Verordnung gelistet sind. Für Privatkunden müsste diese Unschuldsvermutung noch viel mehr gelten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen